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Sachbuch

Schattenseiten

einer Ikone





Bewertung:    



Rilke und der Faschismus, wie passt das zusammen? Hans-Peter Kunisch hat die Frage gestellt und mit seinem Buch Das Flimmern der Raubtierfelle ausführlich und akribisch beantwortet.


"Großartige Künstler können politisch, moralisch oder in ihrem Privatleben Würmer sein – und trotzdem großartige Kunst schaffen. Genauso falsch ist es aber, nichts von den Untiefen in ihrem Leben und Denken wissen zu wollen, aus denen sich diese Kunst eben auch speist. Wenn wir über die Werke von Dichtern oder Schriftstellern mehr von der Welt verstehen möchten, müssen wir diese Menschen schon ganz kennenlernen wollen." (S. 11)


Es geht also nicht darum, eine Ikone vom Sockel zu stoßen, sondern einen Schriftsteller in seiner Haltung, seinem Wertesystem und seinen Gefühlen zu verstehen. Diese Begründung kann ich teilen, denn das Buch schreibt keine Häme, sondern bezieht seine Informationen aus erster Hand, nämlich von Rilke selbst. Rilke hat in seinem Leben sehr intensiv korrespondiert. Manchmal waren es nur oberflächlich geschriebene schöne Wort, um den Kontakt, insbesondere zu Frauen, aufrechtzuerhalten, doch in anderen Briefen offenbart Rilke seine Haltung zum Zeitgeschehen datiert, sodass die Zuordnung der Korrespondenz und der darin getätigten Äußerungen eindeutig gegeben ist.

Im Zentrum dieser Briefe steht Aurelia Gallarati-Scotti. Die junge Mailänder Herzogin, die ihre Briefe mädchenhaft mit „Lella“ unterschreibt, ist in ihrer politischen Argumentation sehr erwachsen, sachlich und eindeutig. Rilke schreibt ihr, der Italienerin, seine Bewunderung für Mussolini, der zu diesem Zeitpunkt politische Reden hält, aber noch nicht an die Macht im nun faschistischen Land gelangt ist. „Was für eine schöne Rede von Herrn Mussolini“, schreibt Rilke - und Lella antwortet: „Nein lieber Rilke.“ Beide Sätze werden als Überschriften für die ersten beiden Kapitel benutzt, stehen gleichzeitig für den beginnenden Disput, der höflich, diplomatisch, aber in der Sache eindeutig ausgetragen wird. Die Briefe sind in Französisch geschrieben, im Buch werden einige wichtige Formulierungen im Original wiedergegeben. Die Übersetzungen geben die Einmaligkeit der Wortwahl und Ausdrucksweise des großen Dichters wieder, wenn auch hier zum Belegen seiner Empfindungen gegenüber einer starken Führerfigur.


"Es ist die gefühlte und freudige Einigkeit, der alle zustimmen, diese glorreiche Vergangenheit, deren Riesenspuren Ihr Boden noch trägt, die den Architekten des italienischen Willens möglich machen, diesen Schmied eines neuen Bewusstseins, dessen Flamme sich an einem alten Feuer entzündet. Glückliches Italien! (Rilke 1923 an Lella, S. 183)


Das Buch gibt weitere Korrespondenzen wieder und zitiert Zeitgenossen, die zum Umfeld Rilkes zählen und die vom Faschismus geblendet und fasziniert sind. Damit wird das Buch sehr umfangreich und für den einfachen Leser schnell unübersichtlich. Für den Rilke-Kenner sind hier wichtige Stimmen von Zeitgenossen zusammengetragen, die Rilkes emotionale Nähe zum Faschismus verdeutlichen.

Was bleibt nach der Lektüre des Buches? Rilke starb 1926 mit nur 51 Jahren an Blutkrebs. Es ist Spekulation, ob er Sympathien für Hitler entwickelt hätte, gar ein glühender Nazi geworden wäre. Seine Bewunderung für Mussolini ändert die Qualität seiner Literatur nicht. Doch manche Texte, wie etwa Der Fremde lesen sich vor diesem Hintergrund anders.


Ellen Norten - 1. Oktober 2025
ID 15489
Reclam-Link zum Flimmern der Raubtierfelle


Post an Dr. Ellen Norten

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