Blasiert und
unglaubwürdig
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Bewertung:
Sophie und Arpad leben mit ihren beiden Kindern in einer luxuriösen, fast gläsernen Villa, idyllisch am Waldrand gelegen und gerade mal fünfzehn Autominuten von der Genfer Innenstadt entfernt. Dort arbeitet Sophie als etablierte Anwältin. Erfolg und Liebesglück in der Musterehe lassen sie täglich schöner werden. Arpad, ein smarter Banker mit hervorragendem Verdienst, blendet gern mit dicken Autos, hat Charme und genieß sein Familienleben.
Demgegenüber steht das befreundete Paar Karine und Greg. Greg ist ein Muskelprotz, der bei einer Sondereinheit der Polizei arbeitet und seinen Job bilderbuchmäßig als echter Macho ausübt. Nur Karine ergänzt den Erfolg des Kleeblattes nicht, da sie „nur“ in einer Boutique arbeitet. Sie ist mit Haushalt und Kindern stark gefordert, will die perfekte Ehefrau und Gastgeberin mimen. Wenn sie Schweißausbrüche bekommt, weil sie vergessen hat die gesalzene Butter aus dem Kühlschrank zu nehmen, oder ihr Mann ihr vorwirft, dass sie sich die Fußnägel nicht lackiert hat, wird das Bild eines „Dummchens“ auf die Spitze getrieben. Diese vier Menschen leben ihre Fassaden, und dahinter stecken weitere Eigenschaften, die zu Verwicklungen untereinander führen.
Und da das luxuriöse Leben auf die Dauer zu banal und langweilig wird, muss dem etwas entgegengesetzt werden. Ein Banküberfall passt da gut, und zufällig ist man mit einem erfolgreichen Kriminellen befreundet, der einen unter die Fittiche nimmt: Vauve, der „Panther“, ein Bankräuber mit Stil. Gebildet, eloquent und freiheitsliebend, der, wenn er nicht im Gefängnis sitzt, sein Leben und sein Geld genießt. Doch die Rechnung geht zumindest für Sophie und Arpad nicht auf.
"'Was Du mir gerade antust, ist grausam! Du würdest nicht so mit mir umgehen, wenn Du mich wirklich lieben würdest!'
Sie begann zu schluchzen, was ihn erst recht in Rage brachte. 'Hör auf zu flennen, du bist hier nicht das Opfer!'
'Es ist stärker als ich! Ich bin das Opfer meiner Triebe und Bedürfnisse!'
'Das sind nicht nur Triebe, Sophie, das sind Gefühle!'
'Und was können wir gegen Gefühle tun? Sie sind unsere einzige wahre Freiheit.'
Sie schwiegen lange, beide waren vollkommen niedergeschmettert."
(Ein ungezähmtes Tier von Joël Dicker, S. 354)
Auch in der Ehe zwischen Karine und Greg gibt es Probleme, die wiederum mit Sophie und Arpad zu tun haben. So sind alle vier Getriebene ihrer heimlichen Leidenschaften.
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Ich habe selten ein Buch gelesen, bei dem keiner der Protagonisten mir nur die geringste Sympathie abringen konnte. Die vier Hauptpersonen Sophie und Arpad sowie Karine und Greg sind in ihrem Gebaren unglaubwürdig und zudem nervig. Geld allein macht nicht glücklich, soll wohl hier die Devise sein. Und wer auf den unerträglichen Luxus neidisch sein sollte, könnte sich damit trösten, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.
Im Buch werden Rollenklischees bemüht, die ich für längst überwunden gehalten habe. Wie der Erfolg des Buches zustande kommt, ist mir ein Rätsel. Aber Zeitschriften, die über die Probleme von Prominenten oder von Königshäusern berichten, finden ja auch ihre Abnehmer.
Zudem ist das Buch leseunfreundlich geschrieben. Die ständigen Vor- und Rückspringe stoppen den Lesefluss, auch wenn die jeweiligen Handlungen auf den Tag genau angegeben und untereinander in Beziehung gesetzt werden. So kommt nicht einmal Spannung auf.
Ellen Norten - 29. Juni 2025 ID 15335
Piper-Link zu
Ein ungezähmtes Tier
Post an Dr. Ellen Norten
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