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Sachbuch-Kritik

Glanz und

Gloria



Bewertung:    



Statistiken belegen es Jahr für Jahr aufs Neue: 1 Prozent der Weltbevölkerung besitzt mehr als der gesamte Rest der Menschheit. Und der Reichtum dieser kleinen Minderheit wächst unaufhörlich weiter. Wie die Hilfsorganisation Oxfam unlängst ermittelt hat, besitzen mittlerweile 8 Männer soviel wie die ärmere Hälfte der Welt.

Angesichts dieser Diskrepanz beschäftigte den Berliner Journalisten Dennis Gastmann, wie denn diese superreiche Oberschicht eigentlich so lebt. In seinem Buch Geschlossene Gesellschaft geht er dieser Frage nach. Der aufmerksame Leser fragt sich: Warum?

Dafür, dass es angeblich so unglaublich schwierig war, bis in die heiligen Hinterzimmer der Superreichen vorzudringen (wie Gastmann an diversen Stellen erwähnt), haben ihm dann doch einige die Türen geöffnet, um ihm ihre abgeschirmte Parallelwelt zu zeigen oder eher: um ihm ihr Herz auszuschütten. Denn mit soviel Geld lebt es sich weiß Gott nicht einfach. Da musste der Autor sich wohl ein ums andere Mal das Händchen zerquetschen lassen, wenn schmuckbehängte Millionenerben, gealterte Gräfinnen und knallharte Oligarchen auf ihr ach so hartes Leben zurückblickten. Stolz verkündet der Buchrücken, wen er alles getroffen hat: Getanzt mit Chiara Ohoven, diniert mit „Jet-Set-Queen“ Gräfin Gunilla von Bismarck, auf der Bobbahn mit Kunst-Dandy Rolf Sachs und so weiter und so fort.

Das Traurige ist, dass diese B-Promis nicht in der Lage sind, ihrem eigenen Lebensbericht eine für andere Menschen relevante Komponente abzuringen. Und der beflissene, höfisch galante Autor leider auch nicht. So sehr er sich bemüht, seine Gastgeber als irgendwie besondere Menschen darzustellen, umso mehr verfällt er darin, sie devot aus der Froschperspektive zu betrachten. Dankbar nimmt er die von ihnen dargebotene Erzähldramaturgie des eigenen Lebensweges auf, um die Märchen-Biografien seiner Business- oder Adels-Klientel in lauwarme Musterkapitel zu verwandeln. Das ist einfältig konstruiert und wenig informativ.

Der einzige Anreiz dieses Buch zu schreiben, scheint in der Hoffnung bestanden zu haben, dass vom Glanz des Geldes etwas auf den Autor abfärben möge oder sich wenigstens die Verkaufszahlen erhöhen würden. Dafür werden Menschen wie die Party-Gräfin Gunilla von Bismarck bemüht, die am liebsten von ihren zahlreichen Hunden und deren Eigenheiten erzählt oder der aus der TV-Show Die Höhle der Löwen bekannte Unternehmer Jochen Schweitzer bemüht, der reumütig bekennt, dass es häufig seine Fehler waren, die ihn weiterbrachten. Rührend. Man könnte auch sagen: Für Leser der Zeitschriften Gong, Bunte oder Freizeit Revue ein besonderes Vergnügen. Denn Gastmann umschifft in seiner Befindlichkeitsblase jede politische Dimension des Themas gekonnt.

Vom Verlag wird der Titel mit den Worten angepriesen: „Eine Psychologie des Geldes. (…) Charmant, überraschend und garantiert ungeschönt.“ Wer die eben genannten Medien mit Genuss konsumiert, wird dieser Beschreibung uneingeschränkt zustimmen. Die psychologische Erkenntnis des Ganzen kann man kurz umreißen mit: „Geld macht glücklich. Punkt“. Wer da nicht vom Reichtum träumt, ist selber Schuld. Was fehlt, ist die kritische Distanz in den nacherzählten Interviews mit der Geld-Prominenz. Ausladend werden Auffahrten, elektrische Tore und Eingangshallen beschrieben, Vorgärten und Haushälterinnen gepriesen, der ästhetische Geschmack von Säulen oder Marmor-Tierchen goutiert. Einen Reichtumsbericht, wie es der Untertitel suggeriert, hätte man sich anders vorgestellt.

Man weiß nicht recht, was man mit all den unwichtigen Informationen über das Privatleben gelangweilter Trump-Doubles anfangen soll, deren Vergangenheitsbewältigung in epischer Breite ausformuliert ist. Ein genaues Nachhaken bei sensiblen Themen unterlässt Gastmann, und an seinen Schreibtisch zurückgekehrt, scheint er noch immer beeindruckt gewesen zu sein von dem, was er da gesehen und gehört hat. So wird sein Bericht zu einer andächtigen Huldigung der höheren Klasse, die sich alles leisten kann und selbstverständlich auch leistet. Dabei kommt einem das Argument einiger Banker und Politiker in den Sinn, die zum Thema Reichenbesteuerung immer vorbringen, dass diese Superreichen doch ganze Wirtschaftszweige mit ihrem Geld füttern, die sonst wegbrechen würden. Ja, was würde aus den fleißigen Arbeitern bei Lamborghini werden, wenn Jochen Schweitzer nicht gleich zwei gekauft hätte? Tja, er muss es aus Mitleid getan haben. Und der Leser muss Gastmann dankbar sein für seine beschwerliche Reise durch die Luxussuiten und Paläste dieser Welt... Mitnichten, denn tragischerweise blieb sie ohne jeden Mehrwert.
August Werner - 3. Mai 2017
ID 10006
Dennis Gastmann | Geschlossene Gesellschaft
Ein Reichtumsbericht

304 S., Tb.
EUR 9,99
Rowohlt Verlag, 2016
ISBN 9783499630538


Weitere Infos siehe auch: https://www.rowohlt.de/taschenbuch/dennis-gastmann-geschlossene-gesellschaft.html


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