Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 2

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Neue Bücher

Unbekanntes

Gehirn





Bewertung:    



Hieß es nicht einst bei Oliver Sacks: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte? - ein genialer Titel, der auf poetische Art und Weise ein Thema beschreibt, das vielen Menschen zunächst einmal fremd ist. Es geht um neurologische, um psychiatrische Erkrankungen, um psychische Phänomene, die schwer zu begreifen sind – zumindest für ein weitestgehend „normal“ funktionierendes Gehirn. Monika Niehaus folgt ihrem berühmten Vorgänger und beschreibt in ihrem Buch [Die Frau, die ihren Mann für einen Doppelgänger hielt] 36 seltene und ungewöhnliche Syndrome, die sie akribisch zusammengetragen hat.


"Wie das gesunde ist auch das wahnhafte Gehirn ein meisterhafter Erzähler, dem es immer wieder gelingt, aus dem, was es wahrnimmt, eine 'vernünftige' Geschichte zu fabrizieren, in der das eigene Empfinden logisch erscheint: Ich sehe meine Lieben, empfinde aber nichts für sie, also muss es sich um Doppelgänger handeln (Capgras-Syndrom). Ich weiß, dass es sich um Bekannte handelt, auch wenn sie immer anders aussehen, also müssen sie sich ständig verkleiden (Fregoli-Syndrom). Ich rieche nach Verwesung und fühle mich wie eine leere Hülle, also muss ich Tod sein (Cotard-Syndrom). Das wahnhafte Empfinden selbst wird nicht hinterfragt, sondern in ein bizarres, aber für den Betroffenen in sich schlüssiges Weltbild eingeordnet." (S. 12)


Darin liegt zumindest eine Erklärung der Phänomene, auch wenn sie für uns schwer nachvollziehbar sind. Und sie üben eine Faszination auf viele Menschen aus, denn das Morbide, Ungewöhnliche ist Thema vieler Filme. A beautiful mind, der Film über den Nobelpreisträger John Forbes Nash, der an einer schizophrenen Psychose leidet, wurde zum Kassenschlager. Und bevor es Filme gab, spiegelten sich die eigentümlich Kranken schon in der Literatur wieder.


"Somnambulismus (Schlafwandeln) wurde von William Shakespeare in 'Macbeth' zu einer der berühmtesten Szenen der Theaterliteratur verarbeitet, und auch der Stummfilmklassiker 'Das Cabinet des Dr. Caligari' dreht sich um dieses Thema.
Aber die Literatur hat auch auf die Psychiatrie zurückgewirkt, da sie Vorbilder für manche Syndrome schuf: So beschreibt das nach Shakespeares gleichnamiger Tragödie benannte Othello-Syndrom wahnhafte Eifersucht, das Münchhausen-Syndrom krankhafte Lügengeschichten und das Alice-im-Wunderland-Syndrom die visuelle Verzerrung der Realität, wie sie Lewis Carolls Heldin Alice erlebt. Es wird sogar spekuliert, dass Caroll selbst unter diesem Syndrom litt und seine Erfahrungen damit literarisch verwertete."
(S. 13)


Monika Niehaus ist keine Ärztin, sie kann daher keine Patienten beschreiben, die von ihr behandelt werden. Doch die Autorin hat akribisch recherchiert und kann so Fälle schildern, die so selten sind, dass die wenigsten Psychiater ihnen in ihrer beruflichen Laufbahn jemals begegnen werden. Vom Rapunzel-Syndrom, bei dem die Betroffenen ihre eigenen Haare verspeisen, sind weniger als 100 Fälle bekannt. Weitaus häufiger ist die Paranoia, die wahnhafte Störung. Menschen, die darunter leiden sind extrem misstrauisch und fühlen sich ständig bedroht und verfolgt. Wenn solche Menschen auch noch an die Regierung kommen und sich wie Josef Stalin zum Diktator aufschwingen, hat dies katastrophale Konsequenzen. Als der renommierte Psychiater Wladimir Bechterew eine schwere Paranoia bei Stalin diagnostizierte fällte er damit sein eigenes Todesurteil.

Trotz solcher Aussagen verzichtet die Autorin im Buch insgesamt auf Effekthascherei. Die Krankheiten werden interessant und ausführlich beschrieben und wer an deren Existenz zweifeln sollte oder einfach noch mehr erfahren möchte, für den sind im Anhang die wissenschaftlichen Quellen aufgeführt.



Ellen Norten - 6. November 2018
ID 11021
Link zum Buch http://www.hirzel.de/titel/61489.html


Post an Dr. Ellen Norten

Buchkritiken



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeige:


LITERATUR Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

AUTORENLESUNGEN

BUCHKRITIKEN

DEBATTEN

ETYMOLOGISCHES
von Professor Gutknecht

INTERVIEWS

KURZGESCHICHTEN-
WETTBEWERB
[Archiv]

LESEN IM URLAUB

PORTRÄTS
Autoren, Bibliotheken, Verlage

UNSERE NEUE GESCHICHTE


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal





Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)