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Romanbiografie

Kurzweilig,

gut recherchiert,

unterhaltend

und lehrreich





Bewertung:    



„Die Luft vibrierte vor Erregung und Spannung. Angelika ging völlig gerade, ohne den Anflug eines Hüftschwungs. Die Menschen drehten sich nach ihr um, die einen, weil sie die Einfachheit ihres Auftretens skandalös fanden, die anderen, weil sie wussten, das wird Mode, und sich jedes Detail einprägen wollten.“ (Gabriele Katz, Angelika Kauffmann. Eine Ikone weiblicher Kunst, S. 160)

*

Drei Jahre nach ihrer Ankunft in London wird die Königliche Akademie der Künste gegründet. Präsident wird Sir Joshua Reynolds. Ihm, dem fast 20 Jahre älteren Malerfürsten, der auch ein wenig verliebt in sie ist, hat Angelika Kauffmann (1741-1807) viel zu verdanken. Er protegiert sie und rät ihr, ihre Portraits hochpreisig zu verkaufen. Obwohl Gründungsmitglied, darf sie als Frau an den Sitzungen nur schriftlich teilnehmen. Zur Eröffnungszeremonie trägt Angelika ein zweiteiliges, mattrotes Seidenkleid mit nur kleinen Hüftpolstern. Ohne Schmuck und Zierde und mit einem schlichten, schwarzen Matrosenhut aus Stroh betritt sie die Ausstellungsräume. Die Londoner fiebern bei diesem Stilbruch schon dem nächsten Skandal entgegen. Ihre Mitstreiterin, die Blumenmalerin Mary Moser, bezeichnet den Akt ihrer Aufnahme lakonisch als "kuriose Ausnahmeerscheinung". Der deutsche Künstler Johann Zoffany verewigt die 34 Gründungsmitgliedern in einem Bild, und Gabriele Katz lässt sie in ihrem Buch nach und nach mit ihren Stärken, Schwächen und Ängsten auftreten. Die beiden Frauen hingegen landen in Form von lieblosen Portraits an der Wand. Angelika schöpft aber auch aus dieser Erniedrigung frische Energie und erfindet sich jeden Tag neu, springt ständig über ihren Schatten, lässt sich nicht bremsen und auch wenn sie sich nicht an den morgendlichen Haferbrei mit zerkochten Früchten und Milch oder an das wabbelige, kalte Roastbeef und die Unmengen Tee gewöhnen kann, fühlt sie sich mit jedem Jahr mehr zu Hause in der vertratschten Metropole mit dem schlechten Wetter und deren modeverrückten und skandalsüchtigen Einwohnern.

Bei der Lektüre werden wir immer wieder Zeuge, wie sie sich mit ihrem weiblichen Blick einer Szene annähert, was wiederum zu Neid führt und Intrigen aufblühen lässt. Als sie auch noch das nackte Männliche fordert und sich ein männliches Modell ins Atelier holt, ist der Skandal vorprogrammiert.


„ ‚Wirklich schön‘. Seine Stimme klang so hohl, als trommelte ein kleines Kind mit einem Holzlöffel auf einen alten Topf. Angelika begann, über die Geschichte hinter dem Bild zu referieren, über Varianten, die sie sich überlegt hatte. Der Trojanische Krieg. Die Ilias, Homer, Bla bla bla. Dance hörte alles wie aus weiter Ferne. Seine Augen sahen etwas anderes. Wie wird diese Frau erst in zehn Jahren malen? Nicht auszudenken. Er fühlte sich vernichtet...“ (S. 92)


Er, Nathanial Dance, hatte ihr schon in Neapel, wo Angelika ab 1763 die Grand Tour Touristen malte, vergeblich den Hof gemacht. Das Portrait des bekannten Shakespeare Schauspieler David Garrick machte Furore zuhause und die Frau des britischen Botschafters in Venedig wird auf Angelika aufmerksam und lädt sie nach London ein. Sehr gelungen beschreibt Gabriele Katz die Überfahrt und die erwartungsvolle Ungeduld der ersten Tage in London. „Die richtigen Kleider sind in London so wichtig“, sagt ihr das Dienstmädchen von Lady Wentworth gleich nach Ankunft und bei Begutachtung von Angelikas magerer, verschlissener Garderobe. Sie sieht ihr Erspartes schon zwischen Samt und Seide und Fischbein-Korsagen verschwinden. "Süchtig nach Portraits und reich" sollen die Engländer sein. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht, dass sich der große Reynolds von der jungen Kauffmann portraitieren lassen will und schon steht man Schlange vor ihrer Tür. Der erste Schritt zum Erfolg war getan. Angelika mietet sich ein Atelier, legt sich ein Auftragsbuch zu und malt die jungen Londoner Debütantinnen im weißen, antiken Kleid, im Kauffmann-Look. Die Couragierteren verzichten sogar auf die viel zu eng geschnürten Korsette und lauschen erregt den Texten aus Samuel Richardson Romanen, die jemand laut während der Sitzungen vorliest.

Nur zwei Jahre nach ihrer Ankunft mietet sie für sich und ihren Vater ein Haus am Golden Square, betreibt einen Salon, wird zu einer mächtigen „Influencerin“ und nicht nur London ist "angelicamad". Miss Angel wird beäugt und kopiert. Man sucht ihre Nähe, die jungen Männer himmeln sie an, die jungen Frauen beneiden sie und wollen auch im Orientlook mit transparenten, gefalteten Hosen gemalt werden.

Aber die ewige Herausforderung für sie bleibt die ebenfalls den männlichen Kollegen vorbehaltene Historienmalerei.


„Am 5. Mai 1767 stand Angelika am Fenster und sah den Schneeflocken zu, die vom Himmel herab wirbelten…. Die Stirn gegen die Scheibe gelehnt, blickte sie auf die letzten Monate zurück und sah nichts als Gesichter, Gesichter, Gesichter. An diesem Tag wollte sie endlich den großen Zyklus der Historienbilder beginnen, der sich seit Monaten in ihrem Kopf formte. Vier Bilder über die Liebe und über den richtigen Weg eines Menschen, seinem Schicksal zu begegnen und es zu erfüllen.“ (S. 121)


Das Auftragswerk Die Vier Elemente der Malerei für den Vortragssaals im Somerset House wird ihr Abschiedsgeschenk an London. Angelika malt vier Frauen stellvertretend für "Erfindung, Farbe, Komposition und Zeichnung". Die "Erfindung" sitzt im weißen Kauffmann-Kleid auf einem Felsen.

Angelika Kauffmann war talentiert, fleißig, selbstbewusst, hübsch, konnte obendrein berührend schön singen, lebte ohne Mann und hatte ihre Finanzen fest im Griff. Sie wurde zur Trendsetterin. Ob es ihrem Ruf als Künstlerin auf lange Sicht geschadet hat Tassen, Stoffe, Dosen, Muffs, Taschentücher oder Stickvorlagen mit ihren Motiven zu zieren, bleibt dahingestellt, aber ihrem Geldbeutel hat es gut getan. Sie konnte ihr Leben lang sehr gut von dem leben, was sie selber verdient hat.

* *

Gabriele Katz setzt sich kurzweilig, gut recherchiert, unterhaltend und lehrreich mit Angelika Kauffmanns Jahre des Aufstiegs in der gnadenlosen Mode-Metropole London im Kreise von fast nur männlichen Kollegen auseinander. Minutiös beschreibt sie Angelikas innere Kämpfe, die aufwendigen Kleider, die extravaganten Frisuren oder die durch Matsch stapfenden zierlichen Schuhe. Beim Lesen kann man das Rauschen der Seidenstoffe oder das Knacken der viel zu engen Korsagen hören. Gabriele Katz erweckt Bildmotive zum Leben und lässt Theaterszenen an uns vorbeiziehen. Knapp 50 Bilder von Angelika Kauffmann werden in dem Buch vorgestellt. Auch ihre 12-Stunden-Ehe mit einem Heiratsschwindler wird beleuchtet, ihre Scham danach und ihre Sichtänderung auf Beziehungen, als sie den Venezianer Antonio Zucchi kennen lernt, ein Mann, der sie respektiert und unterstützt. Er kocht für sie, sie heiratet ihn und er wird nach ihrem Vater der wichtigste Mann in ihrem Leben.


Christa Blenk - 31. August 2022
ID 13779
Südverlag-Link zur Romanbiografie über Angelika Kauffmann


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