Die Zukunft ist nett,
warum Kooperation
mehr ist als eine
Moralentscheidung
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Bewertung:
In einer Welt, die zunehmend von Wettbewerb, Polarisierung und globaler Unsicherheit geprägt ist, wirkt Dirk Brockmanns neues Buch Survival of the Nettest wie ein frischer, manchmal herausfordernder Denkimpuls. Der renommierte Physiker und Systembiologe lädt uns ein, die Geschichte des Lebens noch einmal neu zu denken – nicht als ständigen Überlebenskampf der Stärkeren, sondern als evolutionäre Erfolgsgeschichte der Kooperation.
Was zunächst wie eine Gegenposition zu Darwins Survival of the Fittest klingt, ist in Wahrheit keine Widerlegung, sondern eine Erweiterung. Brockmann führt dem Leser vor Augen, dass die gängige Vorstellung von Konkurrenz als Hauptantrieb von Evolution eine verkürzte Lesart ist – die zweite Seite der Medaille, nämlich Zusammenarbeit und Symbiose, wurde lange übersehen oder unterschätzt. Wie im Yin und Yang ist es nicht der Gegensatz, der zählt, sondern das Zusammenspiel. Konkurrenz und Kooperation bedingen sich gegenseitig, und nur gemeinsam ermöglichen sie das wirklich Neue, das Revolutionäre, das Leben in all seiner Vielfalt.
Mit großer wissenschaftlicher Tiefe, lebendiger Sprache und einem Sinn für überraschende Verbindungen spannt Brockmann einen Bogen von molekularer Kommunikation über Pilznetzwerke bis hin zu menschlichen Gesellschaftsformen. Er zeigt, wie Vertrauen, Synergien und Netzwerke nicht nur biologische Grundlagen, sondern auch gesellschaftliche Innovationsmotoren sind. Es ist ein faszinierender Ansatz – inspirierend, originell und hochaktuell.
Und doch bleibt beim Lesen ein Zwiespalt. So spannend viele Kapitel auch sind, so dicht sind sie auch. Die Fülle an wissenschaftlichen Details, Beispielen und Begriffen fordert den nicht-naturwissenschaftlichen Leser stellenweise über die Maßen. Man liest quer, überfliegt, versucht Zusammenhänge zu erfassen – und verliert sie manchmal wieder. Es ist ein Buch, das man sich erarbeiten muss, und man wünscht sich immer wieder eine Art Zusammenfassung oder begleitende Darstellung für biologische Laien. Denn die zentrale Idee ist zu wichtig, um im Detailreichtum unterzugehen.
Trotz dieser Hürde bleibt Brockmanns Botschaft klar und stark: Kooperation ist keine nette Geste, sondern ein evolutionäres Prinzip. Und wenn wir als Gesellschaft über unsere Zukunft nachdenken, sollten wir der Natur nicht nur beim Kämpfen, sondern auch beim Verbinden zusehen.
Fazit: Ein kluges, tiefgründiges und forderndes Sachbuch über die verborgene Macht der Kooperation. Es erweitert unser Verständnis von Evolution und Gesellschaft – wissenschaftlich anspruchsvoll, philosophisch inspirierend und gerade deshalb so lesenswert. Konkurrenz und Kooperation gehören zusammen. Genau das macht Brockmann sichtbar.
Steffen Kühn - 28. Juli 2025 ID 15381
dtv-Link zu
Survival of the Nettest
Post an Steffen Kühn
http://www.hofklang.de
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