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Sachbuch

Blick über den Tellerrand



Bewertung:    



Was haben der Hexenhammer, die dunkle Materie und Marketingstrategen miteinander zu tun? Sie sind titelführend für das Buch Finstere Wahrheit des Wissenschaftsjournalisten Uwe Springfeld, der mutig drei Forschungsdisziplinen zusammen bringt und gewagte wie begründete Zusammenhänge darin schildert. Dazu begleiten wir Springfeld zu Interviews mit Wissenschaftlern, die sich vermutlich untereinander nie kennenlernen werden. Naturwissenschaftler, Philosophen und Soziologen treffen sich eben nicht einfach mal auf einem Kongress, da fächerübergreifende Veranstaltungen dieser Art kaum stattfinden.

Thema des Buches ist die zentrale Frage, was dunkle Materie eigentlich ist. Rein physikalisch gesprochen wabert sie in großer Menge um uns herum, ohne das wir es merken, denn uns fehlen die Sinne dafür. Auch die Physiker hasten dem Phänomen hinterher, sie wollen immerhin einen indirekten Beweis führen. Die teuren Teilchenbeschleuniger, wie beispielsweise der milliardenschwere im Forschungszentrum CERN, sollen dabei helfen - unbefriedigend für die Physiker, für die Vertreter anderer Wissenschaften, für Uwe Springfeld und letztendlich auch für uns. Uwe Springfeld hat sich der schweren Frage nun über den interdisziplinären Weg genähert.

Dabei kommt der Berliner Philosoph Prof. Friedrich Steinle ins Spiel. Er schlägt den Bogen zurück zur Erkenntnis, zu Emanuel Kant und führt damit zum Prinzip des naturwissenschaftlichen Experiments.


”Kant sagt, im Experiment treten wir der Natur nicht als Schüler gegenüber, sondern als bestallte Richter, der der Natur bestimmte Fragen stellt und sie zu Antworten zwingt.“ (S. 5)


Dieser Gedanke kann weiter verfolgt werden, und so gelangt Springfeld tatsächlich zum Hexenhammer. Dieses Werk, das entscheidend dazu beitrug, dass viele Menschen als Hexer und Hexen diffamiert und qualvoll dafür hingerichtet wurden, wird von Paul Feyerabend in den wissenschaftlichen Kanon geworfen. Denn erstaunlicher Weise basieren die Schlussfolgerungen in diesem grausamen Werk auf wissenschaftlichem Denken, sie gehen nur von einer falschen Grundvoraussetzung aus, nämlich der, dass es Hexerei gibt. So werden die Inquisitoren von Feyerabend als die führenden Intellektuellen ihrer Zeit eingestuft.

Nach diesem abenteuerlichen Ausflug in die Vergangenheit mit ihren verwegenen Beispielen zum Erkenntnisgewinn geht es nun in die Moderne, zu einem Forscher, dem der Laie die Antwort auf die Frage nach der dunklen Materie am ehesten zutrauen würde, dem Experimentalphysiker Dr. Klaus Eitel. Den treffen wir keineswegs profan in seinem Karlsruher Institut, sondern etliche Meter unter der Erde.


„Jetzt hatten wir uns gelbe Warnwesten übergezogen und waren ins Auto gestiegen und zum Laboratorium gefahren, eine Seitenkaverne, ziemlich exakt in der Mitte des 12,8 Kilometer langen Mont-Cenis-Straßentunnels gelegen. Der Fahrer hatte wie immer in einer Nothaltebucht geparkt. Wir stellten uns beide an der Tunnelwand auf, ich wartete auf das Kommando. ”Nach dem Lastwagen,“ sagte der Fahrer, dann liefen wir über die zwei Fahrspuren. Er schloss eine schwere, graue Eisentür auf und wir huschten hindurch. Es öffnete sich noch eine und dann eine dritte Tür, schließlich stand ich in der Experimentierhalle. Der Raum war kurz, aber hoch und schmal, die Decke als Tonnengewölbe. Mein erster Eindruck war der einer kleinen gotischen Kapelle, obwohl ich kein Äquivalent zum Altar sah.“ (S. 28)


Es sind diese Schilderungen, die die eigentlich komplizierten Inhalte des Buches würzen und die Lektüre erleichtern. Auch der Versuch, den der Forscher zum indirekten Nachweis der dunklen Materie an diesem spektakulären Ort unternimmt, ist für den Leser nachvollziehbar. Eine Leistung, die guten Wissenschaftsjournalismus auszeichnet.

Zum Schluss kommt die Soziologin Prof. Karin Knorr-Cetina von der Uni Konstanz zu Wort. Sie erforscht seit Jahrzehnten die zwischenmenschlichen Prozesse in naturwissenschaftlichen Labors. Ist es so einfach, geht es letztlich auch hier darum, wie Menschen miteinander umgehen?


„Naturwissenschaften, sagte sie, bildeten ein Glaubenssystem. Sie seien der Versuch, über die Entwicklung und Einhaltung bestimmter Standards und Methoden das, was man glaube, auch zu beweisen. Wobei eine eng umgrenzte Gruppe von Menschen über zulässige und unzulässige Methoden und Standards bestimme.“ (S. 40)


Das stürzt die Forscher aus dem Elfenbeinturm, doch heute haben viele der Experten diesen bereits freiwillig verlassen. Sie reihen sich ein in eine Reihe mit Werbefachleuten, Politikern, Journalisten und anderen, auf die Öffentlichkeit einredende Menschen, ja es kommt regelrecht zu einer explosionsartigen Zunahme von Öffentlichkeitsarbeitern. Denen begegnet auch Otto Normalverbraucher zu Hauf, unabhängig von der Frage nach der dunklen Materie. Doch wie beantwortet Springfeld nach diesen Exkursen nun die zentrale Frage des Buches?

Die Antwort muss natürlich auch er schuldig bleiben, doch gibt er eine Art Arbeitshypothese, die überraschend, erfrischend praktisch und auch kaum zu wiederlegen ist: „Die(se) Alltagspraxis entscheidet zwischen wahr und falsch.“ (S. 43)

Fazit: „Wahr ist, was funktioniert.“ (S. 48)

Das mag banal klingen, stimmt aber doch.

Untermauert werden die komplizierten wie einfachen Argumente durch ein ausführliches Namens- und Stichwortverzeichnis sowie durch Fußnoten, die die zitierten Werke aufführen.


Ellen Norten - 24. September 2014
ID 8117
Uwe Springfeld | Finstere Wahrheit
Von der naturwissenschaftlichen Spekulation zur Erkenntnis

Als Taschenbuch (64 S.):
EUR 5,90
ebooknews press, 2014
Verlag Dr. Ansgar Warner, Berlin
ISBN 978-3-944953-07-6

Als e-book:
EUR 2,99
ISBN 978-3-944953-08-3/-21-2/22-9


Weitere Infos siehe auch: http://ebooknews-press.com/produkt/finstere-wahrheit/


Post an Dr. Ellen Norten



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