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Wie ist es möglich einen Ort zu finden, dessen Namen man nicht mehr genau weiß und an den man nur wenige Erinnerungen hat und das auch noch mitten im engbesiedelten Indien? Google Earth macht es möglich, denn die märchenhafte und doch wahre Geschichte des Inders Saroo Brierley spielt in der Jetztzeit.

Saroo ist fünf Jahre alt, als er in einen Zug gerät, der ihn ins über 1.000 Kilometer entfernt liegende Kalkutta bringt. Völlig auf sich allein gestellt findet er den Rückweg in seine Heimat nicht mehr und wird zum Straßenkind. Da seine Familie und seine Heimatstadt auch durch eine Hilfsorganisation nicht gefunden werden, wird der Junge als Adoptivkind nach Australien vermittelt. Er lebt mit seinen Adoptiveltern in Hobart und bekommt nach einigen Jahren noch einen indischen Adoptivbruder. Saroo verbringt glückliche Jahre, wird erwachsen, studiert und dennoch beschäftigt ihn immer wieder die Frage nach seiner Herkunft.



"Mittlerweile ist mir klargeworden, dass ich ein wenig Angst um meine Erinnerung hatte und entsprechend defensiv damit umging. Ich hielt seit vielen Jahren leidenschaftlich an ihnen fest, um die Hoffnung nicht zu verlieren, die darin lag. Falls ich mit meiner Suche scheiterte – würde dies womöglich bedeuten, dass ich einen endgültigen Schlussstrich ziehen musste? Wie sollte ich meine Erinnerungen bewahren, wenn sie mir nicht dabei halfen, meinen Ursprungsort und meine leibliche Familie ausfindig zu machen? Die Suche auf gut Glück fortzusetzten würde mir vielleicht auch noch das letzte bisschen Gewissheit nehmen, das ich zu haben glaubte.“ (S. 129)


Wäre es ein Märchen, so käme vermutlich eine gute Fee, die Saroo helfen würde, die schier aussichtslose Suche zu bewältigen. Doch wir leben im Zeitalter der Computer, die mit ihrer Rechnerkapazität Ähnliches bewerkstelligen können. Saroo beginnt mit Google Earth die vielen Bahnstrecken von Kalkutta aus abzufahren. Und tatsächlich, nach Monaten intensiver Arbeit, landet er einen Treffer. Er kann die indische Kleinstadt, in der er aufgewachsen ist, identifizieren. Die Bilder von Google Earth zeigen ihm einen markanten Wasserturm, an den er sich erinnert, einen Fluss, einen Bahnübergang… Um größere Sicherheit zu erlangen, nimmt Saroo Kontakt zu einer Facebookgruppe seines Heimatortes auf. Die letzten Zweifel lassen sich ausräumen.

*

Ein großer Verdienst des Buches besteht darin den nun folgenden emotionalen Konflikt Saroos zu zeigen. Mit dem Auffinden des Ortes ist eben nicht wie im Märchen alles gut, sondern Saroo legt seine widersprüchlichen Gefühle offen: Die Loyalität gegenüber seiner Adoptivfamilie, den Wunsch seine indische Familie wieder zu sehen und ihnen die Ungewissheit zu nehmen, was vor über 25 Jahren mit ihm geschehen ist, sein Bangen vor einem Wiedersehen oder auch die Angst vor einer Enttäuschung, wenn er trotz allem zwar die Stadt, nicht jedoch die Menschen antreffen würde.

Obwohl Saroo aus Indien stammt und in Australien aufgewachsen ist, sind seine Gedanken, Gefühle und inneren Konflikte sehr gut für uns nachvollziehbar. So ist es eben nicht nur ein modernes Märchen, das hier erzählt wird, sondern es ist das bewegende Schicksal eines Menschen, der ungewöhnliches erlebt und verarbeiten muss.

Das Buch ist sprachlich wenig ausgefeilt, aber es ist authentisch. Saroo ist kein Schriftsteller, und er hat sich zum Schreiben auch Hilfe [Larry Buttrose] geholt, aber er hat es geschafft uns für sein Leben zu interessieren, nicht nur weil es spektakulär ist, sondern auch weil es viel Stoff zum Nachdenken liefert.

Ellen Norten - 2. August 2017
ID 10172
Saroo Brierley und Larry Buttrose | Lion
Der lange Weg nach Hause

256 S., Softcover m. farb. Abb.
EUR 11,90
Ullstein Verlag, 2017
ISBN 978-3-548-37647-9


Weitere Infos unter http://www.ullsteinbuchverlage.de


Post an Dr. Ellen Norten

Die Suche nach den eigenen Wurzeln
Filmkritik zu Lion (USA/AUS/GB 2017)



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