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Werkbetrachtung

Hesperiden-Triptychon

von Hans von Marées



Die Hesperiden waren die Töchter des Atlas und damit betraut, im Göttergarten die goldenen Äpfel zu hegen und zu beschützen. Das hat solange funktioniert, bis Herakles, Sohn des Zeus und der schönen Alkmene, die Aufgabe erhielt, drei dieser Äpfel zu stehlen. Mit einer List und mit Hilfe von Atlas ist dies dem berühmtesten Held der Antike auch gelungen.

Der Deutschrömer Hans von Marées (1837-1887) hielt sich Ende des 19. Jahrhunderts in der ewigen Stadt zusammen mit Böcklin und Feuerbach auf und hat sich viele Jahre mit dem Hesperiden-Thema beschäftigt. Die erste Fassung des Hesperiden-Bildes entstand 1879. Heute existieren davon allerdings nur noch die vorbereitenden Zeichnungen. 1884 malte er eine zweite Version, ein Triptychon, ganz in der Tradition eines christlichen Altars. Neben der Hauptgeschichte behandelt Von Marées darin auch die unterschiedlichen Lebensabschnitte des Menschen.



Hesperiden von Hans von Marées | Bildquelle: Wikipedia


Die Äpfel, oder sind es Orangen, spielen auf jeder der drei Tafeln eine tragende Rolle und bringen Licht und Bewegung in das ansonsten eher düstere Bild. Auf der linken Seite amüsieren sich zwei junge Erwachsene mit den leuchtenden Früchten. Der eine pflückt, der andere hebt gerade eine zu Boden gefallene Orange auf. Das rechte Panel zeigt einen sitzenden Greis und Kleinkinder, die mit den für sie viel zu großen glänzenden Bällen spielen. Die beiden hochformatigen Außentafeln rahmen die göttlichen Hesperiden im Querformat ein.

Drei nackte Frauen stehen im Halbschatten in einer mysteriösen Arkadien-Landschaft vor einem Fluss, über dem gerade die Sonne untergeht. Es sind statische Figuren, unbeteiligt, denen von Marées Bewegungen andichtet. Die drei Frauen im Mittelteil bilden zwei Gruppen. Die linke Hesperide steht alleine, sie stützt sich mit der linken Hand auf eine Säule oder einen Sockel, während die beiden anderen nahe beieinander stehen und auch durch ihre langen Haare weniger unbedeckt erscheinen. Die Blonde in der Mitte ist in Bewegung, sie hat gerade mit der linken Hand eine Orange in die Luft geworfen, die dort festfriert. Das dritte Mädchen spielt mit ihrer Haarpracht. Interessant ist die Position der jungen Frauen. Von Marées hat hier auf den Kontrapost zurückgegriffen, der eigentlich ein Gestaltungsmittel der Bildhauerei ist. Dabei geht es um den Ausgleich der Gewichtsverhältnisse, um das Nebeneinander von Stand- und Spielbein. Das Becken tritt aus der senkrechten Körperachse, und diese Gewichtsverlagerung bringt den Hüftschwung und eine Schieflage der Hüfte hervor. Es ist ein Ausbalancieren zwischen angespannter Ruhe und freier, ausdrucksstarker Beweglichkeit. Erstmals wurde der Kontrapost von den Bildhauern der Antike angewandt, vor allem von Polyklet. Die Renaissance, angefangen bei Donatello, hat dieses Gestaltungsmittel erneut aufgegriffen und auch auf die Malerei übertragen.

Die prallen, roten Früchte hängen weder an Apfel- noch Orangenbäumen. Sie scheinen auf anderem Wege in diese pastorale Landschaft gekommen zu sein. Die blätterlosen Baumstämme ragen kerzengerade und kathedralenhaft gen Himmel. Nur am oberen Bildrand hängen in fast regelmäßigem Abstand abgeschnittene Orangen wie Quasten ins Bild. Sehr ernst scheinen die Aufpasserinnen ihre Aufgabe sowieso nicht zu nehmen. Die Schönen stehen aufrecht, maskenhaft in der Mitte des Bildes und blicken auf den Betrachter. Eigentlich könnte die Szene auch in einem Atelier passieren, denn für den Garten interessieren sie sich sowieso nicht, und die wertvollen Früchte behandeln sie auch nicht mit dem nötigen Respekt. Die Orangen liegen, fallen oder werden gehalten, degradiert zu Spielzeug, Mittel zum Zweck, für das energie- und teilnahmslose Spiel. Von Marées ist hier vor allem an sukzessiven Bewegungsabläufen interessiert.



Das Hesperiden-Triptychon entstand 1884, misst 341 × 482 cm und hängt in der Neuen Pinakothek in München.
Christa Blenk - 17. April 2022
ID 13578
Der deutsche Maler des Idealismus Hans von Marées hat es zu Lebzeiten zu keiner wirklich bedeutenden Ausstellung geschafft. Er studierte an der Berliner Kunstakademie und landete nach seinem Militärdienst 1857 in München, wo er auf Franz von Lenbach und auf von Schack traf. Von Schack war es auch, der ihn nach Italien schickte, wo er in Florenz und Rom mit Lenbach Gemälde kopierte. Von Marées schaffte es aber nie, aus dem Schatten des Münchner Malerfürsten herauszutreten und rächt sich mit einem Selbstportrait. Von Lenbach steht zwar in erster Reihe, aber im Schatten, den Hut tief ins Gesicht gezogen mit reflektierender Brille, während von Marées‘ Gesicht leicht links hinter ihm gut zu erkennen ist.

Der selbstkritische Von Marées fühlte sich meist unverstanden und übermalte permanent seine Werke. Er hatte eine besondere Vorliebe für Fresken. Leider sind seine einzig nennenswerten Fresken in der Zoologischen Station in Neapel in nicht sehr gutem Zustand.

Dass Hans von Marées heute bekannt ist, hat er Julius Meier-Graefe zu verdanken. Hans von Marées starb 1887 in Rom und wurde auf dem protestantischen Friedhof an der römischen Cestius Pyramide begraben. Dort landeten seinerzeit Alle, die nicht katholischen Glaubens waren.


Wikipedia-Link zu den Hesperiden von Hans von Marées


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