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Krimi

Tragischer

Zufall





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Die Entführung von Ursula Herrmann ereignete sich am 15. September 1981 in der Nähe des Ammersees in Bayern. Man fand das zehnjährige Entführungsopfer am 4. Oktober 1981 tot in einer im Boden vergrabenen Kiste in einem Waldstück. Das grausame Verbrechen beschäftigte in den Folgejahren nicht nur die Polizei, sondern auch die Medien. So wurde der Fall in der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY mehrfach behandelt, ohne Ergebnis.

Erst knapp dreißig Jahre später, kurz vor der Verjährung des Verbrechens, wurde ein Tatverdächtiger festgenommen und im Rahmen eines Indizienprozesses 2010 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision blieb erfolglos. Der Fall gilt als abgeschlossen.

Was bringt eine Autorin dazu, ihm im Jahr 2021, also vierzig Jahre später, ein Buch zu widmen? Genauer gesagt ist es ein Roman mit veränderten Namen, doch die handelnden Personen sind leicht zu identifizieren.

Es gibt drei Zeitebenen: um 1981, die Zeit des Verbrechens, um 2010, die Zeit des Prozesses, und 2019, quasi die Jetztzeit, die vermutlich den autobiografischen Grund der Autorin für das Buch liefert.

Christa von Bernuth lebt zur Zeit des Verbrechens in einem Internat sehr nah am Tatort. Allein das erklärt vielleicht schon ihr besonderes Interesse an dem Fall. Sie kennt die Gegend schon seit ihrer Jugend. Später berichtet sie als Gerichtsreporterin über die Verhandlung und recherchiert intensiv im Umfeld des Opfers. Dabei entwickelt sich ein Vertrauensverhältnis zu Martin Schön, dem Bruder des Opfers.


"Er zögert, sucht nach Worten, die dann aus ihm herausfließen, mühelos, als hätte alles in ihm auf diese Fragen gewartet. 'Ich hab nicht gewusst, das die Wahrheit so eine Kraft hat. Wahrheit war für mich immer etwas Positives, Befreiendes. Etwas das die Dinge leichter macht, nicht schwerer. Das war wohl etwas naiv.'
'Sie kann auch zum Spaltpilz werden', sage ich und muss plötzlich an Jonas denken. Ich liebe Dich nicht mehr. Ehrlich, klar, endgültig, kein Raum für Interpretationen. Nichts war danach mehr zwischen uns möglich.
'In unseren Fall hat sie alles kaputtgemacht', sagt Schön. 'Wie eine Dampframme.'"


(Tief in der Erde von Christa von Bernuth, S. 130)



Gefühlvoll lässt die Autorin die Betroffenen zu Worte kommen und ziert sich nicht, auch eigene Erlebnisse in ihre Betrachtungen mit einfließen zu lassen. Dabei wird deutlich, dass sie selbst eine Nebenrolle im Prozess hätte spielen können. Zwei Bekannte von ihr gerieten damals unter Tatverdacht, ein Stück grüner Draht, gefunden am Entführungsort, wird zum wichtigen Indiz. Genau aber diesen Draht hatte sie bei den beiden Verdächtigen gesehen und sogar mit ihnen darüber gesprochen.

Bedingt durch einen langen Auslandsaufenthalt hatte sie die Zeugenvorladung damals nicht erreicht, und beim Prozess blieb sie ausgerechnet dem Verhandlungstag fern, an dem der Draht Thema wurde – ein tragischer Sachverhalt, der ihr erst 2019 aufgeht.

Dieses eine Indiz wäre sicher allein kein Beweis für die Täterschaft gewesen. Doch das Urteil stand auf tönernen Füßen. Vielleicht hätte 2010 die Aussage von Christa von Bernuth das Zünglein an der Waage spielen können, doch heute ist es dafür zu spät, denn die Tat gilt nach dreißig Jahren als verjährt, da sie nicht als Mord, sondern Straftatbestand mit Todesfolge eingestuft wird.

Vergeltung für den Verurteilten fordert die Autorin mit dem Buch nicht ein, auch liefert sie – allein durch die Tatsache, dass sie Fall und Verhandlung als Roman beschreibt – keine Täter, lediglich ernstzunehmende Wahrscheinlichkeiten, die am Urteil im Fall Herrmann zweifeln lassen.


Ellen Norten - 7. August 2021
ID 13070
Verlagslink zum Krimi Tief in der Erde


Post an Dr. Ellen Norten

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