Winzige Monster
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Den meisten von uns sind sie gleichgültig, denn die Mikroorganismen, die im Boden leben, sind so klein, dass wir sie mit bloßem Auge nicht oder kaum erkennen können. Die "Drecksarbeit" für uns und unseren Planeten übernehmen "freundliche" Minimonster, die in der Erde die natürliche Zersetzung vorantreiben, die die Lieferanten von feinster Gartenerde sind und ohne die unsere Welt früher oder später zusammenbrechen würde.
Die Autoren Veronika Straass & Claus Peter Lieckfeld haben sich ein kleines Waldstück vorgenommen, ein Biotop, in dem es wuselt und leise knistert, in dem Bärtierchen und Fadenwürmer, Einzeller und Pilze, Springschwänze und Rädertierchen, Milben und Asseln, Weißwürmer und Käferlarven, Regenwürmer, Schnecken, Hundert- und Tausendfüßler, aber vor allen Dingen Bakterien ihre nützliche Tätigkeit betreiben.
"Weltweit leben 1 000 000 000-mal mehr Bakterien im Boden, als es Sterne im Weltall gibt. Recherchiert man noch die Scharen von Fadenwürmern, Milben, Asseln, Springschwänzen und Insektenlarven dazu, summiert sich das Gewicht der Lebewesen, die einen Hektar durchwurzelbaren Bodens bewohnen, auf 15 Tonnen. Das entspricht dem Gewicht von etwa 20 Kühen.
Wie dieses Billionen-Heer interagiert, wie 'Kommandostrukturen', wie 'Allianzen' und Nahrungsgesetze (die Verflechtung zwischen Jägern und Beute) ablaufen, ist noch keineswegs verstanden. (…) Was wir wissen können, ist, worauf das unterschiedliche 'Stirb und werde' bestenfalls hinausläuft: auf die Produktion von Humus."
(S. 16)
Auch wenn es die vielen Fragezeichen und Wissenslücken gibt, so existiert immerhin eine Methode, den wundersamen Organismen näher zu kommen. Es ist die moderne Mikroskoptechnik, die uns Ganzkörperaufnahmen bis hin zu Portraits der seltsamen Freunde liefern kann, und davon ist das Buch gespickt. Insbesondere die Rasterelektronenmikroskopie liefert faszinierende Einblicke. Große Farbaufnahmen in brillanter Qualität ermöglichen dem staunenden Leser einen Blick in eine bisher verborgene Welt.
Schon auf dem Cover kommt ein Bärtierchen auf uns zugelaufen, Rädertierchen erheben ihr Haupt und lassen mich an Aliens denken. Regenwürmer präsentieren ihre Borsten, Schleimpilze neigen ihre kugelartigen Fortsätze, und Raubmilben zeigen ihre schaurig schönen Mundwerkzeuge. Milben protzen mit ihren spitzen Mandibeln, und Wimpertierchen stellen ihre fellartige Oberfläche zur Schau.
Sie alle sind die Akteure bei der Drecksarbeit [so auch der Buchtitel] und liefern uns echte Hingucker. Warum also einen Löwenkopf portraitieren, wenn die Milbe einen ähnlichen Reiz ausüben kann, haben sich vermutlich die beiden Mikrofotografen gesagt. Solche Bilder sind kaum bekannt und offenbaren den Reiz des Neuen, auch wenn die Darsteller in der Evolution schon uralt sind. Begleittexte sorgen für Hintergrundinformationen über die Gruppen der einzelnen Organismen, Vergleiche und Zeittafeln liefern ein Übriges. Ein ungewöhnliches Buch, dass mit viel Liebe zusammengestellt wurde und das die Freude an den Geheimnissen unserer Erde auch dem Laien vermittelt.
Ellen Norten - 14. Mai 2025 ID 15265
Verlagslink zum Sachbuch
Drecksarbeit
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