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Krimi

Leipzig 1898





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Es sind knapp fünf Generationen, die uns von den Handlungen im Buch trennen. Leipzig pulsiert vor Leben, damals während der Hochindustrialisierung und heute als Boomtown. Auch der Zoo machte schon früh von sich reden – mit einer umstrittenen Völkerschau. „Neger“, wie es damals hieß, tanzten vor Lehmhütten und feierten Feste zum Ergötzen oder zur Abscheu der andrängenden Besucherschar. Für das wahre Leben der Akteure im „Menschenzoo“ interessierte sich allerdings einzig der Impresario, der mit diesen Belustigungen sein Geld verdiente.


„'Die sind das Wetter hier nicht gewöhnt: die Kälte, den Regen (…). Wenn einem auch nur die Nase läuft, kann es sein, dass am nächsten Tag die Hälfte umfällt wie die Fliegen. Ich sage Ihnen, manchmal denke ich mir, die ganze Schinderei ist es doch nicht wert. Vielleicht sollte ich wieder Missgebildete und Artisten ausstellen, da hat man es wesentlich einfacher.'“ (S. 167)



So [s.o.] beschreibt der Impresario die Situation aus seiner, für uns und den fahndenden Kommissar abstoßenden Sicht, als er diesen über den Ausbruch einer seiner Darsteller informiert.

Kritisch in diesem Zusammenhang ist jedoch die Tatsache, dass justament am Tag des Ausbruchs ein Mord an einem Großindustriellen geschieht. Am Tatort wird ein vermummter Mann gesehen, der dunkel wie ein Heizer erscheint und damit auch der Flüchtling sein könnte.

Fall gelöst – mitnichten. Denn jetzt wird es spannend. Es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die dem großkotzigen Großunternehmer Carl August Georgi gerne ins Jenseits befördern würden. So steht Kommissar Joseph Kreiser bei seiner ersten Mordermittlung vor einer schwierigen Aufgabe. Launige Unterstützung erhält er vom weltgewandten Staatsanwalt Möbius und seiner Zimmerwirtin Hannah. Letztere spielt ein wenig Miss Marple an seiner Seite. Jeden Abend berichtet der Kommissar seiner blinden Hausherrin ausführlich über den Stand der Ermittlungen und erhält von ihr wertvolle Tipps. Diese Berichte stellen auch einen Großteil des Buches dar, wir hören bzw. lesen den täglichen Bericht des Kommissars und verfolgen so sehr effizient die aktuellen Ereignisse.



"Nach dem Essen drängte die blinde Dame ihren Untermieter förmlich ins Wohnzimmer, wo er es sich mit seiner frischgestopften Pfeife gemütlich machte, um von seinem eigenen ereignisreichen Tag zu berichten.
'Dann frisch ans Werk', hob der Commissar an. 'Ich muss mein Bestes geben, mich kurzfassen, denn heute gibt es eine Menge zu berichten!'"
(S. 72)


Durch die Verdächtigen, die unterschiedlicher nicht sein können, lernen wir die verschiedenen Lebenssituationen der Menschen in Leipzig kennen; die Armut des Heizers, dessen gesamte Familie in einem Hinterzimmer haust; die Ehefrau des Fabrikdirektors, die seinen Eskapaden hilflos bei allem Luxus zusehen muss; das Dienstmädchen, das seinem Herrn willig zu sein hat, um nicht arbeitslos zu werden; den weltfremden Akademiker, der seinen Freund, das Opfer, nicht durchschaut - und eben den Afrikaner, der an Georgi ebenfalls ein besonderes Interesse hat.

So handelt es sich nicht nur um einen spannenden und einfallsreichen Kriminalfall mit sympathischen Ermittlern, sondern auch um ein buntes, wenn auch fiktives Zeitdokument. Leipzig 1898 ist uns fern und nahe zugleich.



Ellen Norten - 31. Juli 2020
ID 12380
Gmeiner-Link zum Krimi Völkerschau von Gregor Müller


Post an Dr. Ellen Norten

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