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Rezension

Michaela Karl | Ladies and Gentlemen, das ist ein Überfall!

Die Geschichte von BONNIE & CLYDE
Residenz Verlag, 2013
ISBN 978-3-7017-3282-1




17 Tote und ein Mythos

Sie sind fast noch Jugendliche und werden 1934 in den USA zu Staatsfeinden Nr. 1 erklärt. Ihnen glückt kein wirklich spektakulärer Überfall, und sie entwickeln sich trotzdem zum Mythos. Manchmal erbeuten sie weniger als 100 Dollar, verfahren sich auf der Flucht oder bleiben im Matsch stecken, trotzdem gelten sie als das berühmteste Gangsterpärchen aller Zeiten. Warum dies so ist, erklärt Michaela Karl in ihrer spannenden Biografie über Bonnie Parker und Clyde Barrow, die die beiden in ihrer Zeit, nämlich während der Weltwirtschaftskrise und der “Großen Depression“ in den USA zeigt. Das Buch ist damit nicht nur eine Biografie, es ist auch ein Kapitel Zeitgeschichte.

Arbeitslosigkeit und bittere Armut sind kennzeichnend für die zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Farmer können von der Bewirtschaftung ihrer Felder nicht mehr leben. Viele Banken gehen pleite und vernichten dabei das mühevoll ersparte Geld ihrer Kleinanleger. So empfinden es viele Leute fast schon als gerecht, wenn Banken ausgeraubt werden. Bonnie und Clyde genießen für ihre Überfälle Sympathie, zudem sie mit der Beute auch noch ihre Familien unterstützen. Dazu verkörpert das Leben der beiden Outlaws und ihre wildromantische Liebe in der harten Zeit für manchen einen heimlichen Traum.

Doch mit Romantik hat die Realität des Gangsterlebens wenig zu tun. Dies belegt die Autorin mit zahlreichen Quellenangaben. Bonnie und Clyde sind nahezu ständig unterwegs. Da sie meist nur sehr wenig Geld erbeuten, jagt ein Überfall den nächsten. Außerdem stehlen sie ständig neue Fluchtfahrzeuge, um nicht erkannt zu werden. Oft leben die beiden mit ihren wechselnden Bandenmitgliedern ganz im Auto, auf der Straße oder im Wald. Nach einem Verkehrsunfall ist Bonnie so schwer verletzt, dass sie bis zu ihrem Tod kaum gehen kann und von Clyde getragen werden muss. Eine Behandlung in einem Krankenhaus ist für sie unmöglich.

Die Situation des Gangsterpaars ist ausweglos. Nachdem mehrere Menschen bei den Überfällen getötet wurden, muss Clyde bei einer Festnahme mit der Todesstrafe rechnen. Die einzige Alternative wäre im Ausland unterzutauchen, doch das kommt für die beiden Familienmenschen nicht in Frage. Beide besuchen regelmäßig ihre Familien, ein Leben ohne diese geheimen Treffen ist für sie unvorstellbar. Bei einer dieser Begegnungen schildert Clyde seiner Schwester Nell, wie es für ihn war, als er bei einer Schießerei wieder Menschen tötete.


„So, wie ich mich immer dabei fühle –schlecht – schlecht und krank und schwach – und mit dem unbestimmten Wunsch niemals geboren worden zu sein. Weißt Du Schwesterchen, es ist schwer, dir das begreifbar zu machen, weil du nie in einer solchen Situation warst. Aber das geht alles so schnell und passiert innerhalb eines Augenblicks – du bist da und sie sind da – sie haben ihre Waffen und du hast deine – und du weißt, es werden entweder sie sein oder du, und da ist keine Zeit für Überlegungen. Du beißt die Zähne zusammen und wehrst dich – und sie tun dasselbe, bis du sie besiegt hast oder sie dich. In dem Fall werden sie die Geschichte am nächsten Tag erzählen und nicht du. Dann ist es irgendwann vorbei und es gibt kein Zurück mehr – du hast einen Menschen getötet – du siehst ihn da liegen, wenn es hell ist und du noch Zeit hast, ihn zu betrachten. Das Leben ist aus ihm gewichen – du hast es ihm genommen – er wird nie wieder leben und atmen und lachen. Aber wenn er dich besiegt, wirst du dort liegen.“ (S. 160, 161)


Clyde Barrow ist ein Mörder und Bonnie Parker hat ihn dabei unterstützt. Michaela Karl macht nicht den Fehler die beiden zu glorifizieren. Sie zeichnet das Bild jener Zeit, erklärt Umstände und Ursachen, aber sie entschuldigt nichts. Am Ende erwartet das Paar ein feiger Verrat. Bonnie und Clyde geraten in einen Hinterhalt und werden ohne Vorwarnung mit 107 Kugeln von einer sechsköpfigen Sondereinheit getötet. Noch am Ort des grausamen Geschehens nimmt der Mythos um die beiden makabere Formen an.

Schaulustige versuchen Souvenirs in Form von Gewehrkugeln oder blutigen Stofffetzen davon zu tragen. Später wird der Wagen, in dem die beiden starben, für 250.000 Dollar verkauft, das Todeshemd von Clyde für 85.000 Dollar versteigert. Mit diesen Summen hätten die beiden ihr ganzes Leben famos und legal finanzieren können. Ihre Beutezüge brachten dagegen nur einen Bruchteil davon zusammen. Ein Wunsch von Clyde Barrow dürfte posthum aber trotz allem in Erfüllung gegangen sein. Auch 80 Jahre nach ihrem Tod sind die beiden das wohl bekannteste Gangsterpärchen aller Zeiten, eine Berühmtheit, die er sich zu Lebzeiten immer gewünscht hatte.

Ellen Norten - 6. Dezember 2013
ID 7433
Michaela Karl | Ladies and Gentlemen, das ist ein Überfall!
301 Seiten
gebunden
EUR 24,90 / sFr 34,60
Residenz Verlag, 2013
ISBN 978-3-7017-3282-1



Siehe auch:
http://www.residenzverlag.at


Post an Dr. Ellen Norten



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