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Etymologie

Berappen für "bezahlen"?

Eine schwierige Herleitung aus

dem Jiddischen oder Hebräischen



Kürzlich titelte eine Schweizer Wirtschaftszeitung: Dieselfahrer müssen mehr berappen; gemeint war mit der burschikosen Formulierung natürlich, dass für den Kraftstoff zukünftig mehr "bezahlt" werden müsse.

Das Wort, das zur Synonymgruppe “(be)zahlen, entrichten, abdrücken, aus-geben, blechen, Geld in die Hand nehmen, hinblättern, in die Tasche greifen, löhnen“ gehört, ist auch in den Printmedien beliebt. Bei Focus Online las man vor einiger Zeit “In Deutschland sind die Gaspreise erneut kräftig gestiegen: Knapp zehn Prozent müssen Haushalte im Durchschnitt mehr berappen…“

Doch woher stammt das Wort berappen? Unter dem Stichwort findet sich in Peter Schlobinskis Berliner Wörterbuch ( 2. Aufl., 1993) der Eintrag: "'bezahlen'. Abgeleitet vom Rappen, einer älteren Münze, deren Adlerkopf als Rappe (= 'Rabe') verspottet wurde.“ Der Autor steht mit seiner Deutung nicht allein, allerdings ist seine Herleitung umstritten.

Der Sprachforscher S. Hetzel äußert in Wie der Deutsche spricht (1896) über die Herkunft des Verbs die Vermutung: “aus der Studentensprache, wohl von Rappen, einer Schweizer Münze.“ Selbstbewusster gibt sich J. Ernst Wülfing in seinem Buch Was mancher nicht weiß (1905): "Rabe steht neben Rappe wie Knabe neben Knappe... Es sei auch an berappt erinnert, was bedeutet: 'mit Rappen versehen', d.h. 'gut bei Kasse sein'."

Siegmund A. Wolf lehnt die Münz-Herleitungen im Wörterbuch des Rotwelschen (1993) kategorisch ab. Statt dessen leitet er berappen aus berabbeln, dieses aus berebbeln/ beribbeln her und bringt die Herleitungskette in Zusammenhang mit jiddischem Rebbes/ Rebbis ("Zins", "Gewinn", "Ertrag"); in der Tat führt schon Wilhelm Polzers “Gauner-Wörterbuch für den Kriminalpraktiker“ (1922) das Wort Riwizer für "Gauner, Dieb" auf.

Der Duden – Deutsches Universalwörterbuch (3. Aufl., 1996) zeigt lapidar beide Ursprungsmöglichkeiten auf: “berappen: vielleicht zu Rotwelsch rabbes = 'Zins, Gewinn' oder zu Rappen.“ Diese Haltung ist überraschend angesichts der Tatsache, dass sich der Duden (Bd. 7, 2. Aufl.: 1997) zumindest in der negativen Abgrenzung gegenüber der Herleitung von Rappen schon expliziter festgelegt hatte: “Die Herkunft des umgangssprachlichen Ausdrucks für 'bezahlen', der aus der Studentensprache in den allgemeinen Sprachgebrauch gelangte, ist unklar. Er ist vielleicht rotwelschen Ursprungs, jedenfalls nicht von dem Münznamen Rappen abgeleitet.“

Es wird in der germanistischen Forschung in dieser Frage nicht nur aufs Jiddische Bezug genommen, sondern es wird auch vermutet, berappen sei aus dem Hebräischen umgeformt worden; verwiesen wird durch Moses Buttenwieser (1922) unter Bezug auf eine Bibelstelle (Exod 21,18f.) auf die hebräische Formulierung rappô jerappē ("Heilungskosten bezahlen").

Am rigidesten und ernüchterndsten äußert sich in dieser philologischen Kon-troverse das in der 24. Auflage von Elmar Seebold bearbeitete Etymologische Wörterbuch des Deutschen von Friedrich Kluge: “Das Wort [berappen] ist aus der Studentensprache in die Hochsprache gelangt; dorthin kam es offenbar aus schwäbischen Krämersprachen, also Ausprägungen des Rotwelschen. Die weitere Herkunft ist unklar: Sowohl gegen die Ableitung von der Scheidemünze Rappen wie auch gegen Anknüpfungen an das Jiddische und Hebräische können starke Bedenken geltend gemacht werden.“

Ich neige dazu, Lutz Röhrich in dessen Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten (2. Auflage 1995) zuzustimmen, dessen Bewertung der erwähnten Buttenwieserschen These mir als einleuchtend erscheint: “Der Übergang von jerappē zu berappen scheint ebenso leicht wie der Bedeutungsübergang von 'Heilung bezahlen' zum allgemeinen Begriff 'bezahlen'“.

Eines ist wohl unbestritten: Wer an seine Steuererklärung denkt, der weiß einen Hinweis Röhrichs zu würdigen. Der Autor verweist augenzwinkernd auf St. Berappius (den Schutzheiligen des Steuerzahlers) – eine Scherzbildung zu berappen, die für Berlin seit 1960 bezeugt ist.


Christoph Gutknecht - 18. April 2021
ID 12864

Post an Prof. Dr. Christoph Gutknecht

https://www.slm.uni-hamburg.de/iaa/personen/ehemalige-emeriti/gutknecht-christoph.html

ETYMOLOGISCHES



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