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Welche

Flucht?



Bewertung:    



„Alles, woran es ihm mangelt, hat einen Urgrund: das verschlossene Paradies. Die reine Heimat ist seine Weltformel.“ (Ilija Trojanow, Nach der Flucht, S. 62)


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Das Buch Nach der Flucht vereint freie Assoziationen, die verallgemeinernd eine Perspektive „des Flüchtlings“ wiedergeben wollen, dem die Flucht gelungen ist. Ohne sich auf eine Textgattung festzulegen gliedert sich das Werk in kurze Abschnitte mit teils rückwärtig laufenden Nummern, die nicht notwendigerweise aufeinander aufbauen. Hier stehen Sätze wie: „Kann sich nicht bewegen. Weiß nicht, worauf er wartet. Stößt auf ein Wort: Niemandsland. Schlägt seine Zelte dort auf.“ (S. 61) und „Die Ängste der Einheimischen sind Projektionen auf seinen ungeschützten Körper. Die ständige Defensive. Dieses Zehenspitzige.“ (S. 55)

Der gebürtige Bulgare Ilija Trojanow nimmt für sich in Anspruch für die Geflüchteten zu sprechen, weil er ein ebensolcher sei. Doch dies erscheint anmaßend, wenn man bedenkt, wovor etwa Syrer nach Europa flüchten und unter welchen unmenschlichen Bedingungen sie das tun müssen. Demgegenüber reiste Trojanow 1971 mit seiner Familie über Jugoslawien und Italien nach Deutschland. Sowohl Ursachen und Umstände dieser „Flucht“ sind nicht vergleichbar mit dem, was die derzeitigen Flüchtlinge meist erlebten. Hier erscheint es anmaßend, dass sich Trojanow mit ihnen gemein macht, obschon seine eigenen Fluchtbedingungen dagegen geradezu privilegiert anmuten.

Selbstgefällig gibt der Autor den Bohemien, der kosmopolitisch-weltläufig einer Heimatlichkeit beraubt ist und gerade dadurch die Menschen erkennen könne. Der Geflüchtete wird kurzerhand „Fremdkehrer“ genannt, was wohl ein Gegenstück zum Heimkehrer sein soll. Die kurzen Texte kokettieren mit seinem Thema in allen Lebenslagen und zu allen Anlässen: „Das Leben nach der Flucht ist für manche wie Schrumpfen, wie Verschwinden. In dieser Fremde sterbe ich, und du merkst es nicht… Ein Ausharren im Wartesaal der Wiedergeburt.“ (S. 23)

Ohne die gegenwärtige humane Katastrophe wäre dies vielleicht zu belächeln, nun aber erscheint es ärgerlich und geradezu grotesk. Trojanow ist kein unbeschriebenes Blatt. Er erhielt dieses Jahr den Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln und stand bereits mit dem viel gelobten Der Weltensammler 2006 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Mit dem gewollt poetischen Nach der Flucht bürdet Trojanow sich und seinen Lesern allzu viel auf, ohne dem mehr denn je aktuellen Thema etwas wirklich Sinnreiches abzugewinnen. Die kurzen Sentenzen erscheinen wie ein wüster Zettelkasten; mal pathetisch, oft peinlich, meist kryptisch: „Der Geflüchtete ist sich bewusst, dass sein Haus ganz anders aussehen könnte. Er macht eine Inventur seiner Segnungen.“ (S. 53)

Ansgar Skoda - 20. September 2017
ID 10262
Buch-Link: http://www.fischerverlage.de/buch/nach_der_flucht/9783103972962


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