Crossover/s
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Bewertung:
Der scheinbar grenzenlose tiefschwarze Raum des Hangar ist für diese Retrospektive Miroslaw Balkas (Warschau, 1958) der ideale Rahmen, um all die Werke zu vereinen und in eine neue Beziehung zueinander zu setzen.
Es sind 18 Werke, Installationen, Videos, Skulpturen. Der Künstler, der sooft Zahlen als Titel verwendet, nimmt dazu Stellung. Die Anzahl war nicht absichtlich gewählt, es war ein Zufall; aber ein Zufall ist das, was einem zu-fällt und dadurch sinn-voll wird. Balka interpretiert diese zufällige Anzahl, 18, als bedeutungsvolle Zahl: 1 als Einheit/Individuum, 8 als Zahl, die mit der Unendlichkeit in Verbindung steht.
Das Individuum mit seiner individuellen Erinnerung als Moment im Zeitenfluss, die Unmöglichkeit, die Substanz der Gegenwart zu erfassen. Für Balka gilt, dass „alles was wir ergreifen, kommt aus der Vergangenheit, es ist unsere Annäherung an den Tod.“
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BlueGasEyes, 2004 | Courtesy of the artist and Gladstone Gallery, New York and Brussels
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Als biographische Aufarbeitung der Vergangenheit stehen Werke wie BlueGasEyes und 250x700x455,°41x41/Zoo/T direkt mit der polnischen Geschichte während des Zweiten Weltkriegs, mit dem Drama des Holocausts, mit dem Konzentrationslager Treblinka in Verbindung. Dieser von der eigenen Lebenssituation ausgehende Blickwinkel weitet sich, Europa erfassend. Holding the Horizon, das extra für diese Ausstellung konzipierte Video, ist extrem einfach, ein gelber Streifen. Es befindet sich gleich am Eingang, d.h. über dem Eingang - und deshalb sieht man dieses Werk paradoxerweise erst am Ende, wenn man die Ausstellung verlässt. Holding the Horizon: Balka suggeriert die mythische Gestalt des Atlas, der Europa auf seinen Schultern trägt – der Horizont als Verantwortung in einem Europa der Gegensätze.
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7x7x1010, 2010, Collection Centre of Contemporary Art, Ujazdowski Castle, Warsaw | Courtesy of the artist and Pirelli HangarBicocca, Milan, Foto: Attilio Maranzano
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Doch wohin der Künstler im Endeffekt strebt, ist eine Aufarbeitung der allgemeinen menschlichen Situation. Der Mensch als vergängliche Präsenz im unendlichen Zeitenraum. Der Mensch, der nur im Moment bewusst präsent sein kann, der daher diesen Moment nicht nur visuell, nicht nur intellektuell, aber mit allen Sinnen erleben soll. Balka fordert den Besucher heraus, veranlasst ihn, sich seiner physischen Präsenz bewusst zu werden. Eine plötzliche Wärmewelle hüllt den Besucher ein noch während er die Öffnung im schwarzen Samtvorhang sucht, um in die Ausstellung zu gelangen. In Cruzamento ist es der unerwartete Luftschwall, der den Besucher an seine Körperlichkeit erinnert; in Soap Corridor der penetrante Geruch des Seifenkorridors.
Einfache Sinneseindrücke, einfache Materialien, einfache Dinge. Unbedeutende Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs. Seifen verwendet der Künstler auch für 7x7x1010. Eine lange, lange Säule aus angebrauchten Seifen, die sich in der dunklen Höhe des Hangar verliert. Wie viel Vergangenheit in ihnen steckt, wie viele Hände und Körper diese Seifen berührt haben, wie viel Leben in diesen Händen und Körpern war. Leben, das vergangen ist, das nur diese unbedeutende Spur hinterlassen hat.
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Common Ground, 2013/16 | Courtesy of the artist; Juana de Aizpuru Gallery and Pirelli HangarBicocca, Milan, Foto: Attilio Maranzano
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Die Gegenstände, die Balka verwendet, sind wirklich verbrauchte Gebrauchsgegenstände. In Common Ground bilden die vielen aneinander gereihten Abstreifer einen riesigen Teppich. Der Künstler hat sie eigenhändig eingesammelt, hat den Leuten in einem Warschauer Viertel einen neuen Abstreifer gegen ihren alten, abgetretenen, angeboten. Ein Abstreifer liegt vor der Schwelle, dort, wo der öffentliche Raum zum privaten Bereich wird. Die Schwelle überschreiten, eine nahezu unsichtbare Spur hinterlassend. Tagein tagaus, immer wieder und immer wieder Schritt für Schritt, eine Spur, die sich einprägt.
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Sylvia Schiechtl - 16. März 2017 ID 9911
Weitere Infos siehe auch: http://www.hangarbicocca.org
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