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Sachbuch-Kritik

Trockener

Sach-

verstand



Bewertung:    



Es gibt wohl wenige Bücher, die sich mit dem Thema Cannabis sachlich auseinandersetzten. Auf der einen Seite stehen die überzeugten Kiffer, die für ihre Droge werben, auf der anderen die strikten Gegner, die im berauschenden Hanf ernste Gefahren für Leib und Leben sehen. Dieses Buch [Cannabis. Was man weiß, was man wissen sollte] ergreift keine Partei. Der Autor Peter Cremer-Schaeffer ist Anästhesiologe und leitet die Bundesopiumstelle am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Er präsentiert in dem Buch sein Expertenwissen, seine persönliche Meinung schimmert nur an wenigen Stellen dezent hervor. Ob er jemals Cannabis konsumiert hat erfahren wir nicht.

Prinzipiell wird im Buch unterschieden zwischen dem illegalen Genussmittel und der bisher nicht zugelassene Arznei auf Cannabisbasis. Interessant dabei ist der unverstellte Blick von Cremer-Schaeffer, der Cannabis sowohl mit legalen als auch illegalen Konsumgütern vergleicht:


„Betrachtet man ausschließlich die direkten, stoffbezogenen gesundheitlichen Folgen, die Gefahr der Abhängigkeit und die Fremdgefährdung durch den Genuss von Alkohol, Nikotin, Heroin und Cannabis, so sind sowohl Alkohol und Heroin als auch Nikotin gefährlicher einzustufen als Cannabis. In der Bevölkerung gibt es kaum ein Bewusstsein dafür, dass legale Substanzen gefährlicher sein können als illegale Substanzen. Informationen, die dies bestätigen, liegen allerdings genügend vor.“ (S. 60)


Dass Cannabis als wirksames Medikament eine wichtige Rolle spielen könnte, ist den meisten Menschen vermutlich kaum bewusst. Cannabis kann als Arznei gegen Krämpfe, z.B. bei Multipler Sklerose und Lähmungen, bei Schmerzen, beim seltenen Tourette-Syndrom (eine Art von unkontrollierbarem Tick) oder aber auch bei Epilepsie, Tinitus, Asthma, Allergien, Juckreiz und zur Appetitanregung bei Chemotherapie und HIV Verwendung finden. Erforscht ist davon wenig, und so wundert es nicht, dass es kein in dem Sinne zugelassenes Cannabis-Medikament gibt. In Einzelfällen ist es dem Apotheker erlaubt, eine Rezeptur auf Cannabisbasis herzustellen. Der Arzt begleitet den Patienten bei der Behandlung damit nicht. Seit neuestem wird zudem die Möglichkeit diskutiert, sich die Pflanzen in kleiner Menge selbst anzubauen – der Patient züchtet seine Arznei selbst und das in einem Land, das höchste Qualitätsanforderungen an seine Medikamente stellt. Warum dies so ist, erklärt der Autor, schildert den schwierigen rechtlichen Rahmen und zieht Vergleiche zu anderen Ländern wie Holland, Israel und Tschechien. Die lockerste Handhabung mit Canabis gibt es derzeit wohl in Colorado.


„Gerade die Entwicklung in den USA wird die politische Diskussion der nächsten Jahre bestimmen. Waren es doch auch die USA, die dafür sorgten, dass Cannabis vor 80 Jahren als gefährliche Droge gebrandmarkt (…) wurde.“ (S. 103)


Cannabis ist ein gesellschaftliches und medizinisches Thema, und den damit verbundenen Fragen nähert sich der Autor von den unterschiedlichsten Perspektiven. So präsentiert er Daten dazu, wie sich beispielsweise die Verwendung von Arzneihanf auf die Konsummenge und die Anzahl der Kiffer im entsprechenden Land auswirkt. Dies sind zweifelsohne interessante Fragen, doch lassen sich diese nicht launig lesbar beantworten. So liefert das Buch viele Seiten mit trockenen Inhalten, die zwar viele Wissenslücken schließen, aber nicht unbedingt Lust aufs Lesen machen. Am Ende relativiert der Autor die Fakten des Buches und zieht daraus seine eigene Meinung - und die spiegelt nicht nur die des Experten wieder, sondern wohl auch die des gesetzestreuen Mitarbeiters der Bonner Bundesbehörde:


„Die meisten Menschen, die Cannabis konsumieren, sind dadurch nicht gesundheitlich gefährdet. Und dennoch: Die Zahl der Abhängigen nimmt zu, besonders unter den Jugendlichen und jungenErwachsenen. Mit schwerwiegenden gesundheitlichen und sozialen Folgen. Wer will, dass Cannabis legalisiert wird, nimmt solche Folgen in Kauf. Aus meiner Sicht sollte man das nicht tun. Mit Blick auf diese besonders schutzbedürftige Gruppe sollten wir auf die Legalisierung von Cannabis verzichten und uns mehr auf die Erforschung des Potentials dieser Pflanze als Arzneimittel konzentrieren.“ (S. 109)


Das Buch ist in seiner Seriosität beeindruckend zu lesen. Für Eltern oder Menschen, die Cannabis als Medikament in Erwägung ziehen, ist es unbedingt zu empfehlen. Jugendliche, die sich über die Gefahren und die Vorzüge des Kiffens, beispielsweise gegenüber dem Alkohol, informieren wollen, werden zwar auch bedient, doch dürfte die sachliche Art des Buches die jungen Leser verschrecken. Vielleicht würde der Text durch Beispiele leichter zu verfolgen sein und auch das Interesse einer breiter gefassten Mehrheit fesseln.
Ellen Norten - 5. Mai 2016
ID 9296
Peter Cremer-Schaeffer | Cannabis
Was man weiß, was man wissen sollte

122 Seiten, Paperback,
EUR 14,80
S. Hirzel Verlag, 2016
ISBN 978-3-7776-2553-9


Weitere Infos siehe auch: http://www.hirzel.de/titel/60762.html


Post an Dr. Ellen Norten



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