Moshe Gershuni, Chipperfields 144 Fichtenstämme und 20 Werke für das 20. Jahrhundert
3 Ausstellungstipps - bevor die Neue Nationalgalerie zu Silvester 2014 vorübergehend schließt
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Neue Nationalgalerie, Ansicht Potsdamer Straße, 1968 © Archiv Neue Nationalgalerie, Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Reinhard Friedrich
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Die Werke des derzeit wohl bedeutendsten israelischen Künstlers Moshe Gershuni (geb. 1936) wären kompromisslos, und seine seit 40 Jahren bestehende Produktion an Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen ließe "viel Raum für Assoziationen. Gleichzeitig sinnlich und konzeptuell, emotional und kritisch, authentisch und gut inszeniert, überwinden Gershunis Arbeiten Gegensätze und verschmelzen historisches Gedenken mit der kathartischen Direktheit des malerischen Handelns." (Quelle: moshegershuniinberlin.de)
Die Gemälde scheinen von einer exzessiv-symbolischen Bedeutung, um nicht gar zu sagen: Überfrachtung. Davidsterne, Hakenkreuze, einzeln und/oder "zusammen" - alles sodann mit hebräischen Zitaten oder Schriftzügen und (seltener) mit Penissen und penisartigen Gebilden malerisch versetzt oder/und aufgemischt. Es sieht zumeist abstrakt aus; und er malt angeblich ausschließlich am Boden also mit den Flächen, denen er mehr oder weniger farblichen Drive verleiht, stets "unter sich".
Die Ausstellung heißt No Father No Mother, und es wäre das allererste Mal gewesen, dass ein Israeli in der Neuen Nationalgalerie in diesem so beträchtlich-ausgesuchten Einzelumfang präsentiert würde... Der Titel sei "eine doppelte Verleugnung", stammte aus einem gleichnamigen Gemälde aus dem Jahre 1998 und stellte "ein Geständnis dar, eine negative Reflektion über Entwurzelung und Diskontinuität."
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Moshe Gershuni | Jerusalemer Nächte, 1985 | © Moshe Gershuni, courtesy Givon Art Gallery Tel Aviv
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144 Fichtenstämme aus einem mecklemburgischen und ökologisch nachhaltig beforsteten Privatwald hatte sich der englische Stararchitekt David Chipperfield (geb. 1953) ankarren lassen, um sie - ehe er dann ab dem 1. Januar 2015 mit der mehrjährigen Vollsanierung des Museumsbaus, die unter seiner Leitung stattfindet, beginnen wird - im rundumglasten Erdgeschoss der Riesengalerie als Sticks and Stones zu installieren... Hiermit würde er "den Blick auf die spektakuläre Konstruktion des Museumsbaus, der 1965–1968 nach Plänen von Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969) errichtet wurde", lenken. Acht unmerkliche Stahlstützen tragen ja jenes imposante Dach, das fast "wie freischwebend wirkt, weil die Stützen weit von den Dachecken eingerückt sind". (Quelle: davidchipperfieldinberlin.de)
Man fühlt sich wie inmitten eines Waldes, der ganz ordentlich, quasi nach deutscher Forstmanier, in fast schon mathematischer Struktur "gestellt", aussieht. Fehlt nur noch, dass es dort nach Harz und Rinde röche - aber weit gefehlt; die Stämme wurden allesamt vorher entrindet, und sie sehen daher auch "verletzt" aus, wirken nackt und völlig ungeschützt. Deutsche Romantik auf dem Reißbrett.
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David Chipperfield | Sticks and Stones, eine Intervention. Installationsansicht. Foto: David von Becker
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Berlin braucht dringend eine größere Präsentationsfläche für Neue Kunst - die Neue Nationalgalerie, die eigentlich hierfür gedacht war, ist inzwischen viel zu klein geworden; nicht mal ihre eigenen Bestände sind in ihrer Mehrzahl (ganz zu schweigen von der Gänze!) zeigbar; die vorhandenen Ausstellungsräume reichen einfach nicht. Ein Anbau steht zur Diskussion; wann dieser jemals kommen kann und wer ihn also dann entwirft und später in die Tat umsetzt - das Alles steht noch in den Sternen...
Darauf macht auch jetzt die Ausstellung 20 Werke für das 20. Jahrhundert aufmerksam. Die Exponate stammen aus der Sammlung Pietsch und sind der Neuen Nationalgalerie als Geschenk in Aussicht gestellt - vorausgesetzt, dass sie dann (also möglichst alle Exponate der gesamten Sammlung!) permanent gezeigt würden.
"Seit 1964 entstand die außergewöhnliche Kollektion, die sich durch zwei miteinander verbundene Schwerpunkte auszeichnet: den europäischen Surrealismus und dessen Rezeption in den USA durch die Abstrakten Expressionisten. Maler wie Jackson Pollock und Mark Rothko griffen die Anregungen emigrierter Künstler wie André Masson und Max Ernst auf und entwickelten sie weiter. Ein herausragendes Beispiel für diesen kunstgeschichtlich bedeutenden Zusammenhang ist das Gemälde Junger Mann, beunruhigt durch den Flug einer nicht-euklidischen Fliege (1942-47), in dem Max Ernst Lackfarbe auf die Leinwand tropfen ließ. Er nahm damit die Methode des Dripping vorweg, durch die Jackson Pollock später berühmt werden sollte." (Quelle: smb.museum)
Werke von Dalí, Magritte, Picasso, Giacometti, Miró etc. pp. sind zu besichtigen - auch Dorothea Tannings Voltage (Spannung) zählt hierzu:
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Dorothea Tanning | Voltage (Spannung), 1942. Öl auf Leinwand, 29 x 30,9 cm. Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch. © VG Bild-Kunst, Bonn 2014 / Foto: Jochen Littkemann, Berlin
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Letzte Gelegenheiten also, das Gebäude vor seiner Sanierung (Ende völlig ungewiss) nochmal von innen ausgiebig in Augenschein zu nehmen.
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Gisela Herwig - 13. November 2014 ID 8244
Moshe Gershuni | No Father No Mother (13.09.-31.12.2014)
http://www.moshegershuniinberlin.de
David Chipperfield | Sticks and Stones, eine Intervention (02.10.-31.12.2014)
http://www.davidchipperfieldinberlin.de
20 Werke für das 20. Jahrhundert. Sammlung Pietzsch (21.10.-31.12.2014)
ttp://www.smb.museum
Neue Nationalgalerie
Potsdamer Straße 50
10785 Berlin
Öffnungszeiten:
Di, Mi, Fr |10 - 18 h
Do | 10 - 20 h
Sa, So | 11 - 18 h
Weitere Infos siehe auch: http://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/neue-nationalgalerie/
Post an Gisela Herwig
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