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Das Warten hat endlich ein Ende. Die Fans von Dan Brown hatten seit dem vierten Roman der Robert-Langdon-Reihe Inferno (2013) schon ungeduldig gewartet. Als dann Anfang Oktober 2017 Origin herauskam, war das schon so gigantomanisch, wie Browns Romane: Es geschah zeitgleich, weltweit, fertig in 56 Sprachen übersetzt mit insgesamt 200 Millionen Exemplaren. In Deutschland schnellte Origin sofort in die Charts und führt seitdem die Bestsellerlisten an. Aber selbst die eingefleischte Fangemeinde gibt zu, dass das „Rezept“ der Romane immer das Gleiche ist und Brown in dieser Hinsicht offensichtlich keine Experimente macht. Oder wenn, dann sind es eher Nuancen - und die enttäuschen nun wieder die Erwartungshaltung anderer an die Neuerscheinung. Es ist schwer, es allen recht zu machen.

Größer, höher und weiter geht es aber nicht mehr, denn Brown verspricht, die großen Menschheitsfragen zu beantworten: Woher wir kommen und wohin wir gehen. Das ruft die etablierten Kirchen auf den Plan, denn der fiktive Futurologe Edmond Kirsch behauptet, dass seine Entdeckungen das Ende der Religionen bedeuten würden. Kirsch ist ein ehemaliger Student des Harvard-Professors Robert Langdon, der religiöse Ikonologie und Symbologie unterrichtet. Kirsch kann die live ausgestrahlte multisensorische (!) Medienpräsentation nicht zu Ende bringen, weil er vor laufenden Kameras von einem Attentäter ermordet wird. Das setzt die neue, fünfte Schnitzeljagd in Gang, auf die sich Robert Langdon begeben muss, um das Geheimnis doch noch zu lüften.

Dieses Mal geht es weniger hektisch zu, die Handlung spielt sich nur in einem Land ab, in Spanien. Die gewählten Orte sind natürlich spektakulär, angefangen beim Guggenheim-Museum in Bilbao, das vom Meisterarchitekten Frank Gehry ersonnen wurde und das seit 1997 ein Publikumsmagnet ist. Von dort aus wollte Kirsch seine Forschungsergebnisse in die Welt tragen in Anwesenheit der Museumsdirektorin Ambra Vidal. Nun trifft es sich, dass die bemerkenswert schöne junge Frau mit dem (fiktiven) spanischen Kronprinzen Julian verlobt ist, dessen Vater im Sterben liegt und der kurz vor der Thronübernahme steht. Die vornehmlich jungen Spanier erhoffen sich von dem werdenden Regenten Reformen, während insbesondere der Klerus um seine Machtposition fürchtet. Da Ambra baskischer Herkunft ist und eine moderne, berufstätige Frau in guter Position, ist das Echo auf die Brautwahl des Kronprinzen sehr geteilt. Ausgerechnet mit dieser Frau muss Langdon vor etlichen Verfolgern fliehen, um seinen Ruf und sein Leben zu retten: mit der katholischen Kirche, den Sicherheitsorganen des Königshauses und einer unbekannten Kraft auf den Fersen.

Wie gut, dass Winston treu an seiner Seite ist. Er ist mehr als nur ein Computerprogramm, die Künstliche Intelligenz wächst Langdon und Vidal zunehmend ans Herz. Winston, ein Meisterwerk seines Schöpfers Edmond Kirsch, ist ein Organisationstalent, betätigt sich als genialer Fluchthelfer und hält Langdon auf dem Laufenden, was die Verfolger angeht. Neben Winston spielen auch die Medien eine große Rolle, denn insbesondere eine Plattform mit verschwörungstheoretischen Inhalten ist erstaunlich gut auf dem Laufenden. Dieses Mal scheint die ganze Welt Langdons Schritte zu verfolgen, der auf der Suche nach dem Passwort ist, um die Enthüllungen von Kirsch doch noch starten zu können. Sein Weg führt ihn nach Barcelona, u.a. in die Casa Milà, einem Gebäude des legendären Architekten Antoni Gaudi, das Kirsch zuletzt als Wohnsitz gedient hatte. Die Spur führt weiter in Gaudis bis heute unvollendete Basilika Sagrada familia, in der sich ein weiteres Puzzleteil befindet.

Brown setzt in Origin sein bewährtes Prinzip parallel montierter Handlungen fort, die jeweils mit Cliffhanger oder kurz vor einer Erklärung oder Lösung enden, und dadurch für viel Spannung und Tempo sorgen. Doch dieses Mal ist es moderater als in dem atemlosen Thriller Inferno. Brown „doziert“ ausgiebiger als sonst. Er geht auf die Entstehungsgeschichte der Menschheit und der Religionen ein, erklärt diverse Theorien wie die von Darwin oder religionsgeschichtliche. Da die Computertechnik und die Künstliche Intelligenz eine große Rolle spielen, speist er auch viele technische Details ein, die er gut verständlich erklärt. Doch bis zum Schluss versteht der Leser nicht, warum das so wichtig ist und so kommt der „Erklär-Bär“ bei einigen nicht gut an.

Besonders gelungen sind Browns Erläuterungen der Geschichte Spaniens, das bis 1975, dem Todesjahr Francos, eine unselige Allianz von Faschisten, der katholischen Kirche und dem spanischen Königshaus eingegangen war und oft nicht den Interessen der in Spanien lebenden Völker diente. Wir lernen viel über die spanische Jugend, die die letzten Schatten des Faschismus abstreifen möchte, sich zunehmend dem Einfluss der katholischen Kirche entzieht und die Monarchie am liebsten abschaffen würde. Das steht im diametralen Gegensatz der noch amtierenden Mächte, die entsprechende Maßnahmen für ihren Machterhalt ergreifen. Bei Brown ist einer der potentiellen Bösewichte folglich auch ein Bischof, der zugleich auch jahrzehntelanger Berater des Königs war. Ihm werden sogar Morde angelastet, denn irgendeine ominöse Kraft scheint im Hintergrund so einige Strippen zu ziehen. Das passt gut ins Profil des Bischofs, der sich dem Erhalt der Kirche und der Monarchie verschrieben hat...

Wenn wir schon über Religion reden: Es wäre Sünde, das Ende zu verraten. Am Schluss lösen sich alle Fragezeichen auf, und es kommt für Langdon zu einer unerwarteten Überraschung und das Durchhalten über 670 Seiten hat sich für die Leserschaft gelohnt. Dan Browns Bücher sind für ein Millionenpublikum konzipiert und obwohl viele Kritiker wegen der wenig kreativen Sprachgebung und mitunter abgeflachten Stereotypen unken, spricht der internationale Erfolg der Bücher seine eigene Sprache. Für Origin müssen die deutschen Leser 28 Euro investieren, und sie tun es.
Helga Fitzner - 22. Oktober 2017
ID 10330
Buch-Link: https://www.luebbe.de/bastei-luebbe/buecher/thriller/origin/id_6291120


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