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Buchkritik

Die Avantgarde

frisst ihre

Kinder





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Manchmal brezelt sich das Leben auf, legt sich einen betörenden Nackenduft zu und zwinkert dämlich. Vergessen sind die Tage, an denen es mit kleinkarierten Angewohnheiten auftrumpfte, wetterfeste Klamotten anzog und auf einer vernünftigen Haushaltsplanung beharrte. Das Dumme an den glorreichen Tagen ist ihre Halbwertszeit. Okay. Ist vielleicht besser, wenn sich das Leben hin und wieder verausgabt. So bleibt wenigstens die Nostalgie. Nach dem Motto: Kinder, was waren das für Zeiten. Aber auch darüber kann man streiten, wie die Geschichte der Freunde Aurora, Antero und Emiliano zeigt.

Sie treffen sich am Grab ihres Freundes Andrei Dukelsky, genannt Duke, in der sengenden Hitze der brasilianischen Stadt Porto Alegre. Duke kam bei einem Raubunfall ums Leben, bei dem es um ein lausiges Handy ging. Gleichzeitig legt ein Streik im Jahre der Weltmeisterschaft 2014 das geschundene Land lahm. Und auch das Leben der Freunde stagniert. Einst war es wie eine Wundertüte. Jetzt sind alle Leckereien weggeputzt.

Daniel Galera ist ein Star der brasilianischen Literatur. Mit dem Roman So enden wir will er hoch hinaus. Sagen wir so: Galera versucht sich an einem Generationenroman der digital natives. In ihrer Jugend zählten die Freunde zur Avantgarde der digitalen Gegenkultur und gründeten das hochgelobte Fansize „Orangotango“. Fünfzehn Jahre später ist die Welle verebbt. Das Internet, einst ein gefährliches Raubtier, kauert wie ein Schmusekater auf den Sofas der Welt.

In sprachgewaltigen Parlandos ergreifen die Freunde das Wort. Da ist Aurora, die Genetikerin, Emiliano, der Journalist und Antero, der sich als Marketing-Experte einen Namen gemacht hat. Die polyperspektivische Erzählweise bietet den Vorteil einer kurzweiligen Gesamtschau, so dass der Leser die unterschiedlichen Hindernisse und Sehnsüchte der Figuren in Augenschein nehmen kann. Dabei wird deutlich, dass jeder auf seine Weise krachend gescheitert ist. Auch der Schriftsteller Duke, dessen fragmentarisches Werk nun, nach seinem Tode, Konjunktur hat.

Die Mittelschicht Brasiliens verkeilt sich in die Depression. Das Land verroht und allmählich gehen die Ideen aus, wie es in die Gänge kommen kann. Auch die Freunde haben keinen Plan, wie ihr Leben noch gelingen könnte. In ihren Geschichten spiegelt sich das postmoderne Drama, wonach es keine gültige Erzählung vom Leben, seiner Exzentrik und Brutalität gibt. Einstige Träume kehren als messerscharfer Bumerang zurück. Am Ende ahnt man, dass Daniel Galera nicht von der Ausweglosigkeit der Überlebenden erzählt, die keine Ahnung haben, wie sie ihre Träume beerdigen sollen, sondern von Dukes Glück, dem Wahnsinn dieser Aufgabe entronnen zu sein.



Jo Balle - 30. April 2018
ID 10917
Link zum Buch: https://www.suhrkamp.de/buecher/so_enden_wir-daniel_galera_42801.html


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