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nachDRUCK # 2

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Roman

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Herbst im

Insiderblick





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Westdeutschland 1977, die RAF erpresst die Regierung, um elf Gefangene freizubekommen, darunter die Top-Terroristen Gudrun Ensslin und Andreas Bader. Arbeitgeberpräsident Hanns-Marin Schleyer wird auf offener Straße entführt. Sein Fahrer und seine Sicherheitsbeamten sterben im Kugelhagel. Schleyer lebt 44 Tage lang als Gefangener der RAF. Die Regierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt lässt sich nicht erpressen, auch als palästinensische Terroristen das deutsche Passagierflugzeug „Landshut“ entführen. Die GSG9 stürmt in Mogadischu die Maschine und befreit die Geiseln, drei der vier Terroristen werden erschossen, die vierte schwer verletzt.

In der Nacht sterben Bader, Ensslin und Raspe in ihren Zellen, Irmgard Möller überlebt ihre Stichverletzungen. Obwohl heute wohl feststeht, dass es sich damals um Selbstmord handelte, ranken sich um diese Nacht in Stuttgart Stammheim - wie auch um die gesamten 44 Tage - viele Geheimnisse. Einige davon kann der Autor Stephan R. Meier aufklären, und so halten wir einen fesselnden Thriller in den Händen, obwohl wir von Anfang an wissen, wie er ausgeht.

Das Besondere an dem Buch ist der Autor, der nicht nur einen spannenden Schreibstil innehat. Als Sohn des damaligen Verfassungsschutzleiters Richard Meier erlebte er die RAF-Zeit hautnah mit. Sein Vater offenbarte ihm später Details, die nicht öffentlich zugänglich waren, die er aber auch nicht mit ins Grab nehmen wollte. Meier hat diese nicht in eine Dokumentation, sondern in einen Roman gepackt.


"Das Buch konnte ich nur in dieser Form – als Schlüsselroman –
schreiben, denn es lag mir daran, die tatsächlichen Vorgänge vor und in dem einen oder anderen Fall fiktionalisiert auch hinter den Kulissen zu schildern, das Ringen der Verantwortlichen um die richtige Lösung in der schweren Staatskrise. Das kann man nur verstehen, wenn man den damaligen Akteuren dabei über die Schulter blicken und sie bei den Aktionen, Besprechungen und Diskussionen als Leser begleiten kann."
(S. 439)



Das [s.o.] schreibt Meier in seinem Nachwort und begründet damit auch, dass er bei einigen zentralen Figuren die Realnamen in fiktive umgewandelt hat.

Erfreulich ist die Tatsache, dass Meier seine Insidersicht nicht zum unkritischen Beklatschen der damaligen Aktionen der Verantwortlichen benutzt. Er sieht genau, welche schwerwiegenden Konsequenzen die Anordnungen der Regierung für die Demokratie hatten.


"Es gab jetzt sechzig Millionen Spitzel im Land. Mit einem einzigen Appell hatte die Polizei Augen in jedem Schrebergarten, auf jedem Balko und Ohren in jeder Wohnanlage. Nachbarn würden sich misstrauisch beäugen. Jede Studentenparty war suspekt, jeder Langhaarige ein gefährlicher Revoluzzer. Denunziation wurde zur moralischen Bürgerpflicht." (S. 89)


Auch Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer wird nicht als Gutmensch präsentiert. Bei aller menschlichen Tragödie zeigt Meier auch den überzeugten NS-Täter, der an den Universitäten Prag und Innsbruck für die Denunziation der Juden im Lehrkörper wie unter den Studenten verantwortlich zeichnete und der 1944 zum SS-Führer ernannt wurde.

So erfahren wir in diesem Buch neben echten Neuigkeiten auch Hintergründe, die in diesem Zusammenhang nicht gerne beleuchtet werden. Offen wird wohl die Frage bleiben, wieso dem Hinweis eines örtlichen Polizisten in Liblar nicht nachgegangen wurde. Der Beamte hatte bereits am zweiten Tag der Schleier-Entführung dessen Versteck identifiziert. Die Geisel hätte somit befreit werden können. Schwerwiegende Pannen, und das bleibt die traurige Wahrheit, geschehen nach wie vor, und meist finden sich dafür nicht einmal Verantwortliche.


Ellen Norten - 17. März 2021
ID 12817
Verlagslink zu 44 Tage von Stephan R. Meier


Post an Dr. Ellen Norten

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