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Ausstellung

Lotte Laserstein.
Von Angesicht zu
Angesicht

Die Berlinische Galerie zeigt eine große Retrospektive der in der Weimarer Republik recht bedeutenden, 1937 von Deutschland nach Schweden emigrierten Portrait-Künstlerin


Traute [Gertrud] Rose, geb. Süssenbach: Ohne Titel (Porträtaufnahme Lotte Lasersteins), 1934, © Autorin, Repro: Anja Elisabeth Witte

Bewertung:    



Nach erfolgreicher erster Station im Städel Museum Frankfurt ist nun Anfang April die Ausstellung Lotte Laserstein. Von Angesicht zu Angesicht auch in der Berlinischen Galerie angekommen. Bereits 2013 waren hier bei der großen Doppelausstellung Wien-Berlin einige Bilder der 1937 vor den Nazis nach Schweden geflohenen Berliner Malerin zu sehen. Nach dem Krieg in Vergessenheit geraten, wurde Lotte Laserstein erst 1985 in London wiederentdeckt. Erstmals widmete ihr in Berlin das Ephraim Palais 2003 eine Ausstellung. Nun präsentieren also in Koproduktion auch das Städel Museum Frankfurt und die Berlinische Galerie diese bemerkenswerte Künstlerin, deren realistischer Malstil der 1920er und 1930er Jahre der Neuen Sachlichkeit zugeordnet wird. Geschult ist die 1898 in Ostpreußen als Tochter einer jüdisch-assimilierten Apothekerfamilie geborene Lotte Laserstein allerdings vor allem am Spätimpressionismus eines Max Liebermann, der in der Ausstellung als eine von mehreren Referenzen mit einem bekannten Selbstportrait hängt.

Das Portrait war auch das bevorzugte Sujet von Lotte Laserstein, die 1927 an den Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst in Berlin ihr Studium abschloss, was sie mit Illustrationen und Gebrauchsgrafiken finanzierte. Laserstein war somit bereits als Studentin in der Weimarer Republik, in der Frauen erstmals überhaupt vermehrt zum Kunststudium zugelassen wurden, recht selbständig und portraitierte sich in ihren Selbstportraits als selbstbewusste Künstlerin. Eine Pose, die sie auch später immer wieder auf Bildern mit ihrer langjährigen, zum bevorzugten Modell gewordenen Freundin Traute Rose (geb. Süssenbach) einnahm. Lotte Laserstein malte sie immer wieder nackt, als Tennisspielerin und moderne Frau im damals üblichen Kurzhaarschnitt. Die gestaltende Frau in einst männerdominierter Pose zeigt auch Die Motorradfahrerin in Lederkluft.

Lasersteins 1928 gemaltes Portrait Russisches Mädchen mit Puderdose schaffte es sogar in den Endausscheid zum „schönsten deutschen Frauenbild“. Ihr akademischer Stil und der fast schon fotografische Realismus unterschieden sich aber deutlich vom in den 1930er Jahren ebenfalls aufkommenden völkischen Frauenbild. Diese Art von Pathos ist den Bildern Lotte Lasersteins relativ fremd, auch wenn ihre Portraits vor allem von Kindern mitunter auch etwas Ikonisches haben. Laserstein nahm immer wieder auch klassische Motive der Kunstgeschichte auf und interpretierte sie entsprechend um, wie etwa als intime Vertrautheit in Ich und mein Model (1929/30) oder dem im Stil einer liegenden Renaissance-Venus gemaltem Akt In meinem Atelier (1228). Lasterstein zeigt hier Muse und Modell gleichberechtigt zum schaffenden Maler im Hintergrund.

In den 1930er Jahren entstehen auch einige Landschaftsbilder. Lotte Laserstein betreibt eine private Malschule und bereist mit ihren Studierenden die Lüneburger Heide und das Teufelsmoor bei Worpswede. Aber bereits im Jahr 1930 deutete sich in einem ihrer Hauptwerke, dem seit 2013 im Besitz der Berliner Nationalgalerie befindlichen großen Tafelbild Abend über Potsdam die kommende schwere Zeit an. Wie beim biblischen letzten Abendmahl sitzt hier eine Gruppe Künstler in nachdenklich bedrückter Stimmung um einen Tisch vor dem Panorama der Stadt Potsdam. 1934 wurde im Gemälde Unterhaltung, das drei Männer in regem Gespräch auf einem Dachboden zeigt, die Gefahr schon greifbarer. 1937 nutzte Lotte Laserstein eine Einladung zu einer Ausstellung in Stockholm zur Emigration nach Schweden. Während sich ihre Schwester Käte bis Kriegsende in einer Berliner Laube versteckt halten konnte, wurde ihre Mutter 1943 im KZ Ravensbrück ermordet. Im ebenfalls großformatigen Gemälde Abendunterhaltung nahm Lotte Laserstein 1948 das Thema von Abend über Potsdam noch mal auf. Eine Gruppe Emigranten sitzt in schweigender Runde beieinander.

Die in Deutschland bereits recht bekannte Künstlerin musste sich im schwedischen Exil mit Portraitaufträgen und Illustrationen zu Büchern des schwedischen Schriftstellers Gustaf Hellström erst wieder einen Namen machen. „Ein Elend, dass man nach 9 Jahren Schweden genauso weit ist wie am Anfang.“ schrieb sie 1946. Lotte Laserstein kehrte dennoch nicht nach Deutschland zurück. Die Ausstellung zeigt hier noch ein paar Portraits wie das des in die USA emigrierten jüdischen Komponisten Otto Klemperer, oder des wie Laserstein ebenfalls nach Schweden emigrierten Grafikers und Bildhauers Walther Beyer sowie zwei Selbstbildnisse der Künstlerin von 1950. Eines davon zeigt sie vor ihrem großen Erfolg Abend über Potsdam.

Dass Lotte Laserstein nach dem Krieg in Deutschland in Vergessenheit geriet, liegt sicher auch am damals allgemein mangelnden Interesse an der realistischen Malerei, die erst seit ein paar Jahren wieder im Kommen ist. Im deutschen Informel, der sich mehr an den abstrakten US-amerikanischen Vorbildern orientierte, war akademische Perfektion nicht wirklich angesagt. Aber auch die lange Zeit vornehmlich männliche Kunstrezeptionshoheit hatte sicher ihren Anteil daran. Das gerade vom Brexit geschüttelte Großbritannien scheint da im Moment sogar wieder in der Vorreiterrolle. So will die Tate Britain für ein Jahr nur Künstlerinnen ausstellen. Die Berlinische Galerie steht mit ihren bisherigen Einzelausstellungen zu Künstlerinnen wie Hanna Höch, Jeanne Mammen, Dorothy Iannone, Cornelia Schleime, Monica Bonvicini oder jetzt eben mit Lotte Laserstein gar nicht so schlecht da.



Lotte Laserstein, Abend über Potsdam, 1930, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, erworben mit Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland, der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kulturstiftung und anderer, Bild: bpk/ Nationalgalerie, SMB/ Roman März, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Stefan Bock - 27. April 2019
ID 11371
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinischegalerie.de


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