Arik Brauer
Phantastisch-realistisch. Ein Lebenswerk
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Arik Brauer in seiner Ausstellung in der Kunsthalle Erfurt | (C) Stadtverwaltung Erfurt
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Bewertung:
Der österreichische Maler, Bildhauer, Tänzer, Musiker und Dichter Arik Brauer ist im Januar 90 Jahre alt geworden. Das jüdische Museum Wien widmet dem multitalentierten Künstler gerade eine große Retrospektive. Da verwundert es schon, dass parallel ausgerechnet in der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt eine weitere Schau von Werken des Mitbegründers der Wiener Schule des Phantastischen Realismus zu sehen ist. Die Kunsthalle am Fischmarkt, Teil der Kunstmuseen Erfurt, hat in Zusammenarbeit mit Timna Brauer, der ältesten Tochter des Künstlers, und in Kooperation mit den jüdischen Achava-Festspielen Thüringen etwa 150 Gemälde, Zeichnungen, Temperaarbeiten und Druckgrafiken der letzten drei Jahrzehnte aus Arik Brauers Wiener Privatmuseum zusammengetragen. Aber natürlich kann Brauer auf eine weit längere Schaffensperiode zurückblicken.
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Arik (Erich) Brauer wurde 1929 in Wien-Ottakring als Sohn einer Wienerin und eines jüdischen Einwanderers aus Litauen geboren. Der Vater war orthopädischer Schuhmacher, und auch der Sohn ist handwerklich begabt, was ihm zunächst auch das Leben rettete. Während der Vater 1938 nach der Machtübernahme der Nazis in Österreich nach Riga floh und dort gegen Ende des Kriegs in einem KZ ermordet wurde, leistete Arik Brauer ab 1943 Zwangsarbeit in der Tischlerei des „Ältestenrats der Juden“ in Wien und überlebte die letzten Monate des Kriegs versteckt im Schrebergarten der Familie der Mutter. Brauer studierte bis 1951 an der Akademie der bildenden Künste Wien u.a. bei Albert Paris Gütersloh Malerei, aber auch Gesang an der Musikschule der Stadt Wien. In diese Zeit fällt auch die Gründung der Wiener Schule des Phantastischen Realismus mit den Künstlerfreunden Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter u.a. als Gegenpol zur abstrakten Malerei und dem aufkommenden Informel. Nach Reisen mit dem Fahrrad durch Europa und Afrika lebte Brauer als Sänger und Tänzer in Israel, wo er auch seine Frau Naomi kennenlernte. Gemeinsam tourten sie als Gesangsduo und lebten einige Zeit in Paris. Brauer hatte in den 1960er Jahre erste Erfolge als Maler, betrieb aber auch bis in die 1970er Jahre weiterhin seine Karriere als Sänger vor allem von politischen Wiener-Liedern.
Erst ab den 1980er Jahren wandte sich Arik Brauer wieder ganz der Bildenden Kunst zu, die seine eigentliche Leidenschaft ist. Er beschreibt seine Kunst selbst als eine erzählende Malerei. Und seine Bilder erzählen auch zumeist tatsächlich kleine Geschichten. Geschult ist Brauer da u.a. an den Bildern von Hieronymus Bosch oder Marc Chagall, aber auch an Künstler des Symbolismus und Surrealismus. Brauers Bilder bleiben immer figurativ, das Phantastische kommt durch die Farben, Formen und Fabelwesen in die Bilder. Brauer orientiert sich vor allem an biblischen Geschichten und Symbolen, nimmt dabei aber immer Bezug zu aktuell-politischen Themen wie Krieg, Rassismus, Umweltverschmutzung, menschliche Gier, soziales Elend und insbesondere auch zu Frauenrechten.
So auch zu sehen in der Erfurter Ausstellung, die Brauers Bildwelten thematisch und bildtechnisch auffächert:
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Arik Brauer: Das fliegende Leben, 1997; Tempera auf grundiertem Karton, 49 x 69 cm | Foto: Jonathan Meiri
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Da sind zunächst die Bilder zu ökologischen Themen wie Natur, Pflanzen, Tiere, Lebensspender Wasser und die Zerstörung der Umwelt durch menschlichen Raubbau und Atomkraft. Gleich zu Beginn fällt der mit Gasmaske gekreuzigte Verstrahlte Mann (2009) ins Auge, der auch Brauers Nähe zum Kriegsankläger Otto Dix zeigt. Zum Gemälde Die Blume von Tschernobyl aus dem Jahre 1996 schreibt Brauer „Diese von uns gepflanzte Blume ist giftig und blüht ewig.“ Und so gibt es hier zu fast jedem Bild auch einen kurzen, zumeist recht poetischen Kommentar des Künstlers. „Der Mensch ist wie eine Frucht in einer fliegenden Pflanze über dem Wasser“, heißt es zur Tempera-Arbeit Das fliegende Leben aus dem Jahr 1997. Bei Brauer fliegt die Phantasie auf orientalischem Teppich.
Märchen- und Fabelwesen bevölkern Brauers Bilder ebenso wie die immer wieder erscheinende flaschenförmige Brotfrucht. Weitere Teile der Ausstellung sind mythologischen Themen und seinen Gemälden zur Bibelgeschichten gewidmet. Beeindruckend sind seine Bleistift-Zeichnungen mit Wesen der griechischen Mythologie wie etwa Centauren, Tantalos oder Medusa und die auf Goldgrund gemalten Bilder Ikarus, Poseidon und Pan. Als Bildträger für seine Öl-Gemälde benutzt Brauer fast ausschließlich Hartfaserplatten, was die Bilder besonders ikonenhaft glänzen lässt. Das Anliegen und die Sujets von Brauer daher naiv zu nennen oder gar unmordern, käme einem in Zeiten von Flüchtlingskrise, Klimadiskussion und Metoo nicht in den Sinn, so aktuell sind selbst die älteren Bilder der Ausstellung. Mit seiner surrealen Gegenständlichkeit liegt Brauer eh wieder voll im Trend.
Dem Thema „Frauenschicksale“ widmet die Ausstellung das gesamte obere Geschoss. „Sie reißt sich die Zwangskleider vom Leib“, schreibt Arik Brauer zu seinem Gemälde Die Glocke der Freiheit (2012). Brauer Sympathie gehört den unterdrückten Frauen in der dritten Welt. Er malt einen Fememord (Für die Ehre der Familie), Eine Steinigung oder lässt einen Scheiterhaufen blühen als Zeichen des Sieges gegen die Inquisition. Im Gemälde Die Würde (2012) schreitet eine orientalische Frau trotz männlicher Last auf dem Kopf „voll Harmonie und Schönheit“, wie Brauer es bezeichnet.
Neben den gesellschaftspolitischen Themen bewegt Brauer aber vor allem weiter die Musik. Er hat Opern ausgestattet und Bühnenbilder entworfen. Zu Mozarts Zauberflöte sind in der Ausstellung gemalte Szenenbilder und das Paar Papageno und Papagena (2019) zu sehen. In zwei Filmen spricht Der Künstler über seine Arbeit und man kann ihm beim Malen über die Schulter schauen.
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Blick in die Ausstellung Arik Brauer - Phantastisch-realistisch. Ein Lebenswerk in der Kunsthalle Erfurt | (C) Stadtverwaltung Erfurt
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Stefan Bock - 3. September 2019 ID 11657
Weitere Infos siehe auch: https://kunstmuseen.erfurt.de/km/de/kunsthalle/index.html
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