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Sachbuch

Gelebte Geometrie



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„Dieses Buch soll sie inspirieren und kein Katalog sein“, schreibt Paul Jackson, Papierkünstler, der an mehr als 50 Hochschulen für Kunst und Design gelehrt hat und dessen Werke aus gefaltetem Papier in Museen und Galerien auf der ganzen Welt zu sehen sind. Tatsächlich präsentiert das Buch eine Auswahl von eher schlichten Pop-ups, die jedoch jeweils ein bestimmtes Grundmuster in sich tragen und so Basis für weitere Objekte sind. Sie kommen in weißem Papier daher und erzeugen in dem ohnehin schwarz-weiß gehaltenen Buch interessante Graustufen, die durch die raffinierten Schattenwürfe der Pop-ups entstehen. Und es macht Spaß diese Objekte zu betrachten und zu ergründen, wie sie wohl aus einem einzigen Blatt festen Papiers entstanden sind.

Denn das ist charakteristisch für Pop-ups. Sie bestehen aus einem einzigen Karton, der lediglich geschnitten und gefalzt wurde. Beim Öffnen auf 90 Grad entfaltet man die dreidimensionale Struktur, es entstehen Treppen und Kanten, Wellenmuster oder asymmetrisch aufgebaute Strukturen, je nachdem, wie zuvor Schnitte und Falzmuster geführt wurden.

Das klingt kompliziert und ist es auch. Verwandt sind sie mit dem Origami, der japanischen Papierfalttechnik. Hier entstehen die Kunstobjekte, wie z.B. Tiere, Schachteln oder Sterne ebenfalls aus Papier, allerdings wird beim Origami nicht geschnitten. Der Japaner Masahiro Chatani hat mit der Origami-Architektur den Bogen zwischen beiden Kunstformen geschlagen, indem er komplizierte Gebäude aus weißem Papier entstehen lässt, in einfacher Form begegnen wir ihnen allerorts in Modellen für architektonische Entwürfe.

Doch zurück zum echten Pop-up. Mit spitzem, harten Bleistift, Winkeldreieck und einem scharfen, spitzen Messer oder Skalpell geht es an die Arbeit. Als Unterlage darf zunächst ein Haushaltsbrettchen dienen. Fast wie im Geometrieunterricht in der Schule zeichnet man den im Buch ausgewählten Entwurf, der erst einmal auf einem ganz normalen, weißen Papier gefertigt werden kann. Dann kommt die Herausforderung, denn aus dem Entwurf kann man sich das fertige Pop-up bei weitem nicht vorstellen, insbesondere wenn Konstruktionspunkte sogar außerhalb des verwendeten Papiers liegen. Beim Falten und Lösen der zuvor getätigten Schnitte entsteht die erste Idee des dreidimensionalen Objekts im Kopf. Beim Öffnen und Einrichten der 90 Grad Winkel kommt dann das große „Aha“-Erlebnis. Da springen die Kanten und Ecken hervor oder weichen zurück und formen so das große Ganze. Das geglückte Pop-up lässt einen vor der eigenen Arbeit den Hut ziehen.

Doch das Buch ist kein Katalog, hat Paul Jackson ja geschrieben. Wie geht es also weiter, wenn ein paar Pop-ups erfolgreich und befriedigend nachgefaltet sind? Nüchtern schlägt der Autor seine Ideen lediglich dem Firmenchef als kreativen Werbefolder vor. Per Computerprogramm ließen sich hier hohe Auflagen eines Pop-ups fertigen, die zuvor werbewirksam bedruckt wurden. Das trifft sicher für diesen Nischenbereich zu und ist auch originell, doch entzieht sich das Buch damit selbst seine anderen Interessenten, die es zweifelsohne gibt.

Ich selbst habe mit den Pop-ups experimentiert, habe einfarbig buntes Papier verwendet (230 bis 270 Gramm Papiere sind, wie auch Jackson empfiehlt, von der Standfestigkeit her ideal), aber auch Postkarten und andere Papiere mit Motiv lassen sich nutzen. Bei letzteren besteht die Herausforderung darin, die Motive im fertigen Pop-up richtig positioniert zur Geltung zu bringen und da ist die eigene Kreativität gefragt. Schnitte und Falze müssen in ihrer Höhe und Breite an die Motive angepasst werden.

Einfarbige Pop-ups können dagegen später noch beschrieben werden, beispielsweise mit Gedichten, deren Zeilen sich über Treppenstufen erstrecken, mit Zitaten, die durch die dreidimensionale Struktur akzentuiert werden, oder tatsächlich einmal ganz „hausbacken“ als originelle Geburtstagskarte, die sich anders als eine Mail beim Öffnen des Couverts dem Adressaten dreidimensional entgegengestreckt.

Fantasie kennt bekanntlich keine Grenzen. Pop-ups sind ähnlich wie anspruchsvolle Origami gelebte Geometrie, wenn aus einem Blatt ein dreidimensionaler Gegenstand wird, der ästhetische Qualitäten zeigt. Bei allem Kunstverständnis und bei aller Kreativität von Paul Jackson versteht dieser es nicht, Begeisterung beim Leser zu erzeugen. Die muss der Nutzer bei sich selbst entfachen, was schade ist, denn so kommt das Buch auch im übertragenen Sinne nur in schwarz-weiß daher.


Ellen Norten - 7. August 2014
ID 7999
Paul Jackson | Von der Idee zum Pop-up
128 S., 125 Abbildungen
gebunden Eur 29,90
Haupt Verlag, 2014
ISBN 978-3-258-60092-5

Weitere Infos siehe auch: http://www.haupt.ch


Post an Dr. Ellen Norten



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