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Lars Dangel ist unterwegs in Antiquariaten. Die Aufgabe, die er sich gestellt hat, ist nicht leicht. Er will Geschichten finden - anspruchsvolle Geschichten - die in der Zeit zwischen 1890 und 1945 geschrieben wurden. Er will Seltenheiten der klassischen phantastischen Literatur aufspüren, und er hat sie gefunden. Die Namen der Autoren sind bis auf Max Brod nicht geläufig, und die ursprünglichen Publikationsorgane ebenso. In seinem Vorwort [zu Hinter dem Quecksilber] legt Lars Dangel die Gründe für seine Sisyphusarbeit dar:


„Gerade der Bereich der Unterhaltungsliteratur wurde über Jahrzehnte hinweg von der Literaturforschung schlichtweg ignoriert und eigentlich muss man feststellen, dass man in der Erforschung der Phantastischen Literatur bei fast Null anfangen muss.“ (S. 13)


Viele Geschichten entstammen der zum Wegwerfen bestimmten Gebrauchsliteratur, sie waren in Zeitschriften oder literarischen Beilagen von Tageszeitungen abgedruckt, fanden sich auch im Romanheft-Sektor. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass so viele Texte aufgefunden werden konnten. Und sie kommen so verschieden daher wie es nur sein kann. So ist Die Erzählung eines Irrenhäuslers von Dr. E. Budde ein ausgesprochen kurioses, witziges Stück:


„… ich trage den Zopf eines Chinesen im Magen. Und nun weiß ich nicht, soll ich Bitterwasser trinken, oder soll ich ihm eine Flasche Haaröl angedeihen lassen, …“ (S. 39)



Während Peter Baums Im alten Schloss alle Register der uneingeschränkten Gewalt und Brutalität bedient:


„Ich nahm meine großen Bulldoggen mir zur Seite. Die hatten einen baumlangen Bauern zerrissen, weil selbiger mir wehren wollte, sein Weib zu besuchen, welches sehr arg nach mir verlangte." (S. 102)


Oder wir stoßen auf unerwartete, zügellose Erotik, die die Bewohner eines Ortes „überfällt“.


„ Vor ein paar Wochen flogen die roten Dinger zum ersten Mal in unser Dorf. Erst wenige nur. Dann wurde es ein Schwarm. Und endlich schien die Luft nur noch aus ihnen zu bestehen. Da kam es auch über uns Menschen. Gärendes, jähes Verlangen. Alles fiel wie toll geworden übereinander her. Alle taten es den Schmetterlingen gleich. Es war wie eine ansteckende Krankheit, wie ein Wahnsinn, wie ein Verzaubert werden. Als dufteten die abertausend Dinger nichts anderes aus wie eine den Menschen toll machende wilde Gier nach Liebe.“ (S. 89)


Die Die purpurroten Schmetterlinge von Robert Fuchs-Liska wurde 1915 in Berlin veröffentlicht, passender Weise in „Der Haschischraucher“. In den biografischen Anmerkungen erfahren wir gut recherchierte Informationen über die Autoren, über deren manchmal außergewöhnliche Lebenswege sowie deren zeitgenössische Einschätzung ihrer Literatur. So wird die „Berliner Zeitung am Mittag“ zum Tod von Peter Baum zitiert:


„Peter Baum war unbekannt. Er soll auch nicht posthum zum großen Genie oder zu einer verlorenen Zukunftshoffnung ausgeschrien werden…“ (S. 273)


Hier soll den meist unbekannten Autoren ein kleines Denkmal gesetzt werden, und das Buch verspricht dies nicht nur vom Inhalt her, sondern auch von seiner Ausstattung. Die schweren Seiten sind glatt und fest, der Einband gediegen mit einem Schutzumschlag, der nicht beim nächstbesten Anfassen einreist. Es ist ein Gebrauchsbuch, das Reisen oder längere Aufenthalte in Kellern oder Speichern getrost übersteht. Jedes Exemplar ist nummeriert und von Herausgeber Lars Dangel sowie von Grafker Heiko Schulze signiert und wird so zu einem persönlichen Buch. Mit seiner kleinen Auflage von gerade einmal 150 Stück ist das Buch als Sammlerobjekt konzipiert und nicht über den normalen Buchhandel zu beziehen. Doch der Leser muss sich nicht auf eine Reise durch gut sortierte Antiquariate begeben, der Band der Edition CL ist noch via Internet erhältlich, und es lohnt sich wirklich die 25 Perlen aus dem Schatz der klassischen Phantastik für den eigenen Bücherschrank zu heben.
Ellen Norten - 18. April 2017
ID 9972
https://cthulhulibria.wordpress.com/programm/hinter-dem-quecksilber/


Post an Dr. Ellen Norten



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