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Ausstellung

And Berlin Will Always Need You

Die erste Schau im Gropius Bau unter der neuen Leiterin Stephanie Rosenthal beschäftigt sich mit Kunst, Handwerk und Konzept Made in Berlin
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Seit Februar 2018 ist Stephanie Rosenthal die neue Chefin am Martin Gropius Bau. Über die Stationen München und London kommt die Nachfolgerin des erfolgreichen Vorgängers Gereon Sievernich nach Berlin. Das hat sie gemeinsam mit einem weiteren Kurator, der allerdings wenig später schon wieder die Segel streichen musste. Das wird Stephanie Rosenthal hoffentlich nicht passieren. Die Antwort von Thomas Oberender (Leiter der Berliner Festspiele) auf Chris Dercon ist zwar ebenso den darstellenden Künsten zugeneigt und hat auch schon Christoph Schlingensief ins Museum gebracht, aber im Gegensatz zum sich als Theaterleiter berufen fühlenden Belgier bleibt die Münchnerin bei ihrem Leisten und präsentiert nun zum Auftakt im frisch renovierten Gropius Bau, wie das Berliner Festspiel-Museum an der Niederkirchnerstraße nun kurz heißt, eine groß angelegte Sammelschau Bildender KünstlerInnen mit besonderem Bezug zum Ausstellungsort Berlin.

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Die Ausstellung And Berlin Will Always Need You mit dem Untertitel „Kunst, Handwerk und Konzept Made in Berlin“ ist dennoch recht international. Alle TeilnehmerInnen haben aber zumeist ihre künstlerische Heimat nach Berlin verlegt. Passend zur einstigen Nutzung des von Martin Gropius (einem Großonkel von Walter Gropius) und Heino Schmieden 1877-1881 erbauten Hauses als Kunstgewerbemuseum beschäftigen sich die KünstlerInnen vorwiegend mit dem Handwerk als Konzept in ihren Kunstwerken, was nicht zwangsläufig reines Kunstgewerbe zur Folge haben muss. Im Konzept des Hauses steht wie auch in den letzten Jahren der große Lichthof im Inneren des Gropius Baus im Mittelpunkt. Er wurde für die Ausstellung von der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota gestaltet. Sie bezieht sich in ihrer Installation Beyond Memory ebenfalls auf die Geschichte des Hauses. In einem von der Glaskuppel bis zum ersten Stock über den Lichthof gespannten Netz haben sich Kopien alter Katalogseiten und Bilder aus früheren Zeiten verfangen. Ein neuronales Netz der Erinnerung an Vergangenes, durch das das Licht der Gegenwart oszilliert.


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Chiharu Shiota: Beyond Memory, Installationansicht im Lichthof vom Gropius Bau | Foto (C) Stefan Bock


Offener, lichtdurchfluteter sind auch die Ausstellungsräume im umliegenden Erdgeschoss. Hier hat man die Fenster mit Blick auf das Berliner Abgeordnetenhaus und die Topografie des Terrors geöffnet. Neben mehr Licht für die Installationskunst signalisiert das auch Transparenz nach innen und außen. Als Plattform vor allem für Berliner KünstlerInnen will sich das Haus präsentieren. Das hört man gerade als Berliner immer wieder gern. In der an Kreativität reichen Stadt kann es nicht genug Ausstellungsmöglichkeiten für hier heimische Kunstschaffende geben. Ob das jetzt zu Lasten der auch immer recht gut besuchten, meist in Koproduktion mit der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle veranstalteten kulturhistorischen und archäologischen Großevents wie etwa Die Wikinger oder der erst kürzlich gezeigten Ausstellung Bewegte Zeiten - Archäologie in Deutschland geht, wird sich zeigen.

Wenn man nun beim Gropius-Bau-Erleben durch die Räume schlendert, fühlt man sich allerdings doch auch wie bei einem verspäteten Nachklapp zur letzten Berlin-Biennale, die sich unter dem Motto „We don’t need another hero“ (einem Popsong von Tina Turner) mit der postkolonialen Vergangenheit Europas auseinandersetzte und dabei auch immer wieder auf altes Kunsthandwerk zurückgriff. Zu sehen ist das hier vor allem bei den Werken von Antje Majewski und Olivier Guesselé-Garai. Sie zeigen in Nordkamerun geknüpfte Schamschürzen (Les Cache Sexes), geflochtene Installationen aus organischen Materialien wie Garn, Bast und Ziegelsteinen oder ein Gemälde eines Sultan-Thrones, der als Geschenk an Kaiser Wilhelm II. vor 110 Jahren nach Deutschland kam. Ähnlich setzt sich der aus Äthiopien stammende Künstler Theo Eshetu in seiner Videoinstallation The Phi Phenomenon mit dem Thema kulturhistorisches Erbe als Museumsexponat auseinander.

Olaf Holzapfel hat sich von sorbischen und indigenen argentinischen Strohflechtarbeiten zu seinen Chaguarbildern, entstanden aus einer argentinischen Kaktusfaser, inspirieren lassen. Die aus der Türkei stammende Künstlerin Nevin Aladağ verarbeitet in ihren Collagen Fragmente aus traditionellen Teppichmustern zu sogenannten sozialen Geweben. Eine Mischung von Objekten aus traditionellen Materialien, digitalen Landschaftsbildern und aufgenommenen Vogelstimmen verwendet die südkoreanische Künstlerin Haegue Yang für ihre Raum- und Klanginstallation. Auch der niederländische Künstler Willem de Rooij verwendet traditionell gewebtes Textilmaterial für seine monochromen Wandbilder, die aber beim Vorbeigehen farblich im Licht chargieren.



Haegue Yang: Ausstellungsansicht Chronotopic Traverses, La Panacée - MoCo, Montpellier, France, 2018, In Zusammenarbeit mit Manuel Raeder, Foto (c) Marc Domage, La Panacée - MoCo, Courtesy: die Künstlerin


Eklektizistisch wird es bei den Raum- und Wandinstallationen von Julietta Aranda, die ihre geometrischen Formen und Farbflächen im Stil der Bauhaus- und Stijl-Künstler gestaltet. Sehr dekorativ sind auch die Skulpturen von Venedig-Biennale-Teilnehmerin Mariechen Danz. In ihrer Installation Common Carrier Case: rotation route schweben an Drähten befestigte menschliche Organe um mit wissenschaftlichen und anatomischen Zeichnungen und Symbolen digital bedruckte Textil-Bodys. Der Körper fungiert hier als Transporteur von Wissen. Politisch wir es gar bei der Kleider-Installation Die Arbeiter*innn von Brukmann von Alice Creischer und Andreas Siekmann bei der die beiden Künstler mit individuell gestalteten Anzügen aus industriellen Massenproduktion auf die Auswirkungen von Neoliberalismus und Globalisierung in der Fabrikarbeit hinweisen und eine Fabrikbesetzung durch die argentinische Belegschaft dokumentieren.



Julieta Aranda: Ghost Nets, 2018, Foto (c) David Díaz Medina, Courtesy: die Künstlerin


Der letzte Raum der Ausstellung präsentiert eine moderne Ikone der Weiterentwicklung von Elementen der Arts-and-Crafts-Bewegung. Die 1933 in Boston geborenen Künstlerin Dorothy Iannone kam schon 1976 als DAAD-Stipendiatin nach Berlin und ließ sich hier dauerhaft nieder. Die Berlinische Galerie hat der Künstlerin 2014 eine umfassende Retrospektive gewidmet. Von Iannone stammt auch der ebenfalls einem Song entlehnte Titel der Ausstellung. Ihre sehr psychedelischen und ornamentalen Bildergeschichten, Künstlerbücher, Objekte und Installationen beschäftigten sich mit der Befreiung der weiblichen Sexualität. Auch in der Ausstellung sind ihre recht expliziten sexuellen Darstellungen zu sehen, die sich wie farbenfrohe Comics über Wandteppiche und Acrylgemälde ziehen. Auch Tarot-Karten, Kalenderblätter und Plattencover hat sie mit ihren sexuell aufgeladenen Motiven gestaltet. Ein kraftvoller Abschluss der ersten Schau im neuen Gropius Bau, der sich nun weiter irgendwo zwischen Berliner Haus der Kunst und Bundeskunsthalle verorten muss.


Stefan Bock - 30. März 2019
ID 11313
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/


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