Eine Frage der
Perspektive
im Arp Museum Bahnhof Rolndseck
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Cover des Katalogs zur Ausstellung Im Japanfieber. Von Monet bis Manga
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Bewertung:
Während der Edo-Zeit hatte sich Japan für rund 200 Jahre abgeschottet, und erst 1868 mit dem Beginn der „Meiji-Restauration“ öffnete sich das Land und erstaunte den Rest der Welt. Die Kunst hatte sich dort weitgehend ohne Einfluss westlicher Kulturen weiterentwickelt, und insbesondere die Technik des Farbholzdruckes war von überragender Qualität. Die europäischen Künstler befanden sich ebenfalls in einer Umbruchphase, und die ungewohnten Sehweisen der Japaner lösten ein wahres Japanfieber aus und beeinflussten insbesondere die Impressionisten. Die Japaner scherten sich wenig um europäische Konventionen wie z.B. die Zentralperspektive, die in Europa seit der Renaissance einen hohen Stellenwert eingenommen hatte; ihre Kompositionen waren teilweise schräg und asymmetrisch. Japanische Bilder wurden zu einem wahren Füllhorn an Ideen für die Impressionisten, die von der damaligen akademischen Lehrmeinung abwichen und versuchten, das Licht in all seinen Facetten darzustellen. Sie verzichteten schon mal auf die Farbe Schwarz und brachten Helligkeit in die Malerei.
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In der Ausstellung Im Japanfieber. Von Monet bis Manga (kuratiert von Susanne Blöcker) sind allein von Claude Monet sechs Gemälde zu bewundern. Der war ein eifriger Sammler japanischer Kunst, und sein Haus in Giverny ist heute noch ein vielbesuchtes Museum. Einige dieser Exponate werden erstmals außerhalb von Frankreich gezeigt, und in einer Ecke wird der dortige Blaue Salon nachgestellt. In Giverny hat Monet auch einen japanischen Garten angelegt, der ihm immer wieder Motive bot, wie die berühmten Seerosen. Die malte Monet immer wieder, führte sie weiter und ließ sie mit den Jahren immer abstrakter werden.
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Seerosen von Claude Monet (1908) | Foto: Helga Fitzner
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Die japanischen Farbholzschnitte waren farbenfroh und bildeten oft das Alltagsleben und die Natur ab. Der Berg Fuji war ein mystisches Symbol, und die Japaner hatten Ehrfurcht vor der Natur, insbesondere vor dem Meer, das für den Inselstaat eine große Rolle spielt. Monet hatte etliche Bilder von einem der bedeutendsten japanischen Künstler Utawaga Hiroshige erworben, darunter ein Triptychon mit aufgewühlter See und Spaziergängerinnen, die dem Wind ausgesetzt sind.
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Ansicht der Küste von Futamigaura (1847-1852), Triptychon von Utawaga Hiroshige aus der ehemaligen Sammlung Claude Monet | Foto: Helga Fitzner
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Monet bewies eine exzellente Kennerschaft und erwarb von Hiroshige gleich mehrere Bilder aus dessen Serie „Berühmte Gegenden der mehr als sechzig Provinzen“. Auch Beispiele von Hundert berühmte Ansichten von Edo (dem heutigen Tokio) und Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji können im Arp Museum betrachtet werden, darunter der Platzregen über der großen Brücke in Atake, bei dem zur großen Verwunderung der europäischen Zeitgenossen der Regen einfach mit schwarzen Strichen gemalt ist. „Angeregt durch Hiroshige und Hokusai malte Monet immer wieder dieselbe Landschaft in zahlreichen Varianten, im wechselnden Tageslicht und in der Abfolge der Jahreszeiten“, heißt es im Mediaguide, allerdings befinden sich die betreffenden Bilder Monets nicht in der Ausstellung. „Gewagte Naturausschnitte, hohe Horizonte, überraschende Nahsichten und die Unmittelbarkeit des Augenblicks bestimmten seitdem viele Landschaften und Stillleben von Monet“, erfährt man dort weiter. Die Felspyramide von Port-Coton (1886) zeigt die veränderte Perspektive: Eine Nahsicht auf das fast bildfüllende Meer und die Felsen, bei dem der Horizont nur noch am oberen Bildrand zu erkennen ist.
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Die Felspyramide von Port-Coton (1886) von Claude Monet belegt die veränderte Perspektive der Impressionisten | Foto: Helga Fitzner
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Auch Bilder von Katsushika Hokusai, ebenfalls ein großer Vertreter der Landschaftsmalerei, fanden ihren Weg ins Arp Museum, wie der Kirifuri-Wasserfall auf dem Berg Kurokami in der Provinz Shimotsuke oder Chrysanthemen und Biene. Im Katalog, der inhaltlich weit über die Ausstellung hinausgeht, schreibt Jocelyn Bouquillard: „Bei den japanischen Meistern greifen sie [die Impressionisten] den gegenwärtigen Blick, die Schwankungen des Lichtes, das Schimmern der Atmosphäre, den Wechsel der Jahreszeiten, die Flüchtigkeit von Nebel und Dämmerung auf.“ (S. 48).
Die japanischen Holzdrucke sind auch für die Darstellung der Vergnügungsviertel bekannt. Einer der drei Räume ist den Geishas gewidmet, darunter die berühmte Schminkszene von Kitagawa Utamaro. Einige der Impressionisten gaben sich voll dem Japanfieber hin, Paul Signac ließ sich sogar als Samurai verkleidet fotografieren. Signac ist u.a. mit der Frisierszene. Opus 227 (1892) vertreten, die das Cover des Katalogs und die Plakate ziert. Weitere Werke von Signac sind Pinien und Segelboote sowie Saint-Briac. La Garde-Guérin. Opus 211, die schon Beispiele des Pointillismus sind, zu denen auch Der Bec du Hoc bei Grandchamp von Georges Seurat gehört. Vincent van Gogh hat etliche japanische Motive auf seine Art aufgegriffen und sich von Hiroshiges Tobiuo [fliegender Fisch] und Ishimochi zu Räucherheringe auf einem Stück gelben Papier inspirieren lassen.
Es gibt leider keine schriftlichen Einzelinterpretationen der Bilder. Ein Mediaguide setzt hörende und medien-affine BesucherInnen voraus. So sind es atemberaubende Exponate, deren Zusammenhang man sich teilweise selber erschließen muss, auch wenn sich einige schon von selbst erklären. Den Einfluss der japanischen Kunst auf die europäische wird nur singulär und schemenhaft beschrieben. Dass die Wirkung der Japaner weit über die Malerei hinausging, zeigen Bilder mit Interieurs nach japanischem Vorbild wie Eine gemütliche Ecke von William Merrit Chase, das eine Frau im Kimono und Fächer abbildet. Die Lage des Museums, das in der wunderbaren Landschaft am Rhein direkt gegenüber des Drachenfelses und des Siebengebirges liegt, ist schon einzigartig. Dort hat der Gartendesigner Peter Berg einen japanischen Felsengarten entworfen.
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Ein zweiter Ausstellungsteil Japonismus: (K)eine Frage des Jahrhunderts?! (kuratiert von Astrid von Asten) befasst sich mit dem Einfluss japanischer Mangas, Animes und Cosplays auf die Popkultur. Es gibt eine Kostümsammlung, die man benutzen darf, um in bestimmte Figuren schlüpfen zu können, dazu Leseecken für Mangas und Videos von Animes und den wunderbaren Zeichentrickfilm Miss Hokusai (2016) von Keiichi Hara über die Mitarbeit der Tochter des großen Meisters, der einen nicht nur atmosphärisch oder künstlerisch, sondern auch zeitlich in das Japan der Entstehungszeit der japanischen Kunst der Edo-Zeit entführt.
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Helga Fitzner - 5. Dezember 2018 ID 11088
Weitere Infos siehe auch: https://arpmuseum.org
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