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Sachbuch

Das Leben von

Jonny Roastbeef



Bewertung:    



„1950 ernährte ein Landwirt noch zehn Menschen, heute sind es einhundertvierzig. 1950 gaben gute Milchkühe 4000 Kilogramm Milch pro Jahr, heute sind es im Durchschnitt über 8000. Das ist ein gewaltiger Fortschritt, der nur durch beeindruckende Effizienzsteigerung erreicht wurde. Und die Landwirte sind stolz darauf: Sie produzieren mehr als jemals zuvor und sind gleichzeitig der harten körperlichen Arbeit, die die Landwirtschaft über Jahrhunderte prägte, entkommen.“ (S. 10)


Diese Fakten präsentiert die Journalistin Tanja Busse, die selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. Das klingt doch eigentlich gut. Doch das kritische Buch zur modernen Landwirtschaft (Die Wegwerfkuh) zeigt auch den Preis, den nicht nur die Tiere, sondern auch der Landwirt und letztendlich Gesellschaft und Verbraucher für diese im industriellen Maßstab produzierten Lebensmittel zahlen müssen.

In Euro und Cent ausgedrückt ist der Preis für diese Lebensmittel gering, Milch und Fleisch sind heute für jedermann erschwinglich, oder besser ausgedrückt billig, zu billig, wenn ein ganzes Hähnchen für weniger als 2 Euro angeboten werden kann. Der Gewinn pro Tier für den Hähnchenmäster beträgt dabei gerade mal 5 Cent, weiß Tanja Busse zu berichten. Kein Wunder, dass die Hähnchen schnell zunehmen müssen, im Stall zu Tausenden leben, andernfalls würde der Bauer selbst an Gewicht verlieren, schließlich drastisch gesagt: verhungern. Nur wer Tiere im industriellen Maßstab produziert, kann als Landwirt überleben. Sentimentalität für ein einzelnes Tier findet da keinen Platz:

Beispiel Jonny Roastbeef - das Wegwerfkalb ist der Sohn einer Milchkuh. Damit ist er eigentlich von vorneherein nichts wert. Denn die Milchkuh wird auf hohe Milcherträge hin gezüchtet und nicht auf schnellen Gewichtszuwachs. Jonny wird als männliches Tier jedoch nie Milch geben, gleichzeitig aber auch nicht so schnell zunehmen wie seine Geschlechtsgenossen aus der Mastviehhaltung. Zudem leidet Jonny Roastbeef an Durchfall und ist mickrig. Selbst die 50 Cent pro Tag, die eine Unterbringung in einer Mastanstalt kosten, ist er kaum wert.

Die Familien von Tanja Busse und ihrem Fotografen setzen sich für das schwache Tier ein, finden eine Unterkunft für Jonny bei einem Biobauern, dort gedeiht er prächtig. Auf Bildern im Buch und in plastischen Schilderungen erfahren wir, wie er sich nun doch zu einem stattlichen Jungbullen entwickelt. Das ist schön zu verfolgen, doch ein Einzelschicksal, das in der modernen Landwirtschaft eine Ausnahme bleiben wird. Effizienz heißt das Zauberwort, und die kippe gerade in Ultraeffizienz um, berichtet die Autorin.


„Beim Menschen heißt es der Burn-out, bei den Kühen und Sauen heißt es kurze Nutzungsdauer, die Ursache aber ist die gleiche: das Streben nach immer größerer Effizienz und höherer Leistung über die biologischen Grenzen hinaus.“ (S. 191)


Nicht mehr die dümmsten Bauern ernten die dicksten Kartoffeln, sondern die, die sich zu Unternehmerpersönlichkeiten entwickelt haben. Im Buch kommen solche, wie auch Biobauern, Politiker und Lobbyisten zu Wort. Trotz der ungeschönten Schilderungen wird nicht alles verdammt, was die moderne Landwirtschaft mit sich bringt und die „gute, alte Zeit“ wird nicht glorifiziert.

Am Ende des Buches macht die Autorin gemäß dem Untertitel ihres Buches auch Vorschläge, wie die Situation besser werden könnte. Eine Direktvermarktung durch den Landwirt, ohne den kostenintensiven Zwischenhandel. Eine Wiederbelebung alter Nutztierrassen und das Huhn für Jedermann im eigenen Garten sind Ideen, die bisher aber eher als Utopien bezeichnet werden können.

Trotzdem liefert Tanja Busse Stoff zum Nachdenken. Sie verzichtet auf den mahnenden Zeigefinger, und das macht das Buch trotz unangenehmer Fakten zur interessanten Lektüre. Weder Rindfleisch noch andere landwirtschaftliche Produkte bleiben uns im Halse stecken, doch essen wir sie vielleicht in Zukunft bewusster, sind bereit höhere Preise für sie zu zahlen, wenn wir nun mehr über deren Hintergründe kennen.
Ellen Norten - 25. Juni 2015
ID 8727
Tanja Busse | Die Wegwerfkuh
288 S., 2 s/w Abb.
Klappenbroschur
EUR 16,99
eBook | EUR 13,99
Blessing Verlag, 2015
ISBN 978-3-89667-538-5

Weitere Infos siehe auch: http://www.randomhouse.de/Paperback/Die-Wegwerfkuh/Tanja-Busse/e462177.rhd


Post an Dr. Ellen Norten



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