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Geburtstag

Milan

Kundera

wird 90



Milan Kundera, 1980 | Foto: Elisa Cabot (Bildquelle: Wikipedia)


Der in Brünn geborene Milan Kundera, der 1975 nach Frankreich emigriert ist und seit 1993 französisch schreibt, gilt zwar nicht übereinstimmend, aber doch für viele Kritiker und Leser als einer der überragenden Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Mit seiner Mischung aus modellhaften Geschichten und essayistischen Reflexionen hat er viel zum Verständnis des vergangenen Jahrhunderts beigetragen.

Kunderas Entwicklung lässt sich an den Titeln seiner Romane ablesen. Auf den Understatement-Titel des ersten Romans Der Scherz, der jedoch das die Handlung auslösende Motiv und zugleich einen der zentralen Gedanken des Buchs benennt, folgten die ironisch- oder paradox-poetischen Titel von Das Leben ist anderswo (eine Parole des Pariser Mai 68) bis zur unerträglich oft zitierten oder paraphrasierten Unerträglichen Leichtigkeit des Seins, mit der Kundera im deutschsprachigen Raum seinen verspäteten Durchbruch erlebte. Die nächsten Romane trugen lakonische Titel, die ins Zentrum philosophischer Fragestellungen zielen: Die Unsterblichkeit, Die Langsamkeit, Die Identität, Die Unwissenheit, Das Fest der Bedeutungslosigkeit. Es mag diese Prätention sein, die Peter Hamm einmal veranlasste, von Kunderas Werk als „Trivialliteratur für Intellektuelle“ zu sprechen. Das ist ätzend formuliert, aber es ist nicht ganz falsch. Wer Kundera liest, weiß, was ihn erwartet: Moderne im Schongang, ein philosophischer oder psychologischer Einfall, der in eine klar strukturierte Handlung gekleidet wurde, Intelligenz ohne Sentimentalität. Bei Kundera gerät man nicht in den Verdacht, ein Anhänger naiver Fabulierfreude zu sein. Übergroße Anstrengung wird dem Leser dennoch nicht abverlangt.

In den sechziger Jahren, als er noch nicht über die Grenzen der Tschechoslowakei hinaus bekannt war, lehrte Kundera, damals keine vierzig Jahre alt, an der angesehenen Prager Filmschule FAMU Literatur. Schon damals hatte er ausgeprägte Vorlieben, schon damals wurde er nicht müde, mit didaktischem Eifer für seine Prioritäten zu werben, die dem Dogma des Sozialistischen Realismus, damit aber auch der in Deutschland etwa von Marcel Reich-Ranicki propagierten Ästhetik entgegengesetzt waren. Kunderas Vorbilder sind Diderot, Rabelais, Cervantes, Sterne, Fielding, Kafka, Musil, Broch, Gombrowicz, García Márquez. Mit ihnen argumentiert er in mehreren Essaybänden, sie dienen ihm zur Illustration seiner allgemeinen Grundsätze.

Was man an literaturtheoretischem Rüstzeug benötigt, um Kunderas Werk zu analysieren, hat der Autor selbst geliefert. In jüngster Zeit ist es still geworden um einen der Großen der europäischen Literatur. Seine Themen scheinen in Vergessenheit zu geraten. Der Roman, den er noch auf Tschechisch geschrieben hat, der aber erschienen ist, als sich Kundera bereits im Exil befand, heißt Das Buch vom Lachen und Vergessen. Wer aber, über die inflationär beschriebenen Straflager hinaus, etwas über den Stalinismus begreifen will, muss neben Der Komplize von György Konrád und Ein Grabmal für Boris Dawidowitsch von Danilo Kiš Der Scherz von Milan Kundera lesen. Für vermeidbare Unwissenheit gibt es keine Entschuldigung.

Heute wird Milan Kundera 90 Jahre alt. Wir gratulieren.

Thomas Rothschild – 1. April 2019
ID 11318

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