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In meinem Leben habe ich nur ein einziges Mal einen sexuellen Übergriff erfahren. Es war im sommerlichen Prag, ich kam mit meiner Freundin aus der Untergrundbahn. Hinter uns ging ein Mann, der mir mit einer kräftigen Handbewegung voll unter meinen Minirock in den Schritt griff. Ich schrie auf. Der Mann überholte uns unauffällig, während die anderen Passanten irritiert und fast ärgerlich auf mich schauten. Meine Freundin fragte mich, ob ich spinnen würde. Niemand außer mir hatte mitbekommen, was passiert war. Ich wollte mich mindestens meiner Freundin erklären, doch mir fehlten die Worte. Wie das Geschehene beschreiben? Welche Worte wählen? Wie konnte ich glaubhaft sein, nicht vulgär wirken? Die Passanten, die mich auf deutsch ohnehin kaum verstanden hätten, gingen kopfschüttelnd weiter. Der Mann war verschwunden, und meine Freundin konnte erst sehr langsam nachvollziehen, was überhaupt geschehen war.

Denis Mukwege findet die passenden Worte, und das, was er beschreibt, übertrifft alles Grauen, was ich mir an sexueller Gewalt überhaupt vorstellen kann. Mein Erlebnis in Prag lässt sich nicht im Geringsten damit vergleichen. Dr. Mukwege behandelt Frauen, die Opfer von Massenvergewaltigungen geworden sind, denen Milizsoldaten in die Scheide geschossen haben, die so stark misshandelt wurden, dass sie bleibend behindert sind. Manchmal kann der auf solche Verletzungen spezialisierte Gynäkologe nicht mehr helfen, und die Frauen sterben. Doch die Frauen, und was mit ihnen geschehen ist, werden gesellschaftlich nicht anerkannt.


"Lieber verdrängt man, was als beschämend und peinlich empfunden wird, anstatt sich damit auseinanderzusetzen. Die Frauen sind häufig das Ziel von Spott und Beleidigung und werden von der kollektiven landwirtschaftlichen Arbeit, der gemeinsamen Aussaat und Ernte in den Dörfern, ausgeschlossen." (Die Stärke der Frauen von Denis Mukwege, S. 124)


Da wird das Opfer zum Täter, wird diskriminiert. Manche Männer lassen sich wegen der vermeintlichen Untreue scheiden. Die brutalen Täter, die dieses lebenslange Leid verursacht haben, werden oft nicht einmal verfolgt. Dies gilt insbesondere, wenn die Vergewaltigungen im Rahmen von kriegerischen Auseinandersetzungen geführt werden. Zur Motivation wird den Milizsoldaten die Massenvergewaltigung sogar als Ansporn angekündigt.

Solche sexuelle Gewalt ist keineswegs auf den Kongo oder Afrika beschränkt. Im Zweiten Weltkrieg, im Balkankrieg, bei der ISIS (Islamischer Staat) fanden und finden Massenvergewaltigungen ebenso statt. Sie werden zudem als Kriegswaffe verwendet.


"Sie wird als militärische Taktik eingesetzt. Sie ist geplant. Frauen werden gezielt angegriffen, um eine gegnerische Bevölkerung zu terrorisieren. Ihre Anwendung in Konflikten in Asien, Afrika und Europa im 20. Jahrhundert erklärt sich aus der Tatsache, dass sie billig, leicht zu organisieren und leider auch furchtbar wirksam ist." (S. 178)


Es ist erstaunlich, dass Dr. Denis Mukwege diese Grausamkeiten, die er seit über dreißig Jahren mit ansieht, ihn nicht entmutigen. Ganz im Gegenteil ersinnt er immer wieder Strategien, wie er den Frauen und mit Ihnen das Leid mindern kann. Das ist neben der medizinischen Hilfe die psychologische und die gesellschaftliche, und das sind politische Maßnahmen, die er versucht in die Wege zu leiten.

Mukwege wird bedroht, weil er den Opfern eine Stimme gibt. Drohungen von der Regierung unter Kabila, ein schwerer Überfall auf ihn und seine Familie, bei dem ein Freund erschossen wurde und der bis heute nicht aufgeklärt wurde. Trotz allem gibt der Kongolese nicht auf. Das Panzi Krankenhaus und die gleichnamige Stiftung sind ganz konkrete Maßnahmen, doch der Kampf gegen die himmelschreiende Ungerechtigkeit darf nicht auf den Kongo beschränkt bleiben. Der Friedensnobelpreis war eine Anerkennung für den Gynäkologen, doch das Leid der Frauen geht weiter – nicht nur in Afrika. Mukwege setzt auf das Gute im Menschen. Sein Appell am Ende des Buches lautet:


"Ich träume von einer Gesellschaft, in der unsere Mütter als die Heldinnen anerkannt werden, die sie sind, in der Mädchen, die auf unserer Entbindungsstation zur Welt kommen, genauso gefeiert werden wie die Jungen und in der die Frauen ohne Angst vor Gewalt aufwachsen. [...] Ich glaube, dass wir alle, als Individuen und Gemeinschaft, dazu beitragen können, dies zu verwirklichen. Ich glaube an die Stärke der Frauen." (S. 416)


Mögen so viele Menschen wie möglich dieses Buch lesen und ihre persönlichen Schritte daraus ableiten.


Ellen Norten - 30. August 2022
ID 13777
Verlagslink zum Sachbuch Die Stärke der Frauen


Post an Dr. Ellen Norten

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