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„Merde, Bro,

merde Dude.“



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Für ihre Liebe zu Shakespeare war Virginia Woolf, die vielleicht bedeutendste britische Schriftstellerin der Moderne, bekannt. Nun veröffentlichen just bei Hogarth Press, dem Verlag, den sie 1917 mit ihrem Mann Leonard gründete, bekannte englischsprachige Schriftsteller wie Jeanette Winterson oder Edward St. Aubyn Romane, die das feine Gewebe ausgewählter Dramen Shakespeares weiterspinnen. Margaret Atwood reiht sich mit Hexensaat in die Reihe der prominenten Autoren ein, die im Rahmen des „Hogarth Shakespeare“-Projektes einen Roman vor dem Hintergrund eines Dramas Shakespeares schreiben. Die Kanadierin, die dieses Jahr den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhält, suchte sich mit Der Sturm eines der weniger bekannten Werke Shakespeares aus. Der Sturm enthält sowohl komische als auch tragische Elemente und eine Fülle widersprüchlicher Figuren und komplexer Handlungsstränge. Atwood greift viele Motive aus Der Sturm auf, lässt das Drama aber auch in besonderer Form im Roman zur Aufführung bringen:

Der bekannte Theatermacher Felix ist vom Schicksal gebeutelt. Er verliert erst seine Tochter Miranda, die im Alter von nur drei Jahren verstirbt. Dann geht er durch eine Intrige seiner engsten Mitarbeiter auch seiner Arbeit verlustig. Tief gekränkt leidet Felix zunächst unter großer Hoffnungslosigkeit, dann sinnt er auf Rache. Viele Jahre später leitet er unter neuem Namen mit neuer Identität die Theatergruppe einer Justizvollzugsanstalt. Durch Zufall gelangen die Verräter von damals in seine Nähe, um vor Ort der Aufführung von Der Sturm beizuwohnen. Eine willkommene Gelegenheit, die Felix gerne am Schopf greift, um dem Drama eine neue Wendung zu geben.

Zentrale Themen von Shakespeares Drama, wie etwa Gefangenschaft, Rache und Magie, werden von Atwood literarisch gekonnt aufgegriffen und vielfach auf originelle Wese in einen illustren Romanplot übersetzt. Vielen der Figuren, wie etwa der Miranda, gewinnt Atwood dabei neue Seiten ab. Auch der Kniff, dass sich die Charaktere durch ihre Inszenierung von Shakespeares Drama intensiv selbst mit den Figuren des Stückes auseinandersetzen, gelingt. Insbesondere die Gedankenwelt und Sprache der Gefängnisinsassen erscheint recht authentisch, wenn sie sich damit auseinandersetzen, welche Rolle sie denn nun eigentlich spielen wollen und wie sich das Drama fortsetzen könnte. Liebhaber von Shakespeares Der Sturm kommen hier voll auf ihre Kosten.

Eine große Schwäche des Romans ist, dass die Story manchmal arg schablonenhaft und holzschnittartig wirkt. So vergehen zu Anfang des Plots wenig plausibel mehrere Jahre, in denen beinahe nichts passiert. Arg unrealistisch ist auch, dass die Vorbereitungen zu Der Sturm im Gefängnis bis zum übersteigerten Finale allzu harmonisch und glatt verlaufen. Es fehlt an Wendungen, wenn sich alles scheinbar problemlos ineinander fügt und keine der ehrgeizigen Regieideen kippt. Obwohl der Justizvollzug bekanntlich Konfliktpotential birgt, gibt es beinahe keine nennenswerten Spannungen der Gefängnisinsassen untereinander, was nicht gerade zur Spannung des Romans beiträgt. Einzig die Analysen erscheinen hier unterhaltsam, bei denen sich die Charaktere auch im Alltag mit den Figuren auseinandersetzen, die sie spielen wollen. So zweifelt etwa Felix, sich selbst die Rolle des Prospero auferlegend, wenn er den helfenden Luftgeist Ariel aus Shakespeares Sturm anruft:


"'Erschein, mein Ariel. Komm', intoniert er. Seine Stimme klingt falsch. Wo ist die authentische Stimmlage, der richtige Ton? Wie war er je auf den Gedanken gekommen, dass er diese unmögliche Rolle spielen könnte? Prospero vereint in sich so viele Widersprüche! Titeltragender Adliger, bescheidener Einsiedler. Weiser alter Zauberer, rachsüchtiger alter Einfaltspinsel. Reizbar und unvernünftig, nett und fürsorglich. Sadistisch, versöhnlich? Zu misstrauisch, zu vertrauensvoll? Wie jede leise Nuance in Bedeutung und Intention vermitteln? Es ist unmöglich. Bei der Aufführung dieses Stücks wird seit Jahrhunderten gemogelt. Textstellen wurden gestrichen, Sätze verändert in dem Bestreben, Prospero auf ein schmales Feld zu beschränken. Man versuchte, ihn entweder zum einem oder zum anderen zu machen. Versuchte, ihn passend zu machen." (S. 192)
Ansgar Skoda - 6. Oktober 2017
ID 10300
Buch-Link: https://www.randomhouse.de/Buch/Hexensaat/Margaret-Atwood/Knaus/e474150.rhd


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