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Ausstellung

Giacometti

flaniert

durch den

Prado



Bewertung:    



Der Madrider Prado ist einer der bedeutendsten und berühmtesten Kunsttempel weltweit. Dieses Jahr feiert das Museum seinen 200. Geburtstag. Ehrengast ist seit dem 2. April der Schweizer Künstler Alberto Giacometti (1901-1966). Die feingliedrigen Skulpturen mischen sich unter die Gemälde der alten Meister, die vor allem im „Siglo de Oro“ (Spaniens Goldenes Jahrhundert) auf die Iberische Halbinsel gekommen bzw. dort entstanden sind: darunter sind Werke von Goya, Velázques, El Greco oder Bosch und Brueghel sowie viele Gemälde der italienischen Renaissance.

Raum und Zeit erfinden sich mit diesem Ehrengast hier neu. Obwohl der Prado schon früher für Degas oder Picasso z.B. seine Türen für die Avantgarde öffnen ließ, blieben die modernen Eindringliche unter sich. Hier treten die nervösen Giacometti-Figuren in direkten Dialog mit den permanenten Bewohnern, da sie um und in den wichtigsten Säle(n) des Museums aufgestellt wurden.

Die Kuratorin der Ausstellung, Carmen Giménez, schickt Giacometti auf eine Reise durch die Jahrhunderte - vom Mittelalter zur Moderne. Zeiten und Epochen fusionieren, seine Figuren werden zu Zeitreisenden und jede Skulptur hat für ein paar Monate den passenden Gastgeber gefunden. Sie betrachten sich auf eine voyeuristische Art, begutachten sich und wägen ab, ja erkennen sich wieder, denn für den Schweizer Künstler sind sie – obwohl er nie in Spanien war – keine Unbekannten. Als Kind hat er die alten Meister leidenschaftlich kopiert oder reinterpretiert. Seine Zeichenhefte beweisen das. Er bewunderte Tintorettos architektonische Farbenpracht genauso wie er von Goyas "Pintura negra“ (schwarze Bilder) fasziniert war.

Die jeweilige Platzierung der Skulpturen war sicher eine Herausforderung und ist exquisit und sehr sensibel umgesetzt.
So stehen auf einer Plattform („La Piazza“) die direkt vor Velázques‘ (1599-1660) Las Meninas aufgestellt wurde, vier sich ansehende Skulpturen im Kreis, genau dort wo das Königspaar saß, als es sich vom Hofmaler portraitieren ließ. Zu sehen sind diese allerdings nur durch einen Spiegel im Bild. Dafür steht der Maler mitten in seinem gerade entstehenden Gemälde bei der Arbeit und blickt auf das Publikum bzw. auf die Vierergruppe. Wir sind versucht, auch die Giacometti-Skulpturen unter den Meninas und Hofnarren zu suchen. Ein seltsames Gefühl, das sich fortsetzt, wenn wir als nächstes vor El Carro (Der Wagen) stehen. Die Kuratorin hat ihn vor einem großartigen Tizian aufstellen lassen. Das Portrait Karl V bei der Schlacht von Mühlberg: Der stolze König sitzt hoch zu Ross. Von der Schlacht zeugt außer einem dramatischen Feuerhimmel nichts. Doch sieht man dem Kaiser den Sieg an. Eine filigrane, überdünne Frau auf einem Sockel – eingefroren zwischen Bewegung und Stillstand - über zwei sehr großen Rädern. Die Skulptur wird hier zu Mutter Courage, zu einer Marketenderin im Dreißigjährigen Krieg, die sich durch ihn ihren Lebensunterhalt verdient. In der Schlacht von Mühlberg besiegte das Heer Kaiser Karls V die Truppen des Schmalkadischen Bundes. Der Führer der Protestanten, Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, geriet in Gefangenschaft. Tizian hat dieses großartige Portrait genau 100 Jahre vor Ende dieses Krieges gemalt.

Einer der Lieblingsmaler von Giacometti war wie gesagt der Venezianer Tintoretto (1518-1594), und seitlich vor dessen großartigem Mammutwerk Lavatorio warten die Sieben Frauen aus Venedig. Giacometti hat sie 1956 für die Biennale von Venedig geformt, jede aus der gleichen Menge Lehm, in verschiedenen Größen und mit ähnlichen Gesichtern. So gebündelt sind sie überaus beeindruckend. Als Gruppe treten sie sonst eher nicht auf, da sie in unterschiedlichen Ländern zu Hause sind. Die Nr. I lebt in Madrid und gehört der Alicia Koplowitz-Grupo Omega Capital. Die Nr II und III, V und VII sind aus dem Lousiana Museum of Modern Art in Humblebaek (USA) angereist. Nr. VI gehört der Fundation Marguerite et Aimé Maeght und die Nr. VIII der Fondation Beyeler. Beyeler hat übrigens mehrere Exponate zu dieser Ausstellung geschickt. Die Frauen, so scheint es, kommen gerade aus dem Bild und haben sich vorher noch in der großartigen Architektur von Tintorettos Gemälde getummelt. Jetzt blicken sie neugierig gegenüber auf ihre Verwandten aus dem 16. Jahrhundert im El Greco Saal. Denn die Heiligen auf El Grecos (1541-1614) manieristischen Gemälden sehen den Venezianerinnen oder generell Giacomettis Spätwerken durchaus ähnlich.



Raumansicht - Imagen de las salas de exposición. | © Alberto Giacometti Estate / VEGAP, Madrid, 2019; Foto © Museo Nacional del Prado


Im Saal von Zurbarán hat Das Bein seinen Platz gefunden. Es entstand 1958 und kommt aus der Baseler Alberto Giacometti Stiftung. Vor den wuchtigen Körpern auf Zurbaráns Herkules Serie ist das Bein wie ein Hieb und zeigt die Veränderungen, die Giacometti nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner Kunst erfahren hat. Die streng-spartanisch, fast schnörkellose und kompakte Form verträgt sich gut mit dem dunklen Mystiker Zurbarán (1598-1664), der am liebsten Mönche oder Leute aus dem Volk malte.

Eli Lotar III  gilt als Giacomettis letztes Werk, es entstand 1965. Man fand die Skulptur unvollendet in seinem Atelier. Der Fotograf Eli Lotar gehörte zu Giacomettis Freundeskreis. Große Frau I und II sind imposante primitive Göttinnen und scheinen die Ausstellung zu bewachen. Sie sind aus Houston und Zürich nach Madrid gekommen und ebenfalls 1960 entstanden.

Giacometti, der als 20jähriger nach Paris kam und sich um 1930 kurz dem Surrealismus zuwandte, kehrte schon während des Zweiten Weltkrieges wieder zu Arbeiten mit Modellen zurück. Er kehrte der avantgardistischen Bewegung den Rücken, wurde irgendwie zeitlos und widmete sich fast komplett der menschlichen Gestalt. Seine rissig-schartigen, unebenen und schroff- langgezogenen Skulpturen könnten aus der Antike kommen oder Bewohner vergessener Kulturen sein.

*

Eröffnet wurde das Prado-Museum im November 1819 durch María Isabel de Braganza. Gebaut hat es Juan de Villanueva, ursprünglich geplant als naturgeschichtliches Museum. Ein Großteil der königlichen Sammlungen sollte dort ausgestellt werden. Diese Kollektion hat sich dann im Laufe der Zeit durch Schenkungen oder Zukäufe zu dem entwickelt, was der Prado heute ist. Zwischen 1936 und 1939, im spanischen Bürgerkrieg, wurden die Kunstwerke mit Sandsäcken vor den Bombardierungen geschützt. Einige Werke kamen später über Valencia nach Genf. Und dort in Genf, hat Giacometti einmal eine Ausstellung der alten Meister aus dem Prado gesehen. 2005 hat der spanische Architekt Rafael Moneo den beeindruckenden Erweiterungsbau konzipiert.

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Die außergewöhnliche Ausstellung Alberto Giacometti en el Museo del Prado ist noch bis zum 7. Juli 2019 in Madrid zu sehen und wird von einem spannenden Begleitprogramm flankiert.
Christa Blenk - 8. April 2019
ID 11339
Das Prado-Museum ist eigentlich schon genug Grund, um in die spanische Hauptstadt zu reisen. Wer aber mehr braucht, kann auf der Museumsmeile oder dem „Triangolo del Arte“, wie die Spanier sagen, gegenüber auf der einen Seite das Caixa Forum, einen schwebenden Sockelbau auf dem Gelände eines ehemaligen Elektrizitätswerk 2008 von den Schweizer Architekten Herzog und De Meuron erbaut. Auf der anderen befindet sich das Thyssen Museum mit der großartigen Sammlung von Thyssen Bornemisza, die 1992 in spanischen Besitz überging und natürlich das zeitgenössische Museo Reina Sofia, ein ehemaliges Krankenhaus aus dem 17. Jahrhundert, erbaut von Sabatini. Der Franzose Jean Nouvel wurde mit dem Erweiterungsbau beauftragt, der 2002 eröffnet werden konnte. Das Wochenende müsste allerdings ein Langes sein, um all das zu besichtigen. | C. B.

Weitere Infos siehe auch: https://www.museodelprado.es/


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