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MUSIKFEST BERLIN 2009

Schostakowitsch's "Geheimgeschichte Russlands" (Rostropowitsch)



Dmitri Schostakowtsch (1906-1975) stand im Zentrum des diesjährigen musikfest berlin 09 | Bildquelle: Wikipedia


Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) geht uns immer näher, umso ferner seine Lebensdaten uns entrücken. Seine fünfzehn Sinfonien, beispielsweise, war Mstislaw Rostropowitsch - auch, wie Schostakowitsch, so ein "gutes Gewissen" der alten Sowjetunion - überzeugt gewesen, als so eine Art Geheimgeschichte Russlands zu bezeichnen; und so wurden/werden diese fünfzehn Sinfonien gar nicht unoft völlig missgedeutet oder missverstanden, weil ihr Schöpfer auch, und nicht nur der, so völlig missdeutende missverständliche Autorialaussagen, oftmals zwanghaft bis zur Selbstaufgabe, ihnen beigegeben hatte; erst viel später, durch die autobiografische Beweissuche, wurde das Meiste sozusagen wieder ausgeräumt, richtig gestellt. Wir wissen es, dass Schostakowitsch Zeit des Lebens ungeheuren Anfechtungen, Anfeindungen ausgesetzt gewesen war. Und seine (Lebens-)Kraft erschöpfte sich, nicht nebenher, in den Verteidigungen oder Schutzobliegenheiten seiner resp. für sich selbst. Depressionen, Suizidgedanken waren einige der Folgen; und er sagte einmal: "Das Warten auf die Exekution ist eines der Themen, die mich mein Leben lang gemartert haben, viele Seiten meiner Musik sprechen davon." Nichts desto Trotz wurde er freilich auch als "Vorzeige" des KPdSU-Systems, sowohl bei Stalin oder später dann bei Chrustschow ("Tauwetter") bis in die Breshnew-Ära rein, gehandelt und gehätschelt. Zuckerbrot und Peitsche waren die Devise der ihn hoch- und niederhaltenden Nomenklatura... Ja, und eben in den fünfzehn Sinfonien steckt das Alles und in allen nur erdenklich-auffindbaren "Ecken" drin. Man kann sie aber auch als unendliches Leidmaß seinerselbst erfassen, wenn das Ohr das so vermeintlich Offizielle auszusparen in der Lage ist. Musik wird immer, und in allererster Linie, privat "verstanden" sein. Das ist das höchste Markenzeichen und ihr Stempel für das Zeitlose an sich.
Wir waren sehr epicht darauf zu hören, wie drei Londoner Orchester - die zum laufenden musikfest berlin 09 anreisten - mit dem Brocken Schostakowitsch umgehn würden, und wir fanden ziemlich unterschiedliche Belichtungspunkte:



Eines der vier Logos zum musikfest berlin 2009


*


Leningrader Sinfonie

Sie hat mit der 900tägigen Blockade Leningrads insofern was zu tun, als dass die legendäre Aufführung am 8. 8. 1942, auf den ausdrücklichen Wunsch des Komponisten hin, hier stattgefunden hatte und die Noten hierzu, unter sehr gefährlichem Manöver, in die Heldenstadt zuvor geflogen worden waren. Somit ist dem Werk, das Schostakowitsch ja bereits weit vor dem Überfall der Hitlerwehrmacht auf sein Land verfasste, wenig "Leningraderisches" inhärent; die Offiziellen sahen in ihr freilich, und indem sie sie durch Schostakowitsch "Leningrader" nennen ließen, einen Wunsch als Vater des Gedankens. / Kurt Masur hatte es wohl mit einem fast unübersichtlich scheinenden Großaufgebot des von ihm dirigierten London Philharmonic Orchestra zu tun. Das Musizieren kommt dann auch in ziemlich ungeschlachtener Pompösität herüber. Es hat - was ja immer die Gefahr beim Spielen oder Hören dieser Siebten ist - geradezu volkstümliche Momente, es klingt also stellenweise ziemlich pöbelig und stumpf. Das Lautstarkhafte, insgesamt, verleitet das Orchester auch zu ungewolltem Uneindeutigsein; und manche Instrumente scheinen völlig ab- und wegzufliegen. Dennoch tosende Begeisterung! (Es war dann auch das bestbesuchte der drei "Londoner Konzerte".)


"Stalingrad-Sinfonie"

Es ist die mysteriöseste und lamoryanteste der Sinfonien Schostakowitschs; und zu ihrer Uraufführung schmückten Moskaus Apparatschiks sie mit "Stalingrad" als Untertitel, was selbstredend abwegig war; weder Stalingrad noch sonst eine Heroentat der Rotarmisten stand dem - später Jahre lang verbotnen - Werk zu Pate. Schostakowitsch war hier unheroisch bis zur Schmerzgrenze. Und eigentlich (so Dirigent Kurt Sanderling, der Schostakowitsch auch persönlich kannte) wollte der Komponist "den Schrecken des Lebens eines Intellektuellen in der damaligen Zeit" vertonen. // Das Philharmonia Orchestra unter Vladimir Ashkenazy bot das Werk in überschaulich durchsichtiger Weise dar. Der lautlos-schmerzschreiende erste Satz (über 30 min!) wird durch es zu einer sandsteinenen Echomauer; und man fasst seine Unendlichkeiten nicht. Alles in Allem hinterließ die Darbietung den wohl geschlossensten Gesamteindruck der "Londoner Konzerte".



Das Jahr 1905

Angeblich war es der Petersburger Blutsonntag, der Schostakowitschs Elfter Sinfonie den Titel "1905" verpasste - und obwohl der 40. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1957, dessentwegen er den Auftrag kriegte, abgehandelt werden sollte. ("Sie handelt vom Volk, das den Glauben verlor, weil der Kelch der Missetaten übergelaufen war", schrieb Schostakowitsch später.) Ihre Sätze gehen ineinander über, und es wechselt vorhersehbar zwischen Lethargie und Militanz. Die Sinfonie bricht schließlich wie ein Kartenhaus aus basiliskem Schutt in sich zusammen. /// Das London Symphony Orchestra kann hier stolzbrüstig mit seinen irrwitzig perfekt spielenden Instrumentalisten elitäre Argumente liefern. Seine Streicher: eine Wonne des Wohllautes. Seine Bläser: ätzend scharf und skalpellös genau. Sein Schlagzeug: scheinbar unaufdringlich und von magenirritierender Erschütterung. Und Valery Gergiev hält die Zügel, stocklos, bravourös in seinen ballettösen Händen. Wow!!!


Andre Sokolowski - 15. September 2009
ID 4397
http://www.andre-sokolowski.de


LONDON PHILHARMONIC ORCHESTRA (06.09.09)
Schostakowitsch: Symphonie Nr. 7 C-Dur op. 60 Leningrad (1941)
Dirigent: Kurt Masur

PHILHARMONIA ORCHESTRA (13.09.09)
Berg: Lyrische Suite (1928)
Zemlinsky: Symphonische Gesänge op. 20 (1920)
Schostakowitsch: Symphonie Nr. 8 c-MOll op. 65 (1943)
Dietrich Henschel, Bariton
Dirigent: Vladimir Ashkenazy

LONDON SYMPHONY ORCHESTRA (14.09.09)
Tistschenko: Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 op. 23 (1963)
(bearbeitet von Dmitri Schostakowitsch, 1969)
Schostakowitsch: Symphonie Nr. 11 g-Moll op. 13 Das Jahr 1905 (1956/57)
Tim Hugh, Violoncello
Dirigent: Valery Gergiev

Weitere Infos siehe auch: http://www.musikfest-berlin.de




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