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Banale Tipps





Bewertung:    



Vermutlich habe ich mich von Namen wie Patty Smith, Peter Fox oder Hildegard Hamm-Brücher animieren lassen, dieses Buch zur Lebenshilfe zu bestellen. Auf diesem Sektor gibt es ständig Neuerscheinungen. Viele davon dienen wohl eher dazu den Autor bekannt, erfolgreich und wohlhabend zu machen als den Ratsuchenden.

99 Biografien in ein Buch zu pressen, kann natürlich nur zu Fragmenten dieser Biografien führen. Hier wurden die für die Autorin Ulrike Gastmann bedeutenden Ereignisse herausgegriffen, um dann zu einer Empfehlung zu führen. Sie selbst, die ja vermutlich diese Tipps beherzigt, sieht "in der Sprache Zuflucht, Zunder und Zuhause". Der englische Titel des Buches wird für die weniger Sprachkundigen auf der Rückseite in Deutsch aufgegriffen: 99 gelungene Lebensläufe – für dein besseres Leben.

Nun bin ich neugierig, was mir die Biografien der von mir geschätzten Personen sagen wollen. Grob werden sie in sechs Kapitel zusammengefasst. Patti Smith finde ich in Kapitel 2: Haltung und Widerstand – Menschen mit Rückgrat. Smith wird hier mit Menschen wie Jutta Limbach, Regine Hildebrandt oder Roger Willemsen in einen Topf geworfen. Patti Smith trägt im Buch die Nummer 21 und folgt Vaclav Havel Nummer 20. Ein Zitat ist jedem Text vorangestellt. Zu Patti Smith heißt es: "Mach deine Arbeit gut, und dein Name wird zu einer eigenen Währung." Schön wäre es, wenn das vorangestellte Zitat vom Biografierten selbst stammen würde, aber drauf weist nichts hin. Hier hat sich Frau Gastmann anscheinend selbst zitiert. Dann folgen bekannte Episoden aus Pattis Leben – die Zeit in Manhattan, der Tod ihres Mannes und am Ende eine Zusammenfassung, wie ich den Text verstehen sollte:


"Patti Smith zeigt, dass man keine Make-up-Maske braucht, um zu leuchten. Dass man Wunden nicht verbergen muss, sondern besingen kann. Dass Punk nicht mit Nieten, aber alles mit der Würde des Aufbegehrens zu tun hat. Möge ihre Stimme noch lange weiterkratzen für alle, die auch im Dunkeln noch suchen." (S. 75)


Ist das eine der 99 Lektionen, die mich als Leserin erwartet? Zum Singen ist nicht jeder geboren. Malen, Schreiben, eine künstlerische Aufarbeitung von wichtigen Lebensmomenten wird dem Kreativen vermutlich von alleine kommen, doch erzwingen kann man sie nicht. Ziel verfehlt, würde ich sagen, und leider wurde Patti Smith hier für mich als Köder missbraucht.

Im Kapitel Sinnsuche und Lebenskunst – Was bleibt? finde ich unter Position 41 Umberto Eco. Nach der Kurzbiografie erklärt mir die Autorin das für sie Wichtige:


"Was bleibt? Nicht nur Zitate. Nicht nur Romane. Sondern eine Haltung: Glaube nichts auf Anhieb. Sieh genau hin. Frag weiter. Und wenn Dir jemand eine einfache Geschichte erzählt – such die Fußnote. Denn wer die Welt wirklich besser verstehen will, muss zwischen den Zeilen lesen können. Nicht nur im Buch – auch im Alltag. Im Nachrichtenticker. Im Liebesbrief. In der Werbung. In der Sprache des anderen." (S. 130)


Umberto Eco war weit mehr als das. Ihn in ein Buch für Lebenshilfe zu stecken, kommt für mich fast einer Vergewaltigung gleich. Eine Zustimmung brauchten im juristischen Sinn die in diesem Buch „Gewürdigten“ nicht geben, viele hätten es gar nicht mehr gekonnt, da sie längst, wie Eco, gestorben sind. Ein Protest ihrerseits bleibt damit aus.

Nicht alle genannten Personen sind mir bekannt. Das muss nicht sein, denn manche Biografie bietet in sich so viel Wissenswertes, so viel Lebensgefühl, dass mich die Lektüre fesselt, auch wenn ich mit dem Namen zunächst einmal nichts anfangen kann. Doch dazu muss der Lebensweg ausführlicher beschrieben sein, der Biografierte mir nahekommen.

Unter Position 51 im Kapitel Außergewöhnliche Lebenswege – Erfolg, Scheitern und Wiederaufstehen finde ich Roger Federer. Der Tennisstar wird für seine Hartnäckigkeit gelobt: "Bleib am Ball." Nun weiß auch ich, dass Tenniserfolg nicht vom Himmel fällt.

*

Auf solche Lessons for Life kann ich verzichten. Banale Tipps, die geradezu selbstverständlich daherkommen. Die 99 Kurzbiografien sind zu rudimentär für eine interessante, gar beratende Lektüre.

Natürlich könnte der Erfolg vieler im Buch beschriebener Menschen dem widersprechen, doch wird aus diesen verstümmelten Biografien nicht deutlich, ob deren Prominenz aus denen ihnen zugeordneten Tipps hervorgeht und ob diese Menschen diese Sicht in irgendeiner Hinsicht teilen würden. Position 100 ist noch leer und bietet Platz für die eigene Lektion. Ich habe mir erlaubt dort ein Strichmännchen mit herausgestreckter Zunge zu malen. Allerdings strecke ich nicht dem Leben die Zunge raus, sondern der Autorin des Buches!


Ellen Norten - 6. Oktober 2025
ID 15499
Verlagslink zu Lessons for Life von Ulrike Gastmann


Post an Dr. Ellen Norten

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