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nachDRUCK # 2

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Sachbuch

Im Osten

viel Neues



Bewertung:    



Sommer 1990. Die Wiedervereinigung steht vor der Tür. Da bricht ein junger Mann nach Osten auf, um sein Glück zu machen. Er wird es nur hin und wieder finden. Und eigentlich wird er scheitern. Aber er wird eine einmalige und hochinteressante Phase der deutschen Geschichte erleben, die Wende: ihre Widersprüche, ihre existentiellen Herausforderungen, ihre Skurrilität und ihre Typen - Verlierer, Gewinner, Originale.

Schon der Versuch, einen Wohnberechtigungsschein zu erlangen, scheitert. Als Deutscher im anderen Teil Deutschlands ist er plötzlich Ausländer.


»Hinter einem alten, vollgerümpelten Schreibtisch, schön unter dem Bild des großen Staatsratsvorsitzenden, saß eine blonde, füllige Frau Anfang fünfzig, mit weißer Bluse, und starrte mich feindselig,an. Ihre grimmige Erscheinung wurde noch durch einen strengen Dutt unterstrichen. Ich musste unwillkürlich an Udo Lindenberg denken, ›Das ist die Olga von der Wolga‹, ging mir sein Lied durch den Kopf. Doch das Grinsen verkniff ich mir.Was ich denn für ein Anliegen hätte, herrschte sie mich an.“


Zaubi M. Saubert, der Autor dieses unterhaltsamen, erschütternden und berührenden Erfahrungsberichtes der ersten 10 Jahren nach der Wiedervereinigung hat Vieles mitbekommen: den Traum von den blühenden Landschaften und das Erwachen daraus. Denn an den Rändern dieser Hoffnung liegen die ehemals so heiß begehrten Trabis bald im Straßengraben.

Dabei beginnt alles so vielversprechend, setzt Kreativität frei und Abenteuerlust! Aber fast jedes noch so aussichtsreiche Projekt endet im Frust: etwa die Arbeit als Versicherungskaufmann für Policen, die keiner braucht. Auch Sauberts eigene Geschäftsidee, der „Mondschein Service“, ein abendlicher Lieferdienst von Getränken und Lebensmitteln in Halle. Das ist etwas ganz Neues in der Ex-DDR, dort, wo es bislang nicht mal einen Pizzaservice gab. Leider wird die gute Idee ausgerechnet vor Weihnachten von dem streikenden – und wochenlang irreparablen - Telefon ruiniert. Überhaupt das Telefon. Wer hat schon eins, wie kommt man dazu, oder welches kann man anzapfen? Noch Jahre nach der Wende ein aufschlussreiches Satyrspiel. Und das Stück zuvor? Ein Drama, wie es sich gehört. So endet auch die hoffnungsvolle Architektenlaufbahn des Autors in dem größten Bauskandal der ehemaligen DDR.

Dies alles schildert Saubert nicht von oben, sondern aus der Perspektive eigener teilnehmender Beobachtung und der Sicht der Menschen, denen er im Laufe der Zeit begegnet. Nicht am schicken Bartresen eines Hotels oder am Pool, sondern in einer runtergekommenen Schwarzwohnung, wo sie leben wie er. In alternativen Kneipen. Dort, wo viele ihrer gedemütigten Existenz entfliehen. In Ämtern und Büros, wo manche auf Arbeit sind und viele danach suchen. Hier entstehen lebendige Porträts. Wenig Sympathien finden die sog. Gewinner, „Dimidos“, Wessis, die von Dienstag bis Donnerstag in den Osten kommen und dann schnell wieder heimfahren - in den Westen. Abscheu erregen fremdenfeindliche Übergriffen rechtsradikaler Skinheads aus der ehemaliger DDR – ein böses Menetekel und schon damals eine Gefahr für Geist, Leib und Leben.

Bei allen Rückschlägen, Schwierigkeiten und Problemen: der Autor und seine Frau Sylvie, die sich ebenfalls tapfer in den verschiedensten Jobs durchschlägt, entwickeln Sympathien für das Leben im neuen alten System.


„Der Ossi kam einfach anders daher, immer noch. Er hatte sich seine offene Art bewahrt, wirkte authentischer und nicht so gekünstelt.“


Für das Paar ein erfreulicher Gegensatz zur geradezu aggressiv verteidigten Fassade von Westlern, die sich nicht in die Karten schauen lassen wollen und denen es nur ums schnelle Geld geht. Go East endet nach fast genau 10 Jahren, als der Verfasser endlich einen guten Job in München bekommt.

Sein Resümee: gerne wäre er „drüben“ geblieben. Hätte es dort nur Arbeit für ihn gegeben. So blieb der Osten für die ihn wie für allermeisten Zeitgenossen nur eine Episode. Doch die Jahre nach der Wiedervereinigung sind erinnernswert und für Zaubi M. Saubert die „aufregendsten und spannendsten Jahre“ seines Lebens:


„Ich schätze mich sehr glücklich, an diesem großen Stück deutscher Geschichte direkt auf der Bühne mitgespielt zu haben. Auch wenn es nur eine kleine Rolle gewesen ist.“


Eine Rolle jedoch, die groß und tiefe Einblicke in ein bedeutendes und schillerndes Stück Zeitgeschichte gewährt.

Lesen. Gerade jetzt. An Weihnachten!
Petra Herrmann - 14. Dezember 2015
ID 9038

[Unsere Gastautorin Petra Herrmann ist Redakteurin im Bayerischen Rundfunk, radioWissen, zuständig für Literatur und Musik. Daneben schreibt sie für die Glossenserie "Ende der Welt" und ist als Moderatorin für Wissenssendungen in BR-alpha tätig (Wissenschaftsthemen). Sie mag es, wenn was auch mal ein wenig schräg daherkommt. In ihrer Freizeit beglückt sie sich und ein paar Fans als Sonntagsmalerin.]


Zaubi M. Saubert | Go East
Erlebnisse zwischen Verfall und Aufbruch

Außer der Reihe 13
448 S., Tb.
EUR 14,90
p.machinery, Murnau, 2015
ISBN 978 3 942533 91 1


http://www.pmachinery.de/unsere-bucher/auser-der-reihe/auser-der-reihe-band-11-20/saubert-zaubi-m-go-east



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