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Werkbetrachtung

Medea von Anselm Feuerbach



Jason macht sich mit den Argonauten auf den Weg ins Barbarenland am Schwarzen Meer, um das sagenumwobene Goldene Vlies zu holen. Die Auflagen des Königs von Kolchis es herauszugeben, sind sehr hoch und die Aufgaben so gut wie unlösbar. Da kommt ihm die schöne Tempelpriesterin und Tochter des Königs Aietes, Medea - die wiederum von den Göttern manipuliert wird – zu Hilfe. Er dankt es ihr, in dem er sie mit nach Hause nimmt und ihr ewige Treue schwört. Auf der Flucht vor den kolchischen Schiffen demonstriert Medea schon ihre kriminelle Energie und tötet auf grausame Weise ihren kleinen Halbbruder. Dies hätte Jason zu denken geben sollen, als er sie ein paar Jahre und zwei gemeinsame Söhne später verstößt, um die Tochter von König Kreon zu heiraten. Medeas Liebe verwandelt sich in rasenden Hass und grausame Rache. Sie vergiftet die neue Braut, tötet ihre eigenen Kinder und flieht nach Athen.

Dieses Theaterstück von Euripides ist im Laufe der Zeit unzählige Male neu interpretiert worden und hat es natürlich auch in die Malerei geschafft!

Anselm Feuerbach (1829-1880) findet bei seiner Ankunft in Rom die Vergegenwärtigung der Antike. An seinem Streben nach Idealisierung und dem Wunsch, die griechischen Götter wieder auferstehen zu lassen, war sicher sein Archäologen-Vater nicht ganz unschuldig. Die perfekte Inkarnation der antiken Schönheit findet er jedoch in der jungen Frau eines Handwerkes aus Trastevere: Anna Risi. Sie wird mit ihren schweren, schwarzen Haaren und dem melancholischen Blick nicht nur sein Lieblingsmodell, sondern auch seine Geliebte. Es entstehen die bekannten Nanna-Bildnisse; und Nanna, wie er sie nennt, wird seine erste Iphigenie. Allerdings verlässt Anna ihn nach ein paar Jahren und folgt einem reichen Engländer nach Sizilien. Feuerbach, der sich permanent in finanziellen Schwierigkeiten befindet und immer wieder lautstark bedauert, dass seine Bilder – wenn überhaupt - unter Wert verkauft werden, überwindet erst durch die Begegnung mit Lucia Brunacci seine Depression über den Verlust von Anna. Mit ihr findet er fast einen fast vollwertigen Ersatz für sie. Dann besucht er in Rom um 1870 eine Medée-Aufführung von Ernest Legouvé, bei der Alles passt. Die Hauptdarstellerin, Adélaide Ristori, kopiert nicht nur antike Posen, sie hat auch dieses volle, dunkle Haar wie Nanna oder Lucia und entspricht komplett seinem griechischen Schönheitsideal. Mit Legouvés‘ Medée kann sie ihre größten Erfolge feiern. Feuerbach hat nun sein neues Thema gefunden: Medea, und Lucia wird sein Modell.

Außerdem kann man davon ausgehen, dass Anselm Feuerbach während seines Paris-Studiums die Rasende Medea von Delacroix gesehen hat.

Vier unterschiedliche Versionen wird Feuerbach in den folgenden Jahren malen. Die erste Fassung von Medea geht 1945 in Berlin verloren. Die zweite, die „Münchner Fassung“, ist vom Aufbau her der ersten ähnlich, aber viel größer. Letztere misst knapp 2 x 4 Meter und hängt in der Neuen Pinakothek. Die Medea mit dem Dolch ist in Mannheim, die Medea an der Urne in Wien.



Medea von Anselm Feuerbach | Bildquelle: Wikipedia


Die "Münchner Fassung" passiert auf drei Bildebenen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Die Haupthandlung malt Feuerbach mit gedämpften, glatten Farben. Sie soll eine emotions- und nuancenlose Normalität erzählen. Medea, in sich gekehrt und weit weg vom Weltgeschehen, ist eine fürsorgliche Übermutter. Feuerbach hat sie sitzend und so übermächtig gemalt, dass sie stehend aus dem Bild ragen würde. Die dunklen, übernatürlichen Kräfte, die die Griechen Medea nachgesagt haben, hat er ihr nicht gegönnt. Ihre Röcke in grau und rotbraun sind kunstvoll um sie herum drapiert. Ruhe und Sicherheit strahlt sie aus mit ihrer unschuldigen weißen Bluse. Wertvolle, auffällige Ohrringe, eine goldene Halskette und ein schmaler Ring weisen auf eine höher gestellte Frau hin. Feuerbach hat ihr sogar die Perlenketten der Ristori ins Haar gemalt. Obwohl Medeas Blick auf das Kleinkind in ihrem Arm gerichtet ist, scheint sie nur in sich hinein zu hören. Vielleicht empfindet sie Abschiedsschmerz und ist gerade dabei, sich zu lösen. Der größere Sohn steht rechts von ihr. Eher teilnahmslos umarmt ihn ihr anderer Arm. Weder Blut noch Dolch sind in diesem Gemälde zu sehen. Feuerbach beschäftigt sich hier mit der verhängnisvollen Stille vor der Tat, die passieren muss, weil die Geschichte es so will. Rechts daneben sitzt Medea nochmals als klagende Pietà, die mit beiden Händen vor dem Gesicht ihre Tat beweint. Mit ihrem braunen Mantel wirkt sie wie eine trauernde Felsverlängerung. Farbe und Faltenwurf der Rockzipfel unter ihrem Mantel gleichen Medeas Gewand als Mutter. Außerdem tragen beide Frauen dieselben Sandalen. Vor den Beiden liegt ein metaphysischer Pferdeschädel im Sand, der nur Unglück verheißen kann. Die mittlere Person, die oft auch als klagende Dienerin bezeichnet wird, bildet die Grenze zur aktiven Handlung, die rechts passiert. Hier lassen sieben Seemänner ein Boot ins Wasser. Ist es das Fluchtschiff, mit dem Medea nach dem Kindsmord nach Athen fliehen wird, oder blickt sie in die Vergangenheit und sieht die Argo, mit der sie und Jason Jahre vorher aus Kolchis geflohen sind ? Die Oberkörper der meisten Ruderknechte sind nackt. Ihre angespannten Muskeln zeugen von physischer Anstrengung. Die Hektik der Männer springt nicht auf sie über. Medea scheint alle Zeit der Welt zu haben, dabei sind die Verfolger sicher schon sehr nahe. Die peitschende blau-grünliche Brandung links verläuft sich am Horizont zu seinem ruhigen Tiefblau unter dem bewölkten Himmel. Diese Szene und das Rot der Kappen der Männer, das sich am Boot und in Medeas Umhang wiederholt, sind die verbindenden Elemente in dem Bild.

Feuerbachs Medea ist weder eine rachsüchtige, kaltblütige Mörderin noch eine leidenschaftliche Kämpferin. Aber Leidenschaft hatte im Neoklassizismus auch keinen Platz. Delacroix ging da mit seiner „rasenden Medea“ viel weiter.

Anselm Feuerbach hat sich absichtlich nicht um die Perspektive gekümmert und unterschiedliche Theaterszenen gemalt. Links den Moment vor der Tat, in der Mitte das Bedauern der Tat und rechts die Vorbereitung der Flucht nach der Tat.

Christa Blenk - 30. Juli 2020
ID 12375
1879, also neun Jahre nach Fertigstellung, hat der megalomane, bayerische König Ludwig II. das Bild der monumentalen Medea erworben. Der König lebte zu diesem Zeitpunkt schon zurückgezogen und frönte seiner immer mehr Schulden verursachenden Bausucht.

Anselm Feuerbach stirbt ein Jahr später alleine in einem Gasthaus in Venedig mit nur 50 Jahren. Eine wirkliche Anerkennung erfährt seine Malerei erst nach seinem Tode. Geheiratet hat er nie, denn seine große Liebe soll seine nur um ein paar Jahre ältere Stiefmutter gewesen sein.

Rätsel gibt das Gemälde immer noch auf.


Wikipedia-Link zu Medea von Anselm Feuerbach


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