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Romankritik

Wider den

politischen

Leinenzwang



Bewertung:    



Wenn die Satire wie ein herrenloser Hund auf der Straße herumlungert, sollte man ihr das nicht krumm nehmen. So ist sie eben. Draußen fühlt sie sich wohl. Hält man sie häuslich, wird sie träge. Dann ist alle Lust dahin. Besser, man lässt sie von der Leine und schaut aus der Entfernung, was passiert. Das kann schief gehen, weil sie unberechenbar ist. Aber genau das liebt man an ihr.

Der Kern dieser politischen Satire [Schlossplatz, Berlin]: In Planung steht eine monströse Badelandschaft seitwärts des Berliner Schlossplatzes. Ein Projekt, das Unsummen von Steuergeldern verschlingt und als symbolisches Forum eines neuen Bürgersinns dienen soll. Doch bisweilen hapert es im Land der Ingenieure an technischem Verstand, so dass Rohre kollabieren und Überschwemmungen zur Verzögerung des Eröffnungstermins führen. Wer die Realität kennt, der weiß: Es geht noch schlimmer und bornierter.

Der Ich-Erzähler, ein namenloser Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Bauausschusses, ist in seinem Wahlkreis unterwegs und strandet nach einem Motorbootschaden auf einer Hallig in der Nordsee. Abgeschnitten von der politischen Welt, gerät er ins Grübeln: Was folgt aus der Tatsache, dass in der Politik alles miteinander zusammenhängt? Was genau ist eine politische Wahrheit? Gibt es überhaupt so etwas wie wahr und falsch in der Politik? Zwei Tage verbringt er auf dieser Insel. Während in der Hauptstadt der politische Wahnsinn tobt, verliebt er sich in die Inselbewohnerin Kathrin Knudson, mit der er seelenruhig durch das Wattenmeer läuft und dabei zu erkennen glaubt, wie einfach die Probleme in Berlin zu lösen sind. Zurück in der Hauptstadt, wird er eines Besseren belehrt. Man kennt das: Aus der Ferne scheinen die Schwierigkeiten stets kümmerlich. Doch sieht man sich mit der kleinteiligen Alltagsrealität konfrontiert, weicht dieser schnöde Optimismus.

Nikolaus Breuel erzählt diese Geschichte auf zwei Ebenen: Einerseits aus der Perspektive des Parlamentariers. Zugleich aber reflektiert eben dieser Erzähler die Geschehnisse als Privatmann, der sich einen Sinn für die grotesken Seiten des Politikbetriebs bewahren konnte. Dadurch verschiebt sich der Horizont der Erzählung. Einerlei, ob es sich um griechische Schuldenberge, milliardenschwere Rettungsschirme, die Senkung der Leitzinsen oder um die absurden Debatten über Eröffnungstermine handelt: Stets muss sich der Held mit Problemen herumschlagen, von denen er nicht die geringste Ahnung hat. Schlimmer noch: Trotz fachlicher Beratung sieht er sich außerstande, Entscheidungen zu treffen, die er als Bürger mit seinem Gewissen vereinbaren kann.

Satire muss überzeichnen, um neue Perspektiven zu eröffnen. Doch bisweilen ist die Wirklichkeit grotesker als die Fantasie. Der Autor, ehemaliger Bahnvorstand, weiß, wovon er spricht: Während der nächtelangen Sitzungsmarathons schlafen Politiker bisweilen ein, liefern sich schlaftrunkene Wortgefechte, und nicht selten wirkt sich ihre notorische Überforderung auf die Verhandlungsergebnisse aus. Indem Breuel aber die Geschichte aus der Sicht eines idealistischen Parlamentariers erzählt, der beschließt, im Haifischbecken der Politik ein guter Mensch zu bleiben, wird sein Roman zur politischen Persiflage. Denn was wäre grotesker als ein solcher Entschluss? Am Ende ist es deshalb Satire, weil sich diese Figur auch der Kontrolle ihres Autors entzieht. Ganz wie ein streunender Hund seinem Herrn.
Jo Balle - 3. Juli 2015
ID 8742
Nikolaus Breuel | Schlossplatz, Berlin
Hardcover, 280 S.
EUR 19.90 [D] | EUR 20.50 [A]
dtv Verlagsgesellschaft, 2015
ISBN 978-3-423-28050-1


Weitere Infos siehe auch: http://www.dtv.de/buecher/schlossplatz_berlin_28050.html


Post an Dr. Johannes Balle



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