2. Mai bis 16. Juni 2013 - Villa Medici, Rom
SOULAGES XXI SECOLO
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Foto (C) Christa Blenk
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Raum und Licht – Schwarz ist nicht gleich Schwarz
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Mit 92 Jahren hat nun der größte noch lebende zeitgenössische französische Maler Pierre Soulages seine erste Ausstellung in Rom. Einen passenderen und eindrucksvolleren Ort als die französische Akademie – die Villa Medici – hätte man dafür nicht finden können. Der Palazzo aus dem 16. Jahrhundert direkt über der Spanischen Treppe mit Blick auf alles was in Rom sehenswert ist, beherbergt die schwarz(-weißen) expressionistischen Minimal-Werke von Pierre Soulages.
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Foto (C) Christa Blenk - mit freundlicher Genehmigung der Villa Medici
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Im Jahre 2000 hat Soulages, nach einer längeren Schaffenspause, wieder zu malen angefangen. Diese Werke sind nun nach Rom gekommen. Die meisten davon stammen aus Privatsammlungen und sind riesig groß.
Die Ausstellung ist die größte nach seiner Mammut-Show 2009 im Centre Pompidou in Paris. Organisiert wurde sie durch die Villa Medici und das Musée des Beaux-Arts de Lyon. Seit 1940 zählt Soulages zu den wichtigsten französischen Malern. Er ist ein Star, der es immer wieder schafft, seine Fans zu überraschen und zu verblüffen. Schwarz ist nicht gleich Schwarz! Soulages Bilder - die meisten Exponate sind über 2 qm groß - sind voller Licht; man muss es nur sehen. Gleich wenn man reinkommt, hängen auf der rechten Seite drei schwarze Streifenkompositionen (matt und glänzend und auf den ersten Blick tot) von 2012. Der Teppich davor ist auch schwarz, nur die Wand links von uns ist komplett weiß. Wir lassen unsere Augen hin und her schweifen, und die rechten Bilden füllen sich mit Licht, welches indirekt von der weißen Wand kommt, und fangen an zu leben – mit jedem Schritt verändern sie sich. Eine geniale Komposition. Er hat die Hängung der Bilder selber veranlasst und sich viele Gedanken gemacht. Es hat sich gelohnt! Dann gehen wir weiter in einen größeren Raum und blicken nach links auf den „Pferdeaufgang“ (eine große flache Treppe auf der vor 400 Jahren die Pferde hochgelaufen sind). Hier hängen vier Riesenwerke in der Mitte und versperren fast den Durchgang, man geht sozusagen um sie herum, sie hängen von der Decke herab, sind aber auch unten verankert. Man ist hin und her gerissen zwischen seinen minimalen und flachen Werken bis zu den dick aufgetragenen fast expressionistischen. Horizontale und vertikale Linien, die versuchen, das Chaos in Ordnung zu verwandeln. Sie erzählen Geschichten voller Poesie. Licht und Raum verwischen sich miteinander. Die Luft ist voller Schwarz und Weiß, eine ganz besondere Aura. Auf die Frage an eine Dame vom Wachpersonal, die seit Wochen den ganzen Tag diese Bilder vor Augen hat, wie sie sich abends fühlen würde, sagte sie nur „pesante“ (schwer verdaulich). Dabei lachte sie aber und hat uns ihr Lieblingsbild gezeigt.
Soulages hat die Farbe schwarz – nachdem sie von den französischen Impressionisten vor über 100 Jahren verboten wurde – wieder salonfähig gemacht, und seine ersten schwarzen Bilder sind noch vor Rothko oder Morris entstanden, mit Ersterem war er auch befreundet. Entwickelt haben sich die beiden aber in eine entgegengesetzte Richtung. Dass Schwarz so viele Nuancen haben kann, hat Soulages uns gelehrt.
Zusammen mit Sylvie Ramond, der Direktorin des Lyonner Museums und Eric de Chassey, und dem Direktor der Akademie hat er die Bilder für diese Ausstellung ausgewählt und aufgehängt. Kraft hat er mit seinen 92 Jahren immer noch! Ausruhen auf seinen Lorbeeren will er sich nicht! Immer noch untersucht und erforscht er neue Gebiete und Räume. Jedes neue Werk ist ein neuer Anfang. Er war schon ein Klassiker, ein Modernist, als er am Anfang seiner Künstlerlaufbahn stand - gleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit 60 Jahren malt er konsequent die gleichen Bilder, und doch ist jedes der Bilder anders. Als letztes Bild hängt in einem kleinen Raum neben der Treppe ein kalligrafisches Werk von 1948: Teer auf Glas. Es ist intimer als die großen Kompositionen der letzten Jahre. Seine Kunst lebt durch den Betrachter. Man muss die Werke lange auf sich wirken lassen und immer das Licht suchen. Eigentlich ist er ein moderner Manierist. Zeit braucht man für die Ausstellung.
Geboren ist Pierre Soulages 1919 in Rodez, im Midi, zwischen Mittelmeer und Atlantik, als Sohn eines Kutschenbauers. Und den Schiefer, der bei Regen schwarz wird, hat er eventuell immer noch vor Augen. Vielleicht denkt er aber auch an das Meer, an die horizontalen Linien die entstehen, wenn sich die Wellen auf uns zu bewegen.
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Foto (C) Christa Blenk
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Schon als Kind zog er das Tintenfass den bunten Farbstiften vor. Eines Tages hat ihn jemand gefragt, was er denn malen würde. „Schnee“, sagte er zum Vergnügen aller Anwesenden, „Schnee mit etwas Schwarz.“ Für ihn ist Schwarz eine sehr aktive Farbe. „Wenn man ein Gemälde sieht, sieht man das Licht, das vom Schwarz kommt“ („La lumière qui vient du noir“), erklärte er am Vorabend der Eröffnung.
Während des Krieges konnte er sich mit falschen Papieren einer Zwangsrekrutierung entziehen und blieb in Montpellier. 1946 zog es ihn dann nach Paris, und er wurde mit seinen kalligraphischen Formen schnell zum europäischen Gegengewicht der amerikanischen abstrakten Expressionisten wie Franz Kline und Jackson Pollock. In den 50er Jahren arbeitete er als Bühnenbildner für das Théâtre de l’Athénée in Paris. Soulages war Teilnehmer der dokumenta 1 (1955), viele sollten folgen. Jetzt wohnt er mit seiner Frau zwischen Paris und Sète.
Man braucht eigentlich keinen Grund, um nach Rom zu reisen. Aber diese Ausstellung ist einer! Sie geht noch bis 16. Juni 2013.
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Christa Blenk - 2. Mai 2013 ID 6727
Weitere Infos siehe auch: http://www.villamedici.it
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