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nachDRUCK # 2

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Roman

Das Grauen

bleibt





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Vor achtzig Jahren wurde die Stadt Dresden von den Engländern angegriffen und zerstört. Mindestens 20.000 Menschen starben im Bombenhagel, Zivilisten, Flüchtlinge, Greise und Kinder. Niemand kennt die genauen Zahlen. Jedes Jahr im Februar findet ein Gedenken an diese Katastrophe satt.

Doch der Tod von etlichen tausend Menschen berührt unsere Psyche meist weniger stark als Einzelschicksale, denn eine Zahl in dieser Größenordnung ist nicht greifbar, schier unvorstellbar. Christian Hardinghaus, der sich als Geschichtswissenschaftler intensiv mit dem Zweiten Weltkrieg auseinandergesetzt hat, versucht über Marta und Herrmann die Schrecken der Feuersbrunst und den Kampf um das Überleben in Dresden spürbar zu machen. Realität und Fiktion vereinen sich in deren Schicksal.


"Marta rannte um ihr Leben. Dann brach die Hölle los. Das schrille Pfeifen der herabstürzenden Sprengbomben, gefolgt von den Detonationen war so laut, dass sie sich reflexartig die Ohren zuhielt. Der Boden unter ihren Füßen bebte und vibrierte, als befände sie sich auf einem Schiff auf stürmischer See. Dreck peitschte ihr ins Gesicht. Neben ihr riss der Boden auf, Baumstämme, Trümmerteile und menschliche Körper wirbelten durch die Luft. Immer wieder kam Marta zu Fall und kämpfte sich hoch, manchmal mit Herrmanns Hilfe.
Schließlich vernahm sie die Detonationen leiser, dafür das Knistern und Zischen der Flammen lauter. Sie waren zurück in der brennenden Stadt, orientierungslos gefangen zwischen meterhohen Feuerwänden. Vor ihr begann ein Gebäude zu schmelzen – Phosphor, das Teufelszeug, das wie Lava vom Baum tropfte und den Asphalt in einen glühenden Fluss verwandelte. Sie hörte das Schreien, das Flehen um Hilfe, doch Marta wusste, dass sie niemandem mehr helfen konnte."
(Drei Tage im Feuer, S. 211)



Die brutalen Ereignisse sind erschütternd und sollen die Erinnerung an diese Schrecken wachhalten und – es wäre schön – einer Wiederholung vorbeugen. Mittlerweile gibt es kaum noch lebende Zeitzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg, die ihre Erlebnisse schildern könnten, und so füllt das Buch eine Lücke. Doch auch früher haben die meisten Eltern und Großeltern nur selten von dem traumatisierenden Gräuel berichtet. Das Erlebte und Gesehene hatten so tiefe Narben hinterlassen, dass sie dies nicht in Worte fassen konnten oder wollten. Auch Marta, die die Bombennacht in Dresden überlebt hat, fällt es im Buch schwer der jungen Punkerin Bianca davon zu berichten und diese in Richtung Verständnis und Verzeihen zu bewegen. Eine rührende Beziehung entsteht zwischen den beiden Frauen.

Bis hierhin ist das Buch ein gelungener Roman, der zur Versöhnung aufruft. Doch dann fängt die Handlung an ins kitschige abzugleiten. Die Punkerin mutiert zur eleganten Dame, versöhnt sich mit ihrer alkoholkranken Mutter und wählt den Engländer James als Lebenspartner aus. James Großvater kam bei dem Bombenangriff auf Dresden ums Leben. Ihn hatten zuvor arge moralische Zweifel geplagt, und dies trägt James in seiner Rede bei einer vorgezogenen Einweihungsfeier der Dresdener Frauenkirche vor.

Die Kirche, die erst nach der Bombardierung in sich zusammenbrach, steht als Symbol für die Bombenkatastrophe. In der DDR waren ihre Trümmer ein Mahnmal. 1994 starteten private Initiativen den Wiederaufbau des Gotteshauses. 2005 wurde die zu zwei Dritteln mit privaten Spenden, insbesondere von Engländern, wieder errichtete Kirche eingeweiht. Das ursprüngliche Mahnmal wich der barocken Schönheit, bis heute sind der Wiederaufbau und die damit verbundenen Feierlichkeiten umstritten.

Der gutgemeinte Ansatz des Buches wird durch die nachgelieferten Zeitsprünge, die das aus meiner Sicht übertrieben dargestellte Schicksal von Bianca beleuchten, geschmälert. Dennoch ist die Lektüre für die zu empfehlen, in deren Familie der Zweite Weltkrieg totgeschwiegen wurde. Das Grauen bekommt hier einen Namen und kann vielleicht dabei helfen, neue Kriegsbereitschaft in ihrer Gefahr zu erkennen. Hier findet sich schwarz auf weiß, was es heißt einen Krieg zu erleben.


Ellen Norten - 15. Juli 2025
ID 15365
Piper-Link zu Drei Tage im Feuer


Post an Dr. Ellen Norten

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