Noch bis zum 21. Juli 2013 - Fondazione Roma Museo
LOUISE NEVELSON
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In Zusammenarbeit mit der Nevelson Foundation Philadelphia und der Fondazione Marconi di Milano hat das Museo Fondazione Roma, der Palazzo Sciarra, eine umfangreiche und einzigartige Ausstellung dieser amerikanisch-russischen Künstlerin organisiert.
Louise Berliawsky, 1899 als Tochter orthodox-jüdisch-russischer Eltern in der Nähe von Kiew geboren, kommt im Alter von 6 Jahren mit ihren Eltern nach Amerika (Maine), absolvierte 1918 die Rockland High School und besuchte eine Kunstschule für Malerei und Bildhauerei in Augusta. Ein wenig Gesang und Schauspielerei hat sie auch studiert. Die unkonventionelle, egozentrische, freie und schöne Louise heiratet mit 21 Charles Nevelson und geht mit ihm nach New York. Vor der Hochzeit warnte sie ihn allerdings schon, dass sie vor allem „ihr“ Leben führen müsse. 1931 – nach 10 Jahren Ehe - trennte sie sich von ihm und ging nach München, um bei Hans Hofmann zu lernen, ein paar Monate später nach Wien und dann weiter nach Berlin, wo sie in einem Film mitwirkte, später kam sie nach Italien und lernte u.a. die Werke von Giotto kennen. Die Frau von Hans Hofmann nahm sie zum ersten Mal nach Paris mit, dort lernte sie Picasso und das Musée de l’Homme kennen und entdeckte so die afrikanische Kunst, beide sollten später in ihren Werken eine wichtige Rolle spielen wie auch Marcel Duchamp, Kurt Schwitters (Merzbau aus 1933) etc.
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Ausschnitt aus einem afrikanischen Totem - Foto (C) Christa Blenk
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1932 ging Hofmann in die USA und sie zurück nach New York, wo sie Diego Rivera kennen lernte. Mit ihm und Frida Kahlo besuchte sie Mexiko und wurde auf die prekolumbianische Kunst aufmerksam. 1943 wurde sie ausgewählt bei der Ausstellung „Exhibition by 31 Women“ in der Peggy Guggenheim Galerie in Manhatten – zusammen mit Frida Kahlo, Meret Oppenheim und Dorothea Tanning - mitzumachen. Damit war der Anfang einer großen Karriere gemacht; bis zu ihrem Durchbruch in New York musste sie allerdings fast 60 Jahre alt werden. Aus dieser Zeit kennen wir sie auch – mit ihren dicken falschen schwarzen Wimpern, den imposanten bunten Folklore-Tuniken und großen Ketten, fast immer mit Turban und Zigarillo rauchend. In den 50er Jahren steht sie in Verbindung mit den US-Künstlern Rauschenberg und Jasper Johns und den Monochromatisten wie Barnett Newman und Yves Klein.
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Nevelson war eine der extravagantesten und emblematischsten Künstlerinnen, die nach dem Zweiten Weltkrieg gewirkt hat. Über 75 von ihren Assamblagen– meist aus Privatsammlungen – kamen nach Rom.
Wir flanieren zwischen organisch-floralen oder methaphysischen Dada-Kubismus-Collagen, einer großen monochromen schwarzen „Room- Installation“ (blau ausgeleuchtet – ganz in ihrem Sinne), skulpturalen Wandarbeiten, die an die Wolkenkratzer von New York erinnern, aber nur von vorne betrachtet werden sollen – Nevelson will nicht, dass man um sie herum geht - , poetisch-minimalen Aktzeichnungen à la Picasso oder Rodin aus den 30er Jahren und ein paar kleineren Skulpturen und Gegenständen aus Ton.
Nevelson – zwischen ready made („we are born ready made“) und arte povera – beeinflusst und geleitet von afrikanischen und prekolombianischen Kulturen - gibt den „gefundenen“ und „nach Hause geschaffenen“ Gegenständen („man findet die wunderbarsten Sachen auf der Straße“) eine andere Bedeutung. Es ist „recycling art“, was sie betreibt. Bettpfosten, Türklinken, Stuhlbeine, Kisten, Holztüren, Bretter, Schubladen finden in ihren Assamblagen Verwendung. Auch die Gegenstände ihrer Wohnung, die Eingangstür, die vergitterten Fenster, das vollgestellte Bücherregal und die Feuertreppe sowie der Klappstuhl vor dem Kaffee auf der Straße landen irgendwann in ihren Kreationen. „Maybe my eye has a great memory of many centuries“, sagt sie über sich selber. Ihre Philosophie ist „Energie entsteht durch Energie“. Sie macht sich physikalische Gesetze zueigen: Materie wird weder geschaffen noch zerstört, sondern nur verändert! Entstehen daraus tun dann große vollgepackte und mit Stühlen verzierte Türen oder Schränke, afrikanische Totems, Fahnen, Tafeln oder Bäume.
Bis Ende der 50er Jahre waren ihre relief- und stelenartigen Werke aus dem Sperrmüll ausschließlich schwarz, später ging sie dann zur Farbe weiß über und dann zu gold, diese letzteren sehen oft wie riesige Uhrwerke aus. Man denkt an „Setzkästen“, die peu à peu mit kleinen Figuren oder Gegenständen gefüllt werden. Für das Holz hat sie sich am Anfang - vor allem aus finanziellen Gründen - entschieden. Bronze war zu teuer. Vielleicht hat aber auch der Beruf ihres Vaters – er war Holzhändler – eine impronta hinterlassen. Vermischt hat sie „ihre“ drei Farben nur selten. Im Palazzo Sciarra sind fünf – große und „bunte“ (d. h. schwarz, weiß, gold und Holz natur) – Installationen-Collagen aus den 70er Jahren zu sehen. „Ich bin nicht verliebt in das Holz, sonst würde ich es ja nicht schwarz anmalen“, sagt sie in dem Film, der am Ende zu sehen ist. „Eigentlich habe ich immer nur Zeichnungen gemacht“, behauptet sie weiter. Ihre Werke sind eine Mischung zwischen Emotion und harmonie-suchendem Kalkül, Raumkonzept und Farbe bzw. Nicht-Farbe. Sie weiß vor der Fertigstellung nicht, was dabei herauskommt.
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Museo Fondazione Roma am Corso - Foto (C) JNP
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PS: Wenn man aus der Ausstellung raus geht, sieht man plötzlich überall Louise Nevelson Konstruktionen, und man würde am liebsten anfangen, den Holzmüll von der Straße aufzusammeln. Sollten Sie sich also entschlossen haben wegen der Soulages-Ausstellung nach Rom zu fahren, gehen Sie auch in die Nevelson-Show am Corso!
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Christa Blenk - 11. Mai 2013 ID 6748
Außer einer Ausstellung im Centre Pompidou 1986 gab es in den letzten Jahren in Europa keine gleichwertige.
Nevelson war bei der documenta III (1964) und IV (1968) in Kassel dabei und 1962 und 1976 auf der Biennale di Venezia. 1988 ist sie in New York im Alter von fast 90 gestorben.
Die Ausstellung geht noch bis zum 21. Juli. Begleitet wird sie von diversen Konferenzen und „round table“-Veranstaltungen, u.a. durch den Kurator Bruno Corà, über das Leben von Louise Nevelson und ihren Einfluss auf sie und von ihr auf die Kunst des XX. Jahrhunderts. Ein Besuch lohnt auf jeden Fall!
Weitere Infos siehe auch: http://www.fondazioneromamuseo.it/it/index.html
http://www.louisenevelsonroma.it
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