Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 4

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Werkbetrachtung

Die Schaukel von

Jean-Honoré Fragonard



„Ich möchte, dass Sie Madame auf einer Schaukel malen, die ein Bischof in Bewegung setzt. Mich platzieren Sie am besten so, dass ich in der Reichweite der Beine dieses schönen Kindes bleibe – oder noch näher, wenn Sie sich davon einen besseren Effekt für das Bild versprechen.“ Mit diesen Regieanweisungen gab der französische Dichter und Kritiker Baron de Saint-Julien 1766 das Bild Die glücklichen Zufälle der Schaukel in Auftrag, und bei „Madame“ handelte es sich selbstredend um seine Mätresse. Ursprünglich hatte er den jungen und unbekannten Maler Gabriel François Doyen beauftragen wollen, dieser lehnte aber mit Blick auf seine künstlerische Zukunft ab und schlug vor, den bekannteren Fragonard zu fragen, welcher sofort zustimmte. Mit der Die Schaukel malte Fragonard eines seiner pikantesten Bilder im kitschigen, ausgehenden Rokoko.



Die Schaukel von Jean-Honoré Fragonard | Bildquelle: Wikipedia


Um 1765 war der Maler aus der Provence, Jean-Honoré Fragonard (1732-1806), Anfang dreißig und hatte gerade seine Grand Tour hinter sich. Das Gemälde Koresos und Kallirhoe, ein Thema aus der Pausanias Beschreibung Griechenlands, öffnete ihm die Tür zur begehrenswerten Akademie. Diderot war begeistert, und Frankreich hegte die berechtigte Hoffnung, der Boucher-Schüler Fragonard würde die französische Malerei erneuern. Als dann auch noch König Ludwig XV. das Bild erwarb, stand einer außergewöhnlichen Karriere nichts mehr im Wege. Aber es kam anders. Fragonard verzichtete auf die Ehre einer künstlerischen „Beamtenlaufbahn“ und malte nur noch für Privatsammler und das, was er malen wollte. Eine Marktlücke fand er in den kleinformatigen, erotischen Boudoir-Bildern, die im Rokoko sehr angesagt waren und die nicht nur die Schlafgemächer der Adeligen schmückten.


Die besagte Schaukel ist an knorrigen, asymmetrischen Ästen befestigt. Auf ihr sitzt eine junge, lebenslustige Frau mit Hut. Wie ein Bischof sieht der auf einer Steinbank sitzende alte Mann, der die Schaukel mit einem Seil in Bewegung setzt, zwar nicht aus, aber wer weiß. Der Greis könnte genauso gut ihr Vater oder ihr Mann sein. Auf jeden Fall wird die puppenhafte Grazie ferngesteuert und entscheidet weder über Höhe noch Schnelligkeit des Fluges. Fragonard hat den höchsten Vorwärtsschwung der Schaukel eingefroren. Der aufgebauschte Rock, völlig deplaciert für einen Ausflug ins Grüne, entblößt ihr linkes Bein bis zum Knie, während sie das rechte samt Pantoffel in die Luft schleudert. Der zierliche Schuh nimmt Kurs auf den Schoß eines jungen, im Grase liegenden Galans. Dieser Platz war ursprünglich für den Auftraggeber vorgesehen! Die Gartenwerkzeuge vorne ihm Bild sind symbolisch, denn ein Gärtner ist er sicher nicht. Das kokette Lächeln, das "Madame" ihm von der Schaukel aus schenkt, nimmt er mit leicht geöffnetem Mund und verlegen-freudiger Überraschung über diesen flüchtigen Glücksmoment an. Die Farbe ihres rosarot glänzenden Kleides findet sich im Rosengebüsch unter ihr wieder. Eine der satten Blüten steckt im Knopfloch des jungen Mannes. Rechts unter ihrem prächtigen Rock steht eine Skulpturengruppe mit zwei sich umarmenden Putten. Eine davon blickt gebannt auf das Schoßhündchen rechts unten, die andere steht im diagonalen Blickkontakt zu Eros, der links auf einem verzierten Podest dieses von einer Mauer umgebene Liebesnest beschützt und Schweigen gebietet, um die knisternde Erotik in diesem Zaubergarten nicht zu stören. Alle Anderen, sogar der Hund, blicken andächtig auf die Fliegende.


Fragonard macht den Betrachter hier zum Voyeur, der gespannt dieser frivolen Ménage à trois im Freien folgt. Immer wieder musste Fragonard sich vorwerfen lassen, nur den seichten Geschmack lasterhafter und dekadenter Sammler des Ancien Regime zu bedienen und sein Talent zu vergeuden. Vielleicht wollte er mit der Schaukel eine Art Transition in eine neue Zeit andeuten. Ab 1770 widmet er sich dem Genre der Figure de fantaisie. Bei diesen Fa-presto-Zeichnungen jagt der Pinsel den Gedanken hinterher. Da es üblich war, im spanischen Kostüm Modell zu sitzen, hat das Verkleiden sicher manchmal länger gedauert als die Zeichnung selbst. Fragonard, der sich immer gegen den aufkommenden Klassizismus gestellt hat, nähert sich 1778 mit dem Bild Der Riegel dann doch dieser neuen Stilrichtung mit einer Szene aus dem bürgerlichen Milieu. Bis zu seinem Tode 1806 kümmerte sich der aufkommende Malerstar Jacques-Louis David um den verarmten Fragonard und verschaffte ihm eine Stelle im Louvre.

Die Schaukel hängt in der Wallace Collection in London und misst 81 x 65 cm.
Christa Blenk - 20. Juni 2020
ID 12310
Link zum Bild Die Schaukel


Post an Christa Blenk

eborja.unblog.fr

Ausstellungen

Kulturspaziergänge

Museen

Werkbetrachtungen



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:




KUNST Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

AUSSTELLUNGEN

BIENNALEN | KUNSTMESSEN

INTERVIEWS

KULTURSPAZIERGANG

MUSEEN IM CHECK

PORTRÄTS

WERKBETRACHTUNGEN
von Christa Blenk



Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)