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Rezension

Eskhol Nevo | Neuland

Roman
dtv 2013
ISBN 978-3-423-28022-8




Zufälle und Schicksale: Das Spiel mit den Eventualitäten treibt alle Menschen um. Dieses Nachdenken über die Wahrscheinlichkeiten des „was wäre, wenn“ sind aber nur der Ausdruck eines Unbehagens, nicht zu wissen, wie das eigene Leben hätte verlaufen können, wenn wir es mit der Vergangenheit in Verbindung bringen. Der israelische Schriftsteller Eskhol Nevo betreibt in seinem neuen Roman Neuland genau diese Gedankenspiele, denkt auf 637 Seiten über das Leben nach, das wir nicht leben – entwirft die Utopie eines Neuanfangs aus einer neuen Sicht.

Im Jahr 1902 veröffentlichte Theodor Herzl Benjamin, der Gründer des Zionismus, seine utopischen Roman Altneuland. Das Buch beschrieb seine Vision von Israel, ein halbes Jahrhundert vor der Gründung des Staates Israel. Er formulierte darin einen Entwurf für eine politische und gesellschaftliche Ordnung eines jüdischen Staates in Palästina und vertrat auch die Auffassung, die in Palästina lebenden Araber würden die neuen jüdischen Siedler freudig begrüßen. Es war eine Utopie, entworfen in der jüdischen Diaspora von Wien, die sich bis zur heutigen Zeit nicht verwirklicht hat.

"Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen!" Dieser Satz steht am Anfang des Staates Israel, am Anfang des Zionismus und im Vorwort dieses utopischen Romans von Theodor Herzl. Ein Gedanke, den Eskhol Nevo in Neuland wieder aufgreift, in dem er seine verschiedenen Charaktere, 65 Jahre nach der Gründung des Staates Israels, auf die Suche nach ihrer eigenen Identität schickt – ohne sich dabei jedoch nur auf Israel zu beschränken. Findet die Handlung des Romans doch zum großen Teil in Südamerika statt.

In Neuland verschmilzt Eshkol Nevo eine verzwickte Liebesgeschichte mit dem Mythos vom Ewigen Juden: Erzählt von denjenigen, die in das Gelobte Land kommen, um zu bleiben, und von denjenigen, die, obwohl sie in Israel schon längst eine Heimat gefunden hatten, den Judenstaat wieder verlassen. Neuland ist dementsprechend nicht nur ein rein israelischer, sondern auch ein zutiefst jüdischer Roman - die Handlung umspannt Zeiten, Generationen und Kontinente.


Szenisches Erinnern


So begeben sich die beiden Hauptfiguren von Neuland auf eine Reise: Dori, der seine Frau und seinem kleinen Sohn verlässt, um seinen Vater zu suchen, der während einer Reise nach Südamerika verschwunden ist, und Inbar, die ihre Mutter in Berlin besucht hat, sich aber aus einer Laune heraus entscheidet, nicht nach Israel zu fliegen, sondern nach Peru. Ihre beiden Lebensgeschichten verflechten sich im Laufe des Romans miteinander.

Als Dori seinen 60jährigen Vater schließlich in Argentiniens Provinz La Pampa an einem Ort namens Moises Ville findet, ist, zu seinem Entsetzen, aus dem gestandenen Familienpatriarchen und Strategen ein esoterisch angehauchter Guru geworden. Meni Peleg ist dort im Begriff, eine Art Parallelgesellschaft zum fernen Israel aufzubauen. Der Grund und Boden von Moises Ville, der einst von Baron Maurice Hirsch als alternative jüdische Heimstatt zu Palästina aufgekauft worden war und bis heute tatsächlich von Juden bewohnt wird, soll, nach Meni Pelegs Plan, zu einer Art Sammelbecken verloren gegangener Hoffnungen und Sehnsüchte werden, zu Neuland.

Dori und Inbar kehren nach Israel zurück, wo sie sogleich an den in Neuland verbliebenen Meni erinnert werden. Eine Rakete zerstört das Haus von Inbars Großmutter. Einst vor den Nationalsozialisten nach Palästina geflohen, gehört sie zu denen, die Israel niemals verlassen würden.

In Neuland beschreibt Eshkol Nevo bildhaft eine israelische Gesellschaft, deren Familien auseinanderfallen, weil sie kriegsmüde sind und weil die Liebe allein sie nicht mehr tragen kann...

Fazit: Neuland ist ein herausragendes Buch: Traum und Albtraum zugleich. Spannungs- und informationsreich erzählt Eshkol Nevo darin die ebenso singuläre wie exemplarische Lebensgeschichte vom Ewigen Juden.

Mario Bartsch - 22. Oktober 2013
ID 7291
Eshkol Nevo, geboren 1971 in Jerusalem, gehört heute zu den wichtigsten Schriftstellern seines Landes. Sein erster Roman Vier Häuser und eine Sehnsucht stand 2005 auf der Shortlist des bedeutendsten Literaturpreises in Israel, dem Sapir Preis, 2008 wurde er in Frankreich mit dem Raymond Wallier Preis des Salon du Livre ausgezeichnet, 2009 war er auf der Longlist des Independent Prize. Wir haben noch das ganze Leben, sein zweiter Roman (Golden Book Prize, Israel 2007, Adei Wizo Preis, Italien 2011), war nicht nur in Israel, sondern auch in Deutschland ein Bestseller. Sein jüngster Roman Neuland verkaufte sich in Israel über 130.000 Mal und gewann 2012 als „Book of the Year“ den Steimatzky Preis.

Eshkol Nevo | Neuland
Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer
Gebunden, 637 Seiten
Deutscher Taschenbuch Verlag, 2013
24,90 Euro
ISBN: 978-3-423-28022-8



Siehe auch:
http://www.dtv.de/buecher/neuland_28022.html


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