Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 4

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Kulturspaziergang

MuSeenLandschaft

Expressionismus

Exkursion zu einer Ausstellungsreihe in Oberbayern (2)


Abbildung: Erich Heckel, Der schlafende Pechstein (Detail), 1910, Buchheim Museum, Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen | © VG Bild-Kunst, Bonn 2021; Bildquelle: museenlandschaft-expressionismus.de



Recht idyllisch im Grünen am oberbayrischen Staffelsee liegt Murnau, bekannt unter den Kunstinteressierten vor allem für das Gabriele Münter Haus, das seit 1999 wieder für die Öffentlichkeit als Museum zugänglich ist. Die Künstlerin und Mitbegründerin der Künstlergruppe Blauer Reiter lebte hier mit Unterbrechungen von 1909 bis zu ihrem Tod 1962. Ihre und die Werke anderer Malerfreunde befinden sich im SCHLOSSMUSEUM MURNAU, das sich mit der kleinen Sonderausstellung Punkt, Linie, Fläche. Die Kinderzeichnung und der Expressionismus an der Gemeinschaftsschau AVANTGARDE IN FARBE beteiligt. Gabriele Münter hatte eine große Sammlung mit Kinderzeichnungen angelegt, aus deren Beständen einiges im ersten Raum zu sehen ist.



Schlossmuseum Murnau | Foto (C) Stefan Bock


Vor allem Künstler wie Wassily Kandinsky und Paul Klee haben sich von diesen Kinderzeichnungen inspirieren lassen. Aber auch die niederländische Künstlergruppe Cobra oder die Münchner Gruppe SPUR bedienten sich in ihren zumeist abstrakt-expressionistischen Bildern naiver Ausdrucksmittel. Werke ihrer Vertreter wie die der Maler Constant, Asgar Jorn, Heimrad Prem, Helmut Sturm, HP Zimmer aber auch von den Künstlern A.R. Penck und Arnulf Rainer stehen hier zum Vergleich neben denen des Blauen Reiter. Eine Ausstellung nicht nur für Erwachsene, bietet der letzte Raum doch auch den lieben kleinen die Möglichkeit sich auszuprobieren. Neben dem Malspiel Sturm der Gruppe SPUR gefallen hier vor allem die Skulpturen von Heimrad Prem und Lothar Fischer.

*

Weniger kindlich geht es im kleinsten Museum der Expressionismus-Tour durch Oberbayern zu. Das MUSEUM PRENZBERG beherbergt vor allem das Werk des rheinischen Expressionisten Heinrich Campendonk, der hier eine Zeitlang wirkte, und hat seit 2016 einen modernen Zwillingsanbau. Aber auch Stadtgeschichtliches wie der Bergbau und die Penzberger Mordnacht, bei der kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges im April 1945 16 den Nazis unliebsame Bürger Penzbergs einem Verbrechen der SS-Gruppe Werwolf Oberbayern zum Opfer fielen, wird hier thematisch behandelt.

Ringsum Schönheit. Campendonk, die Expressionisten und das Kunstgewerbe ist der Titel der Penzberger Sonderausstellung im historischen Gebäudeteil des Museums, die sich mit dem kunstgewerblichen aber nicht minder hochwertigen Schaffen der KüntlerInnen im Umkreis des Blauen Reiter, zu dem auch Heinrich Campendonk zählt, beschäftigt. Campendonks absolvierte von 1905 bis 1909 eine Ausbildung bei Johan Thorn Prikker an der Kunstgewerbeschule Krefeld. Den fortschrittlich ausgerichteten Kunstgewerbeschulen ging es bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts um eine Zusammenführung von Kunst und Handwerk, wie man es später auch vom Bauhaus kennt.



Museum Prenzberg | Foto (C) Stefan Bock


Töpfern, Schnitzen, Sticken sowie Raum- und Möbelgestaltung wurden als gleichrangige Kunstformen gesehen. Heinrich Campendonk und August Mackes planten bereits 1912 eine kunstgewerbliche Akademie in Köln. Die Ausstellung spürt dem Kunsthandwerk als avantgardistische Kunstströmung nach. Aus dem rheinischen Raum sind hier der Architekt und Designer Richard Riemerschmid mit Möbelentwürfen oder die Künstlerin Fifi Kreutzer mit Wandbehängen, Webereien, Keramiken sowie Entwürfe für Buchvorsätze und Stickereien zu entdecken. Aus dem Umkreis des Blauen Reiter zeigt die Ausstellung an die bayrische Volkskunst angelehnte mit traditionellen Techniken angefertigte Arbeiten von Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, August und Helmuth Macke sowie auch Entwürfe und Webarbeiten von Maria Franck-Marc, zweite Frau von Franz Marc. Im Zentrum steht aber Campendonk, der mit kunsthandwerklichen Techniken wie seinen frühen Stickerei-Entwürfen, Hinterglasbildern und Holzschnitten eine Auflösung der Gattungsgrenzen verfolgte. Wer etwas mehr Zeit mitbringt, kann noch Campendonks faszinierende Hinterglasmalereien in der Dauerausstellung im Museumsanbau bewundern.

*

Heinrich Campendonk im Selbstbildnis trifft man wieder im FRANZ MARC MUSEUM in Kochel am See, wo der Schwerpunkt auf der Portraitmalerei liegt. Ich bin mein Stil. Künstlerbildnisse im Kreis von Brücke und Blauem Reiter ist der Titel der über zwei Geschosse reichenden Ausstellung, die die MalerInnen der beiden Künstlergruppen in Porträts, auf denen sie sich selbst oder gegenseitig malten, vorstellt. Im Erdgeschoss des 2008 errichteten Erweiterungsbaus neben dem ursprünglichen Haus der Franz Marc Stiftung, das heute als Restaurant dient, sieht man die Maler Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Emil Nolde in Denkerpose mit Pfeife oder Zigarre, ein damals übliches Symbol für die Darstellung geistiger Kontemplation. Die Künstler in der Pose des nach Inspiration Suchenden. Ernst Ludwig Kirchner ist in selbstgeschossenen Fotografien als selbstbewusster junger Künstler zu sehen.

Auch im ersten Obergeschoss begegnet man Malerfürsten wie Max Beckmann und Lovis Corinth, dessen damaliges Domizil am Walchensee ganz in der Nähe oberhalb Kochels liegt, in verschieden Posen. So sieht man Beckmann auf einer Fotografie im Atelier vor den eigenen Werken, oder im Doppelportrait mit seiner ersten Gattin Minna Beckmann-Tube. Corinth gefällt sich als geharnischter Ritter, radiert sich aber auch als älterer Mann mit dem Tod im Hintergrund. Die Apokalypse des Ersten Weltkriegs bricht mit Ludwig Meitners Selbstbildnis als Selbstmörder mit Kopfverband ein. Auch Beckmann malte sich als Sanitätssoldat. Als großer Irrer stellt sich Walter Gramatté dar. Während Else Lasker Schüler sich als ihre eigene Romanfigur Prinz Jussuf von Theben aquarelliert.



Franz Marc Museum in Kochel | Foto (C) Stefan Bock


Um Rollenspiele geht es auch im großen Raum, wo August Macke als Clown zu sehen ist. Die KünstlerInnen des Blauen Reiters leuchten in ihren Portraits wieder in allen Farben. So etwa Alexej von Jawlenskys in einem Selbstbildnis von 1912. Der künstlerische und persönliche Austausch der Paare Alexej von Jawlenskys/Marianne von Werefkin und Wassily Kandinsky/Gabriele Münter ist in mehreren Portraits nachvollziehbar. Auch Paul Klee wurde von Münter als Gast ihrer Münchner Wohnung portraitiert, während der Schweizer Maler mit dem markanten Spitzbart sich in sich selbst versunken oder als Seiltänzer sah. Den Hauskünstler Franz Marc kann man hier nicht nur im Portrait, sondern im 2. Obergeschoss auch mit seinen beliebten Tierbildner bewundern. Zum 100. Geburtstag Joseph Beyus‘ zeigt das Museum noch eine Begegnung mit dem Expressionisten in Bildern und Fotos.


Stefan Bock - 11. September 2021
ID 13137
Das MUSEUM PRENZBERG und das FRANZ MARC MUSEUM in Kochel am See erreicht man mit der Werdenfelsbahn vom Münchner Hauptbahnhof nach Kochel am See über München-Pasing, Tutzing, Bernried, Penzberg. Das SCHLOSSMUSEUM MURNAU mit dem gleichen Zug Richtung Weilheim und Garmisch-Partenkirchen. Die Zugteile werden in Tutzing getrennt. Es gibt Ticketangebote der Deutschen Bahn wie das Werdenfelsticket oder das Bayernticket.

Mit dem Auto sind die Museen über die A95 Richtung Garmisch-Partenkirchen mit den Ausfahrten Penzberg/Iffeldorf, Murnau am Staffelsee/Kochel am See zu erreichen.


Weitere Infos siehe auch: https://www.museenlandschaft-expressionismus.de/avantgarde-in-farbe/


Post an Stefan Bock

Ausstellungen

AVANTGARDE IN FARBE (1)

Kulturspaziergänge



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:




KUNST Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

AUSSTELLUNGEN

BIENNALEN | KUNSTMESSEN

INTERVIEWS

KULTURSPAZIERGANG

MUSEEN IM CHECK

PORTRÄTS

WERKBETRACHTUNGEN
von Christa Blenk



Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)