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Lyrik

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„Geben Sie den Schritten acht,
besonders bitte in der Nacht.
Sie könnten über Tiere fallen,
die wohnen quasi unter allem..."


(Sibylle Berg, Ein Touristenführerinnen-Gedicht, S. 45)


*

Kräfteeinwirkungen führen zu ausgleichenden Reaktionen, die wiederum ästhetische Erfahrungen freisetzen. Sibylle Berg sitzt seit 2024 als Abgeordnete im Europaparlament (für die Satirepartei Die Partei). Hier dürfte sie auch täglich mit sogenannten Kraftskulpturen konfrontiert sein, welche formbildend sein sollen und vielleicht zu dem einen oder anderen Vers inspirierten.

Berg jedoch wahrt in TRY PRAYING keine Form der Form halber, sie fällt gar bewusst aus der Form. Die Struktur ihrer Gedichte scheint nicht schematisch; Paar-, Kreuz-, umarmende oder Haufenreime wechseln fließend, mitunter kommen ihre Verse auch ganz ohne Reime aus. Gleichzeitig führen ihr Reimschema, aber auch der Rhythmus oder die sprachlichen Bilder eine sogenannten hohe Poesie ad absurdum.

Bergs Verse und Strophen muten prosaisch an, ihre Figuren haben ganz bodenständige Bedürfnisse: Da wünscht sich im eröffnenden „schönen Weihnachtsgedicht“ eine Frau Meier einen Fellmantel. Im Zuge der Wunscherfüllung ereilt sie allzu schnell ein tragisches Schicksal. Andere Gedichte tragen im Titel bereits ihre Sujets, wie Geschlechtsverkehr, das Gute oder das Böse. Da heißt es auch schon mal Ein Gedicht, das von der AI geschrieben sein könnte oder Ein Mörderinnengedicht. Den Titeln werden oftmals weitere Ingredienzen als Untertitel beigegeben, so beinhaltet das Touristenführerinnen-Gedicht [s.o.] eine Warnung, ein anderes Gedicht enthält Pudel, ein sogenanntes Trennungsgedicht beinhaltet Regen und eine Jacke. Der vierzig Gedichte und einen Hidden Track umspannende Lyrikband offenbart demgemäß ästhetisch einen Leseflow mit allerlei Schmankerln.

TRY PRAYING lädt dazu ein, gepflegte Oden, Elegien oder Klagelieder zu erkunden und bis zu sechsseitige, als Gedicht getarnte Erzählungen zu durchblättern. Viele der eingangs vorgestellten Figuren in Bergs Welt erscheinen verletzlich, treu oder sind traurig. Thema für die meisten ist ein Ableben von Freiheit und Leichtigkeit. Der Lyrikband liest sich in gewisser Hinsicht so auch manchmal als ein Nachruf auf die Toleranz, wenn die Figuren ob ihrer Laster verzweifelt oder einsam Abschied nehmen. Vordergründig Flaches erhält beim Drübernachdenken oftmals mehr Tiefe. Der Band eignet sich zum Vorlesen einzelner Werke unter Vertrauten oder Freunden, um das schräge Amüsement miteinander zu teilen. Vielleicht ließen sich mit Frau Berg Wetten abschließen, ob wir eine Freiheit haben, eine andere Haltung zu den vorgestellten Dingen zu gewinnen?

Für die meisten von Bergs Figuren geht die eigene kleine Welt tatsächlich unter, obwohl die vorgestellten Gedichte einen drohenden Weltuntergang entgegenstehen möchten (so sein UT). Qualitativ variieren Verse mitunter, es ist auch weniger unterhaltsame Wortkunst vertreten. Der feinsinnige kleine Band bleibt vereinzelt etwas abstrakt und betont selten konstruktiv. Aufgewertet und -gelockert wird TRY PRAYING durch etwa 27 abgedruckte sogenannte Vignetten, ornamentale bildliche Darstellungen, vom Kölner Künstler Claus Richter.


Ansgar Skoda - 30. Juni 2025
ID 15337
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