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Phantastik

Die Angst

und das Buch





Bewertung:    



Es ist ein unerwartet persönliches Buch, was in der Phantastik eine Ausnahme darstellt. Es geht um Angst, das ist in diesem Genre noch zu erwarten, doch es geht um die eigene Angst, sprich die Angst des Autors. Angst, so gesteht Michael Siefener, der Meister des Horrors, empfindet er seit jeher, sie ist ein ständiger Begleiter in seiner Biografie. Die Wurzeln dafür sieht er in seiner frühen Kindheit. Der vierjährige Michael lebte gemeinsam mit seinem unbeherrschten Großvater auf engem Raum. Die Alzheimererkrankung des Opas und die damit verbundenen Wutausbrüche führten zu größter Verunsicherung des Kindes.


"Ich konnte – zumindest meinem Großvater gegenüber - die Reaktionen auf meine Taten nicht abschätzen. Das ist wohl, was die Psychologen mit Kontrollverlust bezeichnen." (Das Haus am Ende der Träume, S. 17)


Auch andere Horrorautoren (wie etwa Howard Phillips Lovecraft, dessen Vater durch seine Syphilis für das Kleinkind unberechenbar wurde) haben vermutlich ähnlich traumatische Erlebnisse verarbeiten müssen – was letztendlich zu den brillant erzählten Romanen und Geschichten führte. Biografische Besonderheiten beeinflussen den Autor, und guter Horror fordert seinen Preis.

Die Protagonisten der Geschichten von Michael Siefener teilen nicht zufällig eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Autor. Bei fast allen handelt es sich um Büchernarren, die sich am liebsten in ihre Studierkammern auf heimeliges Terrain zurückziehen. Doch die vermeintliche Sicherheit wird durchbrochen: Der Protagonist muss beruflich oder getrieben durch eine fast manische Suche nach einem verschollenen Buch, einem inneren Zwang gehorchend auf Reisen, oder er zieht um. Eigentlich sind die Dinge, auf die er in der neuen Umgebung trifft, normal, zum Teil sind sie sogar ansprechend, wie die bezaubernde Blumendekoration in einem Hotel. Doch der blumenverseuchte Speisesaal wird zur Bedrohung, wo Bilder "von sich windenden träge verdauenden Kreaturen, nicht Tier, nicht Pflanze; leises Schaben und Schmatzen und Laute, die entfernt an ein Ächzen, ein Jammern oder ein giervolles Jaulen erinnern," (Hotel Kehrwieder, S. 158) erzeugen. Doch ist dies Wirklichkeit oder bildet der Handlungsträger sich dies nur ein und wir, die Leser stehen verblüfft und mit schaurigem Grusel an seiner Seite.


"In meinen Texten geht es sehr oft darum, dass die Protagonisten in eine Situation geraten, in der sie Wahn oder Einbildung nicht mehr von der Wirklichkeit unterscheiden können. Sie erleiden also einen völligen Kontrollverlust. Sie geraten auf unbekanntes, bedrohliches Terrain, in denen ihnen ihre Erfahrungen des Alltags nicht mehr helfen." (Die Angst und der Autor, S. 16)


Diese Bedrohungen weiß der Autor meisterhaft in Sprache umzusetzen, und so wird die Lektüre, die in gewisser Weise aus der Zeit fällt und nur in Ausnahmen zeitgenössische Elemente bedient, dennoch auch für den modern denkenden Leser bedrohlich und spannend zugleich.


"Eine Dunkelheit, die aus der Unendlichkeit des Himmels herbeizuwehen schien, küsste den scheidenden Tag. Erste Lichter dämmerten wie träumende Seelen über den Spitzen der schwindelnd hohen Gebäude, waren ein vages Ziel für die stählernen und gläsernen Finger, zu dem sie sich bei Einbruch der Dämmerung erneut auf den Weg machten – fort von den kalten Straßen, von den kalten Plätzen, von den kalten Träumen, mit denen ihre Fundamente gefesselt waren. Er sah, dass alles in dieser Stadt nach oben strebte; selbst die Passanten, gefangen im pulsierenden Strom der Straße, schienen die Blicke sehnsuchtsvoll in den sich schwärzenden Himmel zu senken." (Die Kälte jenseits der Träume, S. 37 )


Ellen Norten - 16. Juni 2023
ID 14252
Verlagslink zum Haus am Ende der Träume


Post an Dr. Ellen Norten

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