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Werkbetrachtung

Die sieben Werke der

Barmherzigkeit
von

Michelangelo Merisi da

Caravaggio



Die Hauptwerke von Caravaggio (1571-1610) findet man vor allem in den römischen Kirchen (die Fresken in der Französischen, Petrus und Paulus in Santa Maria del Popolo oder die wunderbare Pilgermadonna in Sant’Agostino). Das Altarbild Sette opere di misericordia (Die sieben Werke der Barmherzigkeit) hängt hingegen in einer kleinen Kirche in Neapel.

Für die Adeligen im 16./17. Jahrhundert gehörte es zum guten Ton, sich dann und wann mit gnädiger Uneigennützigkeit zu schmücken und ein Gemälde oder eine Kirche zu stiften. In diesem Falle waren es sieben junge Aristokraten aus Neapel, die bei Caravaggio um 1600 ein Werk für die kleine Kirche Pio Monte della Misericordia in Auftrag gaben. Damit wurden gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: man spendete den Kranken und Bedürftigen Trost, erhöhte das eigene Ansehen, erleichterte das schlechte Gewissen und sicherte sich obendrein schon mal einen Platz im Himmel: eine klassische win-win.




Michelangelo Merisi Caravaggio: Die sieben Werke der Barmherzigkeit, 1607;
Öl auf Leinwand, 390 x 260 cm
Pio Monte della Misercordia, Neapel;
Bildquelle: piomontedellamisericordia.it


Ein ausuferndes Leben, ein unkontrolliertes Temperament und eine gewisse kriminelle Energie stellen Caravaggio nicht unbedingt in die religiöse Ecke! Trotzdem spielte die Curie eine bedeutende Rolle in seiner Erfolgsgeschichte. Bei den Sette opere handelt es sich nicht um sieben Bilder sondern um sieben (barmherzige) Taten. Caravaggio hat sie Alle in diesem Altarbild untergebracht. Im einzelnen geht es darum, die Toten zu begraben, die Gefangenen zu besuchen, die Hungrigen zu ernähren, die Obdachlosen zu beherbergen, die Nackten zu bekleiden, die Kranken zu besuchen und den Durstigen Wasser zu geben. Dieses beeindruckende Werk wirkt auf den ersten Blick eher wie eine volkstümliche Straßenszene in einer engen Gasse in Neapel. Caravaggio hat sich seine Modelle (Arme, Bettler oder Kranke) gerne von der Straße geholt, was im Tenebrismus durchaus üblich war. Der Betrachter muss sich die jeweiligen Geschichten herausschälen, sie sich vor Augen halten, um sie im Gemälde zu finden. Mit dem für Caravaggio so typischen naturalistischen Realismus verbindet der Maler hier mühelos und glaubwürdig Profanes mit Sakralem.

Caravaggio übernimmt in diesem 390 x 260 cm großen Altarbild die Rolle des Bühnenbildners und des Beleuchters in einem Theaterstück, das sich auf einer ziemlich engen Bühne abspielt und bei dem alle Schauspieler gleichzeitig auftreten. Fangen wir rechts an. Die einzige Frau unter den Sterblichen im Bild gibt einem hungrigen Gefangenen die Brust. Hier hat Caravaggio mit der Geschichte von Cimon, dem im Kerker der Hungertod drohte und den seine Tochter Pera heimlich stillte, gleich zwei Punkte abgehakt. Nähre die Hungrigen und besuche die Gefangenen. Ein Milchtropfen im Bart des alten Mannes ist der Beweis. Neben ihr geht es zur Beerdigung. Die Gebeine eines Verstorbenen streifen ihren Rock, und sie weicht erschrocken zurück. Ein Träger stützt die leblosen Gliedmaßen, die von einem Tuch halb bedeckt sind. Die Fackel des Priesters dahinter wirft Licht auf den Körper des Toten. Die Barock-Diagonale verlangt es, dass ein Teil des Bildes stärker belastet wird. Deshalb passieren die meisten guten Werke im linken Teil. Hier liegt ein Nackter auf dem Boden, und hinter ihm kauert jemand mit bittenden Händen. Es ist nicht ganz klar, wer hier der Kranke und der Arme ist und wem der Besuch gilt. Ganz links in der Mitte trinkt ein Durstender aus dem Kiefer eines Esels. Hier bezieht sich Caravaggio auf die Geschichte von Simson und den Philistern. Ein rotbärtiger Santiago-Pilger mit der Jakobsmuschel am Hut weist mit seinem Zeigefinger den Weg zu einer Herberge. Wallfahrten gehörte übrigens auch zu den guten Tagen. Die Gottesmutter links oben inszeniert und koordiniert das Ganze. Die großen Flügel eines Engels beschützen sie und ihr Kind. Das für Caravaggio eigene Chiaroscuro [Hell-Dunkel] entsteht oben rechts, ausgelöst vom Mann mit der Fackel. Über das Totentuch, ein nacktes Bein, ein Hosenbein erreicht es den Körper des Nackten links unten.

Christa Blenk - 24. April 2020
ID 12184
14 Jahre lebt Michelangelo Merisi da Caravaggio in Rom, bis er 1606 ernsthaft mit dem Gesetz in Konflikt kommt, für vogelfrei erklärt wird und von heute auf morgen - übrigens in einer Kutsche der noblen Colonna-Papstfamilie - nach Neapel fliehen muss. Die Probleme dort lassen aber nicht lange auf sich warten, Caravaggio muss wieder weg und kommt Jahre später über Malta und Sizilien nach Neapel zurück, wo er bis zum Ende seines Lebens auf ein Pardon aus Rom wartet. Vergeblich! Er starb 38jährig in Porto Ercole. Auch über seinen Tod wird viel spekuliert. Die Theorien gehen von Malaria über Sepsis bis hin zu Herzversagen. Das Mythos um seine verwegene Person hat auch viele Legenden hervorgebracht und Kino und Literatur beschäftigt. Derek Jarmans Kultfilm Caravaggio (1986) zeigt einen homosexuellen, groben und rücksichtslosen Individualisten, der skrupellos seine Ziele verfolgt, sich mit Adel und Kirche gleichermaßen einlässt und nicht jugendfreie Szenen malt.

Link zur Cappella del Pio Monte della Misericordia


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