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Philosophie

Der sich selbst die Welt erklärt.

Und denen, die ihm zuhören.

Robert Habeck besuchte am 23.Juni im Rahmen der phil.COLOGNE 2025 die Kölner Flora



Natürlich passt es gut, wenn der Grünenpolitiker Robert Habeck ausgerechnet in der Kölner Flora auftritt. Und es passt ebenso, dass er im Rahmen der phil.COLOGNE spricht, denn der Grüne wurde in der Öffentlichkeit gerne als „Philosoph“ bezeichnet. Dass diese Zuschreibung nur bedingt zutrifft, wird an diesem warmen Sommerabend in Köln klar - einmal abgesehen davon, dass Habeck in Literaturwissenschaften und nicht in Philosophie promoviert wurde. Doch solche Zuschreibungen sollten zweitrangig sein. Entscheidend ist, dass Habeck genau das lieferte, was die Habeckianer erwarteten: Er redete und redete und redete in syntaktischen Endlosschleifen, wobei am Ende keiner genau sagen konnte, auf welche Frage er nun welche Antwort gab.

Zugegeben: Entscheidend ist ja der Mensch mit seinem Charme. Seinem Charisma. Geschenkt also, dass der „Philosoph“ einen philosophischen Fauxpas nach dem anderen beging. Da wurde Heidegger zum Vertreter des Übermenschen und damit zum Propagandist eines heroischen Menschenbildes, das ihm, Habeck als genuin faschistisches Denken aufleuchtete, wobei er durch die Lektüre von Paul Celan eines Besseren belehrt worden sei. Lassen wir einmal beiseite, dass Habeck Heidegger mit Nietzsche verwechselte, und zu seinen Ausführungen über Celan gäbe es mindestens Nachfragen. Lassen wir beiseite, dass manche Ausführungen inhaltlich und fachlich schwach und mindestens sehr oberflächlich waren. Dass sie sich als Wortakrobatik herausstellten, wobei Habeck von dem ansonsten klugen Moderator Florian Schroeder prompt für seine brillante Rhetorik gelobt wurde. Auch zum Thema Rhetorik wäre vieles zu sagen. Aber wir wollen nicht langweilen, denn dafür müsste man ja konkret werden und, herrje, philosophisch, was man auf der phil.COLOGNE besser nicht werden sollte. Man will das Publikum gerade auf diesem Festival der Philosophie doch nicht mit Philosophie langweilen! Grau ist die Theorie. Anders der grüne Baum des Lebens. Der ist kaum aufzuwiegen mit Gold.

Sortieren wir. Auf der phil.COLOGNE sollte es nicht um Philosophisches gehen. Das will man dem Publikum nicht gerne zumuten. Und wenn, dann in kleinen Portionen, in Form von Schlagwörtern, schließlich muss sich ja alles rechnen lassen und wie alle wissen, rechnet sich Philosophie eben nicht. Warum das Festival dann so heißt? Man könnte durchaus schlechtere Fragen stellen.

Nun hat die phil.COLOGNE an jedem Abend einen Stargast und eben nicht zwangsläufig, sondern eher selten, einen Philosophen, der dann auch noch über Philosophie spricht oder sogar philosophiert. Also letzteres kommt so häufig vor wie ein Puma auf deutscher Wildbahn. Sprechen wir also wieder über Habeck. Der Berichterstatter gibt offen zu, dass er Habeck sympathisch findet. Auch wenn es besser wäre, Habeck würde seine bildungsbürgerlichen Phrasen einfach lassen. Aber gut. Er kann machen, was er will. Habeck ist zwar kein Philosoph. Er spricht von Natur aus einfach umständlich und pastoral, und das assoziieren die Söders dieser Welt eben mit Philosophie. Schlussausende. Dass ihm diese verblasene Rhetorik in Teilen der Öffentlichkeit als Bonus angerechnet wird und als ein Zeichen seiner intellektuellen Brillanz, das ist irgendwie schon lustig. Einmal abgesehen davon, dass Habeck inhaltlich, jetzt auch politisch gemeint, dazu tendiert, ins Allgemeine und Nebulöse abzuschweifen. Sagen wir so: Habeck setzt einfach eine Tonalität, die hierzulande ungewohnt ist im politischen Diskurs, sachlich aber eher zum Budenzauber tendiert.

Gut. Mag Robert Habeck also gelegentlich Phrasen dreschen. Aber welcher Politiker, ja welcher Mensch tut das nicht? Mag Habeck von Philosophie herzlich wenig verstehen. Gut. Aber warum sollte das notwendig sein in der Politik? Mag Habeck allzu gerne nur sich selbst reden hören und, wie an diesem Abend, nicht wirklich interessiert sein an den Fragen seines Gegenübers Florian Schroeder, der möglicherweise, jedenfalls in dieser Veranstaltung, der Scharfsinnigere und Gebildetere von beiden war. Alles richtig. Doch manches zahlt dann doch auf Habecks Konto ein, was seinen Weggang aus der Politik als Verlust erscheinen lässt:

Zunächst gehört er zu dem Typ Politiker, der glaubwürdig um die richtigen Antworten ringt. Der es sich selbst nicht leicht macht und bereit ist, in kritische Revision zu gehen. Diese Haltung ist heute alles andere als selbstverständlich. Zudem hängt Habeck einer politischen Idee an, die er laut eigener Aussage von Hannah Arendt übernahm und die doch eigentlich auf Hegel zurückgeht: Lasst uns im Einvernehmen Politik machen. Im Wissen darum, dass jedes Gespräch nur Sinn hat, wenn ich ernsthaft unterstelle, dass ich selbst falsch liegen kann und mein Gegenüber im Gegenzug Recht hat. Habeck zitiert hierzu Barack Obama, der an seinem letzten Abend als Präsident diesen Satz sagte, der eine solche Haltung zum Ausdruck bringt: „What if we were wrong?“ Und schließlich, auch das nicht ganz unwichtig: Habeck steht für eine realistisch akzentuierte linksliberal-progressive Haltung. Er verteidigt mit ganzem Herzen die Themen, die man mit dem Label „progressiv“ assoziiert und besitzt dabei einen bodenständigen Realitätssinn, der ihn im wahrsten Sinne des Wortes gesprächs- und koalitionsfähig macht. Dieser Realitätssinn ist gerade unter Progressiven so wertvoll wie rar. Er verhindert, dass Habeck ein engstirniger Linker wird, der sich weigert, ein konstruktives Rendezvous mit der Wirklichkeit einzugehen. Nimmt man dies alles, so erweist sich Habeck seinem Naturell nach als gestaltender Politiker. Als einer, der etwas verändern will. Der die Welt verbessern will. Und das setzt minimal voraus, dass man sich mit dem, was man vorfindet, konstruktiv arrangiert und im Gespräch ein pragmatisches Einverständnis sucht. Wir brauchen dringend diese Politiker. Und wenn sie, wie Robert Habeck, zudem noch Menschenfänger sind, dann ist das kein Schaden für die offene Gesellschaft.



phil.COLOGNE 2025, 23.06 - Demokratie im Ernstfall. Mit Robert Habeck und Florian Schroeder; Foto (C) Katja Tauber; Bildquelle: philcologne.de

Jo Balle - 26. Juni 2025
ID 15328
Weitere Infos siehe auch: https://www.philcologne.de/


Post an Dr. Johannes Balle

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