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Sachbuch

Der Mauersegler und

der fanatische

Intellektuelle





Bewertung:    



Es gibt hinreichend Bücher über Vögel, doch ein ganzes Buch einer einzelnen Vogelart zu widmen ist gewagt, denn es könnte für den, der sich z.B. nicht von Mauerseglern fasziniert fühlt,schnell langweilig werden – weit gefehlt. Eigentlich hatte ich mich bisher wenig für diese akrobatischen Flieger interessiert. Immerhin gelingt mir die Unterscheidung zur Schwalbe, denn der Mauersegler hat ein sichelförmiges Erscheinungsbild, wenn er kreischend durch die Straßenschluchten fliegt, während die Schwalbe bei fast gleicher Größe gerade Flügel zeigt.

Der Mauersegler fliegt,und das tut er fast ausschließlich, denn er schläft sogar im Fliegen,und seine winzigen Füße taugen nicht zum Laufen auf dem Untergrund. Lediglich beim Füttern des Nachwuchses landet er in seiner dunklen Bruthöhle, die gerne unter Dachrinnen oder Dachkanten gelegen ist. Gesehen habe ich ihn bisher nur im Sommer, und er ist wohl auch der erste Zugvogel, der im August bereits wieder in ferne Gefilde aufbricht. Wohin fliegt er, und was macht er da? Charles Foster reist mit diesen extremen Wanderern und hat sie in allen Monaten des Jahres beobachtet. Er ist nicht bloß fasziniert von diesen Luftakrobaten, er ist geradezu besessen von ihnen und reist ihnen per Auto und Flugzeug hinterher, vernachlässigt seine Familie und die englische Heimat, um seinen Auserkorenen nahe sein zu können. Und so ist das Buch streng genommen kein Sachbuch, sondern die Liebeserklärung eines Vogelfanatikers, dessen ganze Sehnsucht in der Erfüllung der Begegnungen rund ums Jahr mit diesen eigentlich nicht einmal schönen Vögeln liegt. Wir folgen Charles Foster durch die einzelnen Monate.


"Die Mauersegler jagen etwa 500 verschiedene Spezies. Und sie suchen sich ihre Beute sehr gezielt aus: Nicht selektive Ansaugfallen enthalten einen weitaus höheren Anteil an Fliegen, als er für die Kost der Mauersegler in dem jeweiligen Gebiet typisch zu sein scheint. Das sie bei ihrer Ernährung so mäkelig sind, könnte bedeuten, dass sie 500 verschiedene Spezies unterscheiden können. Sie identifizieren nicht nur die schmackhaften Arten und meiden diejenigen mit Warnfärbung. Wenn sie Bienen jagen, wählen sie die stachellosen Drohnen aus, obwohl sie gelb-schwarz gestreift sind, und verschmähen die stachelbewehrten Weibchen." (Der Ruf des Sommers, S. 23)


Wer die rasenden Flieger einmal beobachtet hat, kann sich wohl kaum vorstellen, dass eine solche Futterauswahl im Bereich von Millisekunden funktioniert. Solche Sachaussagen wechseln ab mit philosophischen und anders gearteten Betrachtungen, die weit über die normale Vogelbeobachtung hinaus gehen. Da werden die Mauersegler an und in der Klagemauer Jerusalems beschrieben, oder das kurze heftige Zusammentreffen der Tiere in Liberia, wo der Schwarm aus unzähligen Tieren wie ein einziges riesenhaftes Individuum daherkommt. Aber auch die Frage, ob der Mauersegler ein heimischer Vogel ist, gilt es zu klären. Er nistet zwar bei uns, doch dauert dies nur kurze Zeit, dann verlässt er uns hastig, um dem afrikanischen Kontinent zuzustreben. Ist der Vogel also ein Afrikaner?

Vielleicht, eigentlich ist seine Heimat die Luft. Foster hingegen ist ein Intellektueller, der sich in abstrakte Gedankengänge verlieren kann. So etwa darüber, ob der noch nicht brutfähige Vogel um seine Aufgaben im nächsten Jahr weiß.


"Den Unterschied zwischen dem jetzigen Selbst und dem hypothetischen Selbst in einem Jahr zu erkennen, erfordert nicht nur ein rudimentäres Bewusstsein seiner selbst, sondern eine ziemlich komplexe Reflexion darüber. Das ist mehr, als die meisten menschlichen Politiker zustande bringen." (S. 122)


Ein anspruchsvolles Buch, gepaart mit hohem Faszinationswert und damit eine ungewöhnliche Lektüre. Lediglich die Illustrationen im Buch verdeutlichen zumindest nicht für mich das Einzigartige dieser merkwürdigen Tiere.


Ellen Norten - 2. Oktober 2023
ID 14414
Verlagslink zum Mauersegler-Sachbuch


Post an Dr. Ellen Norten

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