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nachDRUCK # 2

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Science-Fiction

Tanz der

Sterne

in den

Nebenzeiten





Bewertung:    



"Schwieriger war es für die Geisel. Sie musste darauf bestehen, dass Aziz ihrem Tanz beiwohnen konnte. Sie würde ihn mit dem Tuch umfangen und er musste sich darunter statt ihrer bewegen. Die Zuschauer sollten denken, er wäre sie, die darunter stünde, während sie in Wirklichkeit unsichtbar danebenstand. Erst wenn er das Tuch von sich werfen würde und dieses als loser Haufen Stoff niedersänke, mussten sie fliehen." (Jamila tanzt! von Ellen Norten, S. 107)

*

Deus ex machina in Ellen Nortens Buch Jamila tanzt> ist ein Greif, der immer dann erscheint, wenn eine Veränderung angesagt oder eine Rettungsaktion notwendig ist. Er bringt Jamila und ihre Freunde mit ihren individuellen, spannenden und unglaublichen Geschichten immer wieder an die richtigen Orte – und das sind viele, und sie liegen weit auseinander. Aber die Hauptrolle gehört Jamilas unterschiedlichen Schleiern und Tüchern, die, außer ihren Tanz zu begleiten, noch andere Aufgaben haben. Sie sind so lebendig beschrieben, dass man sie sehen und hören kann. Sie schillern, klimpern, glitzern, fliegen, singen, beschützen und – wenn nötig – verletzten oder noch schlimmer. Die Autorin beschreibt Jamilas Tanzeinlagen wie jemand, der den Tanz, vor allem den orientalischen, sehr gut kennt, bewundert und versteht. Während ihres Studiums hat sie sich ausgiebig damit beschäftigt und auch selber vor Publikum getanzt. Jamila jedenfalls hätte ohne diese Schleier all ihre Abendteuer nicht bestehen können und wohl auch ihre große Liebe Hassan nicht gefunden. Bei der Lektüre hört man den lauten Trommelwirbel, schaudert beim Trillern der Frauen, sieht den fein gewebten tausendfarbigen Schleier des Orients, riecht die gewürzten, köstlichen Speisen, wittert den Wind und hört die Wüste singen, wenn der Sand bis in den Himmel reicht und dunkle Männer in weiten Mänteln und blauen Turbanen auf ihren Kamelen ihren Weg durch diese faszinierende und fordernde Kargheit finden. Das Buch ist aber auch eine Reise durch die Zeit, in der die Generationen verschwimmen und Kinder vor ihren Eltern leben.


"Jamila nahm vorsichtig eines der Plättchen prüfend zwischen ihre Finger. Sie nickte anerkennend, die Leichtigkeit der Waffe würde den Flug des Schleiers nicht behindern. Dann legte sich ihre Stirn in Falten." (S. 120)


Manchmal passen die emotionalen Handlungen zwischen ihren Hauptdarstellern nicht wirklich in diese seltsame Welt der Zukunft oder der Vergangenheit, aber das mag an unserer Prägung durch die üblichen Science Fiction-Filme oder -Bücher liegen.

Die präzise und detailliert geschriebene Geschichte spielt irgendwo im Orient auf einem nicht klar definierten Planeten oder vielleicht sogar auf der Erde oder einer Zwischenerde. Sie ist ein Crossover von Zeit, Raum, Magie und Fiktion und fällt fast übergangslos von einem Abenteuer in das nächste. Es geht um Jamila und ihre Freunde Hassan, Jasmin und Kamal und um deren Metamorphosen in alle Richtungen, um Sultane, Dämonen, Giftmischerinnen, Freiheit, Rache, Religion und Liebende.

Jede individuelle Erzählung ist eine persönliche Oase und der seltsame Planet vielleicht auch nur eine Fata Morgana hinter Jamilas Tanzschleier. Der Übergang von einer Welt zur anderen passiert spielerisch und immer fantasievoll.

Das Buch ist ein magischer Science-Fiction-Roman (mit der Betonung auf magisch), der einmal mit originellen Verwandlungen, brutalen Kämpfen oder mit eleganter Erotik daher kommt, aber im nächsten Moment an ein Märchen, an Dr. Faustus oder an Apuleios Goldenen Esel erinnert. Die sehr unterhaltsamen Untergeschichten lassen viel Platz für Fortsetzungen, und die Fantasie kennt keine Grenzen, wenn sich die Türen zur 1002. Nacht öffnen, die sehr lang oder vielleicht nie enden wird!

Ellen Norten hat mit diesem, ihrem ersten, magischen SF-Roman die lange Tradition von Scheheredzades‘ Geschichten fortgesetzt - jener Sammlung, die in Persien ungefähr im 8. Jahrhundert als „work in progress“ begann und in die unterschiedliche Liebesgeschichten, Anekdoten, Komödien, Gedichte von unzähligen Erzählern in verschiedenen Stilen Einlass fanden. Jamila tanzt! könnte sich hier einreihen. Sie tanzt sich mit ihren Freunden, mit Kamelen oder Vögeln durch das Ishtar-Tor direkt in eine kosmische Zukunft. Immer wenn man gerade wieder in der orientalischen, rauschig-bunten Wüstenwelt angekommen ist, erinnert sie uns daran, dass es sich bei ihrem Buch um einen SF-Roman handelt, der ohne jegliche Technik funktioniert, was ihn dann wieder zeitlos altmodisch macht. Ganz zum Schluss wird die Autorin philosophisch und katapultiert uns dann doch in die religiöse und technische Gegenwart, und der Greif fliegt um den Meiler...



"Wir leben außerhalb der Zeit, wir sind Zuschauerinnen und betrachten den Gang der Dinge. Nur wenige Menschen können den Weg zu uns finden." (S. 236)


Zeit und Raum – Vergangenheit und Zukunft – Universum und Zwischen- oder Nebenwelten: Alles ist relativ, das Tor ist schon wieder geöffnet, und der Greif wartet ungeduldig!


Christa Blenk - 6. Mai 2023
ID 14178
https://www.pmachinery.de/


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