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Der Bestseller der Norwegerin Maja Lunde schildert Die Geschichte der Bienen und gleichzeitig die Geschichte der Menschheit, denn ohne die Bienen haben wir kaum eine Chance zu überleben. Das Buch handelt von drei Protagonisten und ihren Familien aus drei verschiedenen Epochen.

William ist ein erfolgloser Biologe, hielt bislang seine Familie mit einem Samenladen über Wasser und liegt nun manisch depressiv im Bett. Bis er sich eines Tages aufrafft, um einen neuartigen Bienenstock zu erfinden. Er lebt in England im Jahr 1852 zur Zeit der Industriellen Revolution. - Der Imker George ist 2007 in den USA beheimatet, muss dem beginnenden Massensterben der Bienen zusehen und versucht verzweifelt, seine Bienenzucht aufrecht zu erhalten. - Die Blütenbestäuberin Tao fristet ihr Leben 2098 in China. Nach dem Bienensterben kam es zu einer weltweiten Apokalypse, und die Überlebenden müssen trotz stark reduzierter Bevölkerung hart arbeiten, um sich zu ernähren. Tao entwickelt großen Ehrgeiz, um ihrem kleinen Sohn Wei Wen eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Die Autorin Maja Lunde ist eigentlich Kinderbuchautorin, doch als sie vor ein paar Jahren die Filmdokumentation More Than Honey (2012, Regie: Markus Imhoof) sah, wusste sie, dass sie ein Buch über Bienen schreiben wollte. Aber es sollte kein Kinderbuch und auch kein Sachbuch sein. So verpackte sie Historisches und Fakten über Bienen in drei spannende Familiengeschichten, die sie parallel angeordnet hat und die zunächst zusammenhanglos erscheinen. Mit William beginnt der Aufbruch zu industrieller Honiggewinnung, George steht am Ende der Entwicklung, und Tao fristet ein Leben ohne Bienen in einer postapokalyptischen Welt. Lunde ist ein Überraschungserfolg gelungen, denn das Buch traf einen Nerv der Zeit, weil immer mehr Menschen sich Gedanken über die Zukunft des Planeten machen. Mit der fiktionalen Erzählform setzt Lunde Möglichkeiten um, die ihr in Form eines Sachbuchs nicht gelingen würden. Sie kann die LeserInnen emotional und auf empathischer Ebene erreichen, ohne allerdings Frustration, Angst oder Mutlosigkeit zu schüren.

Wobei man als LeserIn schon mal wütend über William werden kann, der seinen einzigen und nutzlosen Sohn verherrlicht, während er seine wesentlich tüchtigeren Töchter nur als Belastung empfindet. Das liegt wohl daran, dass er als Kind von seinem Vater immer als Versager hingestellt wurde und auch später nicht die gewünschte Anerkennung von Autoritätspersonen erhielt. Diese Würdigung seiner Person wünscht er sich von seinem Sohn, den er beeindrucken will, der aber lieber seine eigenen niederen Interessen verfolgt.
Auch George hat ein gespanntes Verhältnis zu seinem erwachsenen Sohn Tom. Das liegt an der Sprachlosigkeit zwischen beiden. Während George mit den immer selben, konventionellen Mitteln seine Bienenzucht retten will, hat Tom ganz andere Ansichten und Kenntnisse über die industrielle Landwirtschaft. Tom liebt seinen Vater und hilft ihm, aber ihm sind die Hintergründe und Ursachen des Bienensterbens wesentlich bewusster als George. Die CCD, Colony Collapse Disorder, bei den Bienen ist menschengemacht.

Tao ist wohl diejenige, mit der am meisten mitgefiebert wird. Fast spürt man ihre schmerzenden Glieder, wenn sie den ganzen Tag vorsichtig in den Obstbäumen herumklettern muss, um die Blüten zu bestäuben. Es herrscht Redeverbot, so dass eine gespenstische Stille herrscht. Fast hört man ihren knurrenden Magen, wenn sie die mitgebrachte Büchse mit dem Reisgericht geleert hat, bevor der Hunger gestillt ist. Man fragt sich, ob das noch schlimmer werden kann. Kann es. Bei einem Ausflug ins Freie bekommt ihr kleiner Sohn Atemnot und wird in ein Krankenhaus ins weit entfernte Peking verfrachtet. Die Informationen der Behörden fließen spärlich oder gar nicht, und so begibt sich Tao nach Peking, um nach ihrem Jungen zu suchen. Die einst bevölkerungsreiche Stadt ist fast leer und verwahrlost, da die meisten Überlebenden in ländliche Regionen umgesiedelt wurden, um die Ernährung sicherzustellen. Die Menschenleere macht das Ausmaß der Katastrophe besonders deutlich, wie auch die Begegnungen mit wenigen Ausgestoßenen, die in der verfallenden Stadt ums Überleben kämpfen.

Maja Lunde schildert nicht nur das Geflecht von Abhängigkeiten und Aufgaben in einem Bienenstock, sie zeigt die Analogie dazu in unserem Dasein als Menschen. Wenn man ein bisschen garstig ist, kann man sagen, dass William und sein Sohn mitunter wie Drohnen sind, die mit durchgefüttert werden, weil sie zur Fortpflanzung unerlässlich sind. Das System wird aber von seiner Frau und den vielen Töchtern aufrecht erhalten, die unermüdlich wie die Arbeiterinnen bei den Bienen ihren Einsatz leisten, ohne dafür gewürdigt zu werden. Durch die drei Epochen wird sehr deutlich, dass das, was wir heute tun oder nicht tun, Auswirkungen auf zukünftiges Geschehen hat. Es hängt alles zusammen, und wenn ein Teil des komplexen Systems nicht mehr funktionsfähig ist, dann kann es zum Kollaps des Ganzen führen. Umgekehrt können unsere Erkenntnisse und Handlungen auch zur Besserung der Lage beitragen. Maja Lundes Buch endet mit der Hoffnung und einem konstruktiven und verblüffend einfachen Lösungsvorschlag für die Zukunft, nachdem sie auf geniale Art und Weise die Erzählstränge zusammengeführt hat.
Helga Fitzner - 2. September 2017
ID 10227
Link zum Buch: https://www.randomhouse.de/


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